
Das jährliche Festival Verdi von Parma steht heuer im Zeichen der drei von Verdi vertonten Shakespearestoffe: Macbeth, Otello und Falstaff. Eröffnet wurde mit „Otello“, aber zuvor hatte man die Presse zur Generalprobe von „Macbeth“ eingeladen. Dieses Werk wird im winzigen Teatro Verdi in Busseto gegeben, und da die Regie so angelegt ist, dass durch die Wegnahme von vier Reihen weitere der 300 Plätze geopfert werden müssen, wäre es schwierig gewesen, die Journalisten bei der Premiere im Publikum unterzubringen.
Zunächst irritiert durch diese weitere Verringerung der ohnehin schon wenigen Plätze, überzeugte mich die Regie von Manuel Renga bald von dieser Notwendigkeit, denn die das Orchester umschließenden Stege wurden optimal genutzt. Damit hatten die Hexen in ihren schwarzen Umhängen mit überdimensionalen Kapuzen (Bühnenbild und Kostueme: Aurelio Colombo) auf der Minibühne genügend Raum, um ihre Aktivitäten zu entfalten. Ihre Auftritte sind ausgezeichnet gelöst, denn ihre Ausstrahlung entspricht nicht Märchenhexen, sondern vermittelt den Eindruck von Parzen, schneiden sie doch die Schicksalsfäden immer wieder durch. Gekonnte Schattenspiele suggerieren König Duncans Einzug zu Pferd, wie der Beleuchtung von Emanuele Agliati überhaupt große Bedeutung zukommt. Eindrucksvoll die Bewegungen der fuer Bancos Beseitigung eingesetzten Meuchelmörder, die – wie Macbeths Getreue im letzten Bild – um Hals oder Kopf Teile von Kettenhemden tragen. Über Bancos Geist ragt ein schreckerregender Widderkopf, der von drei Tänzern gehandhabt wird. Die Bankettszene (mit den Choristinnen in zeitlos schönen Abendroben) ist besonders gelungen mit Macduff, seinem Sohn und seiner hochschwangeren Frau (eine Choristin) und Macbeth, der die Lady in einen irrwitzigen Tanz zwingt. Bei diesem Fest zeigen sich die bisher schwarz gekleideten Protagonisten in Weiß. Die häuslichen Momente des diabolischen Paares spielen in einem bedrückend kleinen Raum, in dem sich nur eine Pendeluhr befindet, die wohl andeuten soll, dass auch fuer Tyrannen die Zeit bemessen ist. Zu Anfang und Ende des Werks lesen wir eine große Aufschrift in Blockbuchstaben: VATICINIO = Prophezeiung, und diese hat sich ja auch erfüllt, obwohl sie von Macbeth falsch ausgelegt wurde.
Die gewählte musikalische Fassung war die der Uraufführung 1847 in Florenz. „Macbeth“ stellt einen bestimmenden Wendepunkt in Verdis Schaffen dar, denn erstmals wollte er etwas ganz Neues schreiben, bei dem Grauenvolles auch grauenvoll klingen sollte und nicht in „schöne“ Melodien gehüllt. Bekannt ist ja sein Hinweis fuer die erste Interpretin der Lady, ihre Stimme solle „rauh, wie verzerrt“, klingen. Manchmal schlichen sich in seine Arbeit aber doch noch mitreißende cabalette ein, die nicht zum angestrebten Ziel passten. Fuer die französische Fassung (Paris, 1865) ersetzte er diese Stellen in seinem in den inzwischen vergangenen achtzehn Jahren gereiften Stil (etwa „La luce langue“ fuer die Lady, die Szene Lady/Macbeth nach der neuerlichen Befragung der Hexen, aber auch der Chor „Patria oppressa“ wurde zu dem Meisterstück, das Popularität erlangte). Allerdings ließ sich der sonst so unbeugsam-selbstsichere Meister überzeugen, fuer Paris den Schluss zu ändern, der dann in einen Siegesmarsch mündet. Es besteht aber kein Zweifel, dass Macbeths Tod auf und nicht hinter der Bühne mit seinen resignierten Phrasen über die „Vil corona“, fuer die so viel Blut geflossen ist, sehr viel eindringlicher ist, was sich auch an diesem Abend bestätigte.

Die musikalische Umsetzung darf als gelungen bezeichnet werden, obwohl Dirigent Francesco Lanzillotta ankündigte, dass eine Probe wegen des Generalstreiks fuer Gaza ausgefallen war, weshalb er an diesem Abend noch einige Korrekturen anbringen müsse. Diese betrafen aber ausschließlich das Orchestra Giovanile Italiana mit während Szenenwechseln geflüsterten Hinweisen, die nicht störten. Die Orchestermitglieder werden in der Scuola di Musica in Fiesole ausgebildet und legen ihre Abschlussprüfung mit 27 Jahren ab. Nicht alles klang daher perfekt, aber Lanzillotta war ein guter Leiter fuer die jungen Leute, der sie rhythmisch streng an der Kandare hielt. Die Titelrolle verkörperte Vito Priante mit hellem, durchschlagskräftigem Bariton und vor allem mit einer die Introspektion in seine Abgründe perfekt herausarbeitenden Charakterisierung. Die Lady der Marily Santoro entbehrte ein wenig der Dämonie, doch bot sie eine ausgezeichnete stimmliche Leistung, in der Koloratur wie Aggressivität in perfektem Gleichgewicht waren. Zurecht besonders bejubelt wurde Adolfo Corrado, dessen Bass Bancos Zwiespalt und Nöte so ausgezeichnet charakterisierte, wie es seine Darstellung tat. Matteo Roma (Macduff) kommt vom Rossinifach, schlug sich aber tapfer, ob wohl seinem Tenor das strahlende Timbre eines Verdihelden fehlt. Mit diesem ließ hingegen Francesco Congiu als Malcolm aufhorchen. Er ist ein ehemaliger Schüler der Accademia Verdiana in Busseto, ebenso wie Melissa d’Ottavi (Dama), Emil Abullaiev (Arzt) und, in mehreren Kleinstrollen, Matteo Pietrapianta. Sie alle klangen technisch bestens vorbereitet. Der Chor des Teatro Regio di Parma unter Martino Faggiani glänzte erwartungsgemäß.
Aus Respekt vor der Probenatmosphäre wurde aufkommendes Klatschen stets unterbunden, aber am Schluss wurden alle Beteiligten herzlich gefeiert.
Eva Pleus, 29. September 2025
Macbeth
Giuseppe Verdi
Teatro Verdi di Busseto
Generalprobe am 25. September 2025
Musikalische Leitung: Francesco Lanzillotta
Regie: Manuel Renga
Orchestra Giovanile Italiana