Wiesbaden: „Rigoletto“

Besuchte Premiere 19. Januar 2019

Sinnbefreite Aktion mit Polonaise – für die Tonne…

Intendant Uwe Eric Laufenberg siedelt seine Inszenierung von Verdis Rigoletto in der Gegenwart an. Es ist eine düstere sexorientierte Männergesellschaft, die ihre Exzesse auslebt. Damit der Zuschauer das kapiert, gibt es im ersten Bild reichlich Gelegenheit, Latex und Lackstiefel bei diversen Damen zu sehen, die dann als fleischgewordenes Mobiliar, z.B. als Stuhl oder Tisch fungieren. Aha!

Rigoletto trägt wie alle Herren schwarz, kein Narrenkostüm und ist auch nicht (wie im Libretto formuliert) missgestaltet. Dafür darf er permanent eine Clownspuppe als zweites Ego mit sich herum tragen. In seinem Habitus und seiner Körpersprache wirkt dieser Rigoletto eher wie ein Mafiosi oder ein Preisboxer. Offenkundig weckt diese Clownspuppe bei den Höflingen den Wunsch, auch so etwas zu haben. Und siehe da im zweiten Akt geht dieser Wunsch in Erfüllung: jeder Höfling trägt einen Clownskopf vor dem eigenen Gemächt…. ach ja…!

Der Herzog ein etwas schmieriger Unsympath, reisst sich vor lauter Geilheit sein Hemd vom Leib und schmettert dann halbnackt seine Cabaletta, als er zuvor Gilda auf einer Bühne als Sexbeute präsentiert bekommen hat. Auch hier bekommt der Zuschauer „Interpretations – Nachhilfe“, so wird Gilda vor einer großen phallischen Skulptur bloß gestellt. Auf, auf zu Herzogs Schäferstündchen…au weiah!

Zwischen den Personen gibt es reichlich szenische Leerläufe. Immer wieder dürfen die Protagonisten Kleider, Blumen auf den Boden schmeißen oder Stühle umwerfen. Endlich also „Action“….aber das war es dann auch schon! Platte Äußerlichkeiten!

Auftragskiller Sparafucile haust in einem herunter gekommenen Wohnwagen nebst Müllhalde mit seiner Schwester Maddalena. Alles reichlich schäbig und „garniert“ durch einige spärlich bekleidete Stricherinnen, die neckisches Theater mit ihren Schirmen(!) aufführen, als der Herzog seinen Schlager „La donna e mobile“ anstimmt.

Gilda wird nach dem Mord in die Mülltonne gesteckt. Zu schwer schien sie aber nicht verletzt zu sein, da sie sich in der Tonne noch ausziehen konnte, um dann im hellen Unterkleid abzugehen. Was? Richtig, Gilda stirbt in dieser „Interpretation“ nicht…..sie geht einfach ab!

Es ist schon ein Trauerspiel, wie wenig Laufenberg zu diesem Werk zu sagen weiß und zudem außer einem Eintopf gängiger Regietheater-Mätzchen nichts Erhellendes auf die Bühne bringt!

Wieder also einmal ein szenisch überfrachtetes Pseudo-Bedeutungstheater mit abgestandenen Provokationsversuchen, das zu keinem Zeitpunkt den Zuschauer berührt. Ein Rigoletto für die Tonne!

Die hässliche, widersinnige Bühnengestaltung stammt von Gisbert Jäkel und die wenig anschaulichen Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer. Auch hier keinerlei Entsprechung zum vorgesehenen Bühnengeschehen, sonderen pure Tristesse.

Auch musikalisch war das Niveau eher durchwachsen. Ungewöhnlich oft gab es bei den drei Hauptpartien Probleme mit der Intonation. Als Gilda war Cristina Pasaroiu zu erleben und überzeugte mit einer recht guten Leistung, obwohl sie m.E. diesem Fach inzwischen entwachsen ist. Sicher bewältigt sie zwar die Höhen, wenngleich die Koloraturen nicht immer präzise wirkten oder auch Triller nicht klar realisiert wurden. Als Figur wirkte sie z.T. überdreht und dann wieder auch arg unterkühlt.

In der Titelpartie agierte Vladislav Sulimsky mit imponierend kernigem, raumgreifenden Bariton, der sich am wohlsten im Fortissimo fühlte. Ausdauernd in der fordernden Partie zog er alle stimmlichen Register, um seinem Rigoletto intensiven stimmlichen Raum zu geben. Sehr wütend und aufbrausend schmetterte er sein „Cortigiani“, als gäbe es kein Morgen mehr. Bedauerlich, dass die Zwischentöne viel zu deutlich in den Hintergrund traten. Auch irritierte sein zuweilen verwaschenes, von Konsonanten befreites Italienisch.

Als Herzog gefiel der frisch drauf los singende Ioan Hotea. Beeindruckend, wie leicht er die vielen Anforderungen seiner Partie weitgehend mühelos bewältigte. Immer wieder differenzierte er seinen Gesang aus. Nur in der Intonation gab es hin und wieder Probleme, auch müsste er nicht die hohen Töne forcieren.

Ein sehr gute Rolle für Young Doo Park ist der Sparafucile. Hier kann er die Vorzüge seines klangvollen Basses gut zur Geltung bringen. Ihm zu Seite sang Silvia Hauer zuverlässig eine etwas zu abgehärmt wirkende Maddalena. Eine Klasse für sich war wieder einmal der großartige Thomas de Vries, der als Monterone stimmliche Dominanz bestechend ausagieren konnte.

Chordirektor Albert Horne hat seinen Herrenchor exakt vorbereitet, so dass dieser durch seine klangliche Prägnanz und stimmliche Vollmundigkeit erfreute.

Am Pult des Hessischen Staatsorchester stand mit Will Humburg ein sehr erfahrener Dirigent des Verdi Repertoires am Pult. Sowohl er als auch das etwas unkonzentriert wirkende Orchester blieben unter ihren jeweiligen Möglichkeiten. Da klapperte es in den Bläsern, im ersten Bild kam es immer wieder zu deutlichen Wacklern zwischen Bühne und Graben. Recht schwerfällig mit wenig rhythmischer Prägnanz arbeitete sich Humburg durch die Partitur. Zu vieles klang hier eher weich gespült. Da hatten seine Vorgänger Kamioka und Piollet am Haus weit mehr musikalisches Kapital mit dem Hessischen Staatsorchester in ihren Rigoletto Interpretationen erarbeitet. Immerhin im Verlaufe des Abends gewann das Orchester an Sicherheit, die Balance stimmte dann schlussendlich, dennoch blieb ein ambivalenter Eindruck.

Am Ende gab es im ausverkauften Haus erstaunlich wenig Widerspruch bei Laufenbergs Erscheinen. Lediglich einzelne vehemente Buhs aus dem dritten Rang trafen erkennbar den Regisseur. Gedrosselte Begeisterung.

Dirk Schauss 22.12019

Fotos (c) Karl & Monika Forster