Bereits während der Sommerpause wurden dringende Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen im Duisburger Theater durchgeführt. Diese werden planmäßig noch bis Anfang November andauern. Bevor dort also in knapp zwei Monaten Verdis Nabucco erklingen kann, startete die Deutsche Oper am Rhein am 10. September 2025 mit einer konzertanten Aufführung von Ludwig van Beethovens einziger Oper Fidelio in großer Orchester- und Chorbesetzung in der benachbarten Philharmonie Mercatorhalle in die neue Spielzeit 2025/26. Mit dieser Koproduktion mit den Duisburger Philharmonikern beginnt nach 16 Jahren unter Generalintendant Christoph Meyer, der auch an der Planung des aktuellen Programms noch beteiligt war, in diesen Tagen an den Häusern in Düsseldorf und Duisburg eine zweijährige Übergangszeit. Mit Beginn der Spielzeit 2027/28 wird dann Ina Karr als erste Frau in der Geschichte des Opernhauses die Generalintendanz übernehmen, die sich bei dieser Premiere bereits ein Bild vor Ort machte.

Doch zurück in die Gegenwart: Fidelio ist nicht nur eine Oper, in der niemand stirbt, sondern auch eine Geschichte, in der am Ende Freiheit, Mut und Liebe siegen. Die Geschichte um den willkürlich inhaftierten Florestan und seine ihn liebende Ehefrau Leonore, die sich als Mann verkleidet, um ihren Gatten in der Gestalt des „Fidelio” aus dem Kerker zu befreien, wird in Duisburg um vier eigens für diese Aufführungen verfasste Texte erweitert. Hierfür konnte die ukrainisch-deutsche Schriftstellerin Katja Petrowskaja gewonnen werden, die im Jahr 2013 mit dem renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. Vorgetragen werden diese Interventionen durch den bekannten Schauspieler Jens Harzer, der dabei stets den passenden Tonfall trifft. In den Texten geht es um Krieg, Gefangenschaft und Machtlosigkeit, aber stets schwingt auch ein Funke Hoffnung mit. Es ist ein heikles Unterfangen, nahezu alle Sprechtext-Passagen aus der Oper zu entfernen und dafür diese Interventionen einzufügen. Frau Petrowskaja gelingt es allerdings erstaunlich gut, mit ihren Texten tief zu berühren und gleichzeitig immer wieder Bezüge zur eigentlichen Oper herzustellen.
Es wird die Geschichte einer Frau in Berlin erzählt, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat geflüchtet ist. Trotz ihrer inneren Ängste und Unsicherheiten versucht sie seitdem, jeden Tag so normal wie möglich zu leben. Auch Menschen, die trotz der Gewalt in ihrem Land versuchen, einen Alltag zu leben, finden Gehör. Menschen, die mit ihren Kindern in den Urlaub fahren und anschließend wieder in ihre Heimat zurückreisen, weil sie eben dort zu Hause sind. Gleichzeitig sind sie aber auch Gefangene in ihrem eigenen Leben. In Kombination mit dem Gefangenenchor und dem Zitat „Die Hoffnung flüstert sanft mir zu: Wir werden frei, wir finden Ruh’” schnüren einem die eingefügten Texte fast den Hals zu. Der dritte Text handelt von einer Frau, die ihren Mann aus Kriegsgefangenschaft befreit hat. Sie schildert sehr eindringlich unvorstellbares Leid in einer Geschichte, die ähnlich dem Fidelio-Libretto ist, aber im wahren Leben stattfand. Passend auch der Auszug aus ein Tagebuch einer polnischen KZ-Gefangenen, in dem sie von dem Tag der Befreiung berichtet. Eingebettet wird dieser Text durch die Befreiung Florestans durch Leonore und dem bekannten Schlusschor, einem der großen Werke Beethovens.

Allgemein ist die im Jahr 1805 in Wien uraufgeführte Oper vor allem eine musikalische Meisterleistung von Ludwig van Beethoven. Und diese bringen Vitali Alekseenok und die Duisburger Philharmoniker exzellent zu Gehör. Entsprechend war das erste „Bravo” aus dem Publikum schon nach der Ouvertüre zu hören. Sollte die Deutsche Oper am Rhein in Zukunft den Posten des Generalmusikdirektors neu besetzen, darf man durchaus auch einmal in den eigenen Reihen suchen. Eine bessere Bewerbung als Alekseenok bei der Fidelio-Premiere kann man sich kaum vorstellen.
Auch die Solisten des Abends sind treffend besetzt, wenngleich es bei dieser Oper nicht immer einfach ist, sich gegen die Wucht des Orchesters durchzusetzen. Dennoch gelingt es Jacquelyn Wagner als Leonore, auch die gefühlvolleren Momente treffend zu Gehör zu bringen. John Matthew Myers kommt als Florestan zwar erst nach der Pause auf die Bühne, setzt mit seinem „Gott! Welch Dunkel hier!” aber gleich einen der stärksten musikalischen Akzente des Abends. Publikumsliebling Hans-Peter König gibt einen bis ins Detail ausgearbeiteten Gefängniswärter Rocco und erhält hierfür beim Schlussapplaus zu Recht den größten Beifall des Abends. In den weiteren Rollen wissen Simon Neal als Pizarro, Lavinia Dames als Marzelline, Riccardo Romeo als Jaquino und Žilvinas Miškinis als Don Fernando ebenfalls zu gefallen. Auch der Chor der Deutschen Oper am Rhein ist stark einstudiert und sorgt für ein großartiges Finale.

Wenn man beim Verlassen der Mercatorhalle nahezu ausnahmslos positive Stimmen vernimmt und sogar das Zitat „Nun wird es aber schwierig, sich in dieser Spielzeit nach so einer Premiere noch zu steigern.” aufschnappt, dann hat man wohl alles richtig gemacht. Zu sehen ist diese konzertante Aufführung an weiteren drei Terminen in den kommenden Wochen.
Markus Lamers, 11. September 2025
Fidelio
Oper von Ludwig van Beethoven (konzertante Aufführung)
Deutsche Oper am Rhein – Philharmonie Mercatorhalle Duisburg
Premiere: 10. September 2025
Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Chor: Patrick Francis Chestnut
Duisburger Philharmoniker
Weitere Aufführungen: 20. September / 3. Oktober / 24. Oktober