Köln: „Chicago – The Musical“

Premiere: 05.06.2019

Liebe, Lügen, Leidenschaft

Wer kennt es nicht, das bekannte Broadway-Musical Chicago, welches in New York zu einem der erfolgreichsten Stücke überhaupt zählt? Seit über 22 Jahren ist es dort seit seinem großen Revival im Jahr 1996 ohne Unterbrechung zu sehen. In dieser Woche feierte das Stück über Liebe, Verrat und Rivalitäten im Chicago der 1920er-Jahre in der englischsprachigen Originalversion einen beachtlichen Tourneeauftakt im Kölner Musicaldome. Hierbei war die Spielstätte am Rhein bis auf den letzten Platz belegt und die Zuschauer begaben sich mit dem hochtalentierten Ensemble auf eine Zeitreise, die mit dem Thema der durch die Medien manipulierten oder besser gesagt komplett verfälschten Wahrheit durchaus auch sehr aktuelle Bezüge trägt.

Doch alles beginnt mit einem Mord. Die Tänzerin Velma Kelly erzählt dem Publikum die Geschichte der Nachtclubsängerin Roxie Hart, die ihren Geliebten Fred Casely kaltblütig erschoss, da er ihrer Karriere nicht weiter zuträglich war. Im Gefängnis lernen sich die beiden Damen kennen, da auch Velma bereits zuvor zur Doppelmörderin wurde, nachdem sie ihren Mann mit ihrer Schwester in flagranti erwischte. Hier im Frauenblock des Cook Country Gefängnis hält Mama Morton die Fäden in der Hand und organisiert gegen gute Bezahlung so ziemlich alles. Sie war es auch, die Velma als "Top Mörderin der Woche" zum Medienstar machte. Großen Anteil hieran hatte und hat auch der charismatische Staranwalt Billy Flynn, der sich nun auch der Geschichte von Roxie Hart annimmt. Es entbrennt eine große Rivalität um die größere Medienaufmerksamkeit der beiden Mörderinnen, da die großen Zeitungen, stets gierig nach den neuesten Sensationen, bereitwillig die von Billy Flynn frei erfundenen tragischen Geschichten abdrucken. Hierbei schreckt er auch nicht davor zurück, Roxies Ehemann Amos, der seine kaltblütige Gattin noch immer liebt, in seine eigene "Wahrheit" zu integrieren.

Die Inszenierung setzt stark auf Reduktion und optische Zurückhaltung, denn bombastisch ist das Bühnenbild von John Lee Beatty wahrlich nicht. Stattdessen dominiert eine schwarze Empore das Bild, auf der die Band untergebracht ist. Ummantelt wird die Bühne zudem von einem großen goldenen Rahmen. Hinzu kommen ein paar Stühle, zwei Leitern und ein paar weitere kleine Requisiten. Aber gerade diese Schlichtheit, die sich auch in den überwiegend schwarzen Kostümen (William Ivey Long) wiederfindet, entwickelt schnell einen ganz eigenen Reiz. So überzeugt die Inszenierung von Walter Bobbie vor allem durch gute Personenführung und dadurch, dass man dem eigentlichen Werk einfach genug Raum gibt. Die wunderbare Musik von John Kander, gepaart mit den Texten von Fred Ebb und vor allem die unglaublichen Choreografien von Bob Fosse können so eine ganz eigene Wirkung entfalten. Letztere wurden für das Broadway-Revival nochmals von Ann Reinking überarbeitet.

Wichtig ist bei einer solchen Inszenierung dann natürlich auch, dass man bei den Darstellern keine Kompromisse eingeht. Hier gelingt Samantha Peo gleich zu Beginn mit „All that jazz“ unglaubliches. Sie zieht den Zuschauer mit ihrer wunderbaren Stimme gleich in einen Bann, aus dem es in den folgenden knapp 2 ½ Stunden kein Entkommen mehr geben wird. Ebenso grandios Carmen Pretorius als Roxie Hart, die zudem als Marionette des Staranwalts Billy Flynn auch im Schauspiel bleibende Eindrücke hinterlässt. Craig Urbani nimmt man den Staranwalt in jeder Sekunde ab, überzeugt auch er mit einem bis in kleinste Details ausgefeilten Rollenbild. Grant Towers gibt einen sympathischen Amos ab, mit dem man mehrmals regelrecht mitleiden kann. Als Mama Morton kann Ilse Klink durch ihre soulige Stimme punkten. Auch alle weiteren Ensemble-Mitglieder sind in dieser Produktion hervorragend besetzt. Hinzu kommt eine großartig aufspielende Jazzband unter der musikalischen Leitung von Bryan Schimmel, die wie eingangs erwähnt für einen beachtlichen Abend sorgt, der in Sachen Qualität auf allerhöchster Ebene anzusiedeln ist und der ein Stück Broadway-Geschichte auch hierzulande in der Originalversion erlebbar macht. Für Zuschauer die des englischen nicht ganz so mächtig sind, werden rechts und links der Bühne Übersetzungen angeboten.

Zu sehen ist Chicago noch bis zum 16.06.2019 im Kölner Musicaldome, es folgen Gastspiele in Frankfurt (18.-23.06.), Düsseldorf (25.-30.06.), Berlin (03.-13.07.), Linz (16.07.-04.08.) und München (06.-11.08.). Weitere Informationen unter www.chicago-musical.com. Wer gute Musicals mag, sollte diese Tournee auf keinen Fall verpassen.

Markus Lamers, 07.06.2019
Bilder: © Christiaan Kotze

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