Aufführung am 26.02.2017
Kühle Bauhaus-Pracht
Zum ersten Mal wird Lulu im Deutschen Nationaltheater Weimar gespielt und zwar in der vervollständigten Fassung des österreichischen Komponisten Friedrich Cerha mit vollendeten dritten Akt.
Der Weimarer Weg zu dieser Lulu-Aufführung war nicht ganz einfach. Der US-Amerikaner Stefan Lano musste die Musikalische Leitung von Patrick Lange übernehmen. Tja, und dann fehlt auch noch die Lulu-Besetzung aus. Doch schließlich wird alles gut und Sopranistin Marisol Montalvo springt ein. Marisol Montalvo ist inzwischen eine Spezialistin für die Lulu-Rolle, die hat sie an verschiedenen Opernhäusern schon gesungen: Paris, Wien, Toulouse und Basel. Sie wird zum gesanglichen Stern der Aufführung.
Die Bühne präsentiert sich zunächst im Bauhaus-Stil mit weiß lackierten Metallprofilen, die sechs unterschiedliche Räume darstellen. Eine transparente kühle Atmosphäre und hier tritt der Zoodirektor auf. Gespielt wird er von Damon Nestor Ploumis. Mit sensations-anmutenden Versprechungen lädt er sein Publikum ein und offeriert verschiedene Ungeheuer, auch die Schlange Lulu.
Regisseurin Elisabeth Stöppler zeigt eine Menagerie verschiedener Typen, die später alle von Lulu dirigiert werden. Alle verfallen ihr, außer Dr. Schön, gespielt von Bjørn Waag. Der opfert sie am Ende in einer ziemlich brutal wirkenden Vergewaltigungsszene. Das Publikum hält noch einige Zeit den Atem an. Doch dazwischen liegt viel Entwickelung. Regisseurin Elisabeth Stöppler schafft einen Dampfkessel der Emotionen und in dem triumphiert über alle Marisol Montalvo als Lulu. Da ist die ergebene Gräfin Geschwitz gesungen von Sayaka Shigeshima, immer geduldig und bereit sich aufzuopfern. Artjom Korotkov singt den Alwa, der seine Identität sucht, aber kläglich scheitert als wildgewordener Hipster. Später wird er noch einen Amoklauf veranstalten. Christoph Stegemann mimt Lulus Vater Schigolch. Günter Moderegger tritt gleich in drei Rollen auf: Medizinalrat, Bankier und Professor. Damon Nestor Ploumis spielt, ziemlich energisch, den Tierbändiger und den Theaterdirektor und auch den Athleten Rodrigo. Jörn Eichler interpretiert die Rolle des Malers ganz überzeugend.
Regisseurin Elisabeth Stöppler setzt intensiv die Drehbühne ein, immer wieder passiert etwas in einem der sechs Räume. Mit der Musik zusammen haben einige Szenen auch etwas Überraschendes. Dennoch verbraucht sich dieser Raum auch bis zur Pause. Die weißen Gitterbauten von Hermann Feuchter schaffen zwar eine hohe Präsenz der Protagonisten. Doch nach knapp zwei Stunden hat man sich am Bühnenbild auch satt gesehen. Nach Pausenumbau wird es allerdings auch wieder optisch interessant.
Stöpplers Figurenführung für Marisol Montalvo als Lulu vermittelt zu wenig innere Entwickelung. Oder will sie ihre Hauptheldin so äußerlich ambitioniert? Zum Schluss wird sie dann noch den Vorgängen entsprechend hektisch. Marisol Montalvo in ihren Boutique-Outfits ist immer charmant und auch ein wenig kindlich. Ups, da ist eben mal wieder ein Männlein über die Wupper gegangen, sozusagen. Das würde dramaturgisch eigentlich genügen, denn am Ende unterliegt sie ja schließlich dem gnadenlosen Dr. Schön.
Warum als Nebengeschichte noch ein Amoklauf stattfinden muss, das erschließt sich nicht so richtig. Natürlich stehen dann alle Hingestreckten auch wieder auf. Das schafft schon Verwirrung.
Die Kostüme von Nicole Pleuler wirken im Rahmen der Stöpplerschen Inszenierung treffend und unterstützen die jeweiligen Charaktere sehr gut, vom schlabbrigen Athleten bis zu Alwas Sturmfrisur.
Stefan Lano führt die Staatskapelle Weimar in faszinierende Klangräume. Er erzeugt, immer dem Orchester Struktur gebend, Momente von großer Spannung und schafft Emotionen, die keinen Zuhörer kalt lassen. Sein Zusammenspiel mit den Sängern ist gut, dennoch hätte die Lautstärkenabstimmung vor allem mit Marisol Montalvo besser sein können. Ihr fehlt es manchmal an Volumen.
Viel Volumen haben dagegen Bjørn Waag als Dr. Schön und Damon Nestor Ploumis als Tierbändiger und Theaterdirektor. Sayaka Shigeshima (Gräfin Geschwitz) wirkt mit ihrer samtweichen Stimme und ihrem darstellerischen Talent, in ihrer dienenden Rollengestaltung als dramaturgisch interessanter Gegenpart zu Lulu. Auch die kleineren Rollen werden gut gesungen und gespielt: Alexander Günther als Prinz, Kathrin Filip (Mädchen), Ulrika Strömstedt (Mutter), Paloma Pelissier (Kunstgewerblerin), Chao Deng (Journalist), Jens Schmiedeke (Kammerdiener) und Oliver Luhn (Aujust).
Ein sehens- und diskussionswerte Lulu-Inszenierung von Regisseurin Elisabeth Stöppler, die auf jeden Fall zur Meinungsbildung herausfordert und Stefan Lano, der die Staatskapelle Weimar durch schnell wechselnde Klangfarben und rhythmischen Strukturen führt und dabei immer den Überblick behält. Hingehen, hinschauen, hinhören – das lohnt sich!
Bilder (c) Vincent Stefan
Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)