Bonn: „Der singende Teufel“, Franz Schreker

Die in den Achtzigern Gott sei Dank endlich begonnene Schreker-Renaissance hat uns eigentlich inzwischen alle Werke präsentiert. Manche sogar mehrfach und exzellent produziert. Und viele Opernfreunde, die ihn zuvor nicht kannten, wurden zu glühenden Schreker-Fans. Bei Schreker ist es wie mit Wagner: Man mag ihn oder man findet ihn furchtbar. Immerhin war Franz Schreker in Deutschland einer der meistgespielten Komponisten in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. „Wozu brauchen wir Wagner – wir haben Schreker“, hieß es. Der Komponist wurde förmlich in den Himmel gehoben. Die Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung. Von den Nazischergen in den frühen Tod getrieben, wurde er nach dem Krieg vergessen. Allein die Tatsache der verbrannten Noten und der entarteten Kunst rechtfertigen zwingend seine Repertoire-Präsenz auch heute weiterhin.

(c) Thilo Beu

Und in der Tat sind seine Kernopern überragend – Die Gezeichneten (Revival immerhin von Hans Neuenfels 1979 in Frankfurt, dann 1986 an der Düsseldorfer Oper in der Ära Horres unter der genialen Regie von Günther Krämer, gehörte die Produktion zum Besten, was ich je gesehen habe), weiter Irrelohe, Der Schmied von Gent und Der ferne Klang machten zur selben Zeit Bielefeld (in der Dew-Ära), das kleine, aber feine Stadt-Theater geradezu zu einem Schreker-Welt-Zentrum.

Kein Geringerer als Ingo Metzmacher, der einst kurzfristig in Brüssel einsprang, als Hausdirigent von Dohnanyi kurz vor der Premiere absagte – damals noch ein Unbekannter – startete seine Weltkarriere mit diesem Werk (Regie damals übrigens Johannes Schaaf und eine begnadete Anja Silja in der Hauptrolle). Auch gab es eine prächtige Produktion von Der fernen Klang in Hagen, die sogar später auf CD verewigt wurde. Und nicht zu vergessen die Oper Bonn, wo in der Ära Weise eine sensationelle Irrelohe wiederbelebt worden war. Schrekers Werke haben ihren Weg ins heutige Repertoire gefunden, auch wenn sie noch vergleichsweise selten gespielt werden.

(c) Thilo Beu

Man sucht ein Werk allerdings vergebens, nämlich den Singenden Teufel. Zu Recht! Manchmal gibt es einen guten Grund, wenn ein Werk nicht gespielt wird. Quod erat demonstrandum nun in Bonn. Das Werk ist verquast, sperrig, lärmend und musikalisch wenig berauschend; es fiel bereits bei der Premiere 1928 an der Berliner Staatsoper durch – der klärende Versuch einiger Geschichtsklitterer, das hätte an den Störungen durch Nazihandlanger gelegen, ist wenig glaubwürdig; immerhin waren ja fast alle Kritiker bis dahin regelrechte Jubel-Schreker-Fans.

Kein Vergleich zu den erwähnten Werken. Man hätte es lieber in der Versenkung gelassen. Denn der gigantische Aufwand war vergebene Liebesmüh, um ein, wie ich persönlich empfinde, einfach schwaches Werk,

„Sinnlose Plage, Müh ohne Zweck“ (Zitat: Wagner, Siegfried)

zu revitalisieren. Die künstlerische Seite war in Bonn durchaus formidabel. Dirk Kaftan ist ein engagierter, exzellenter Dirigent für diese Art Oper und das Bonner Beethovenorchester spielte, wie immer in den letzten 20 Jahren, grandios auf. Auch die Sängerbesetzung, allen voran der Wundertenorissimo Mirko Roschkowski (wäre für mich auch die Traumbesetzung von Zemlinskys Der Geburtstag der Infantin) – überzeugt nachhaltig. Dann wäre Anne Fleur-Werner zu erwähnen, welche in der mörderischen Partie der Lilian bravourös reüssiert und auch die anderen Comprimarii – hervorzuheben Pavel Kudinow (Sinbrand), Carl Rumstadt (Pilger), Boris Beletskiy (Abt) und Tae Hwan Yun (Lenzmar) – waren schallplattenreif besetzt. Musikalisch eine lückenlose 5-Sterne-Besetzung.

(c) Thilo Beu

Die Regie (Julia Burbach) und die Ausstattung (Dirk Hofacker) kann ich leider nicht in meine Lobeshymne einbeziehen. Ich gebe allerdings zu, dass ich persönlich so ein verquastes Zeug auch nicht inszenieren möchte – eine hoch undankbare Arbeit. Irgendwie fehlte die große Idee, der rote Faden. Das Bühnengeschehen wurde durch Aktionismus, Gehampel und ein völlig überflüssiges, alles sinnlos karikierendes, Tanzensemble begleitet, welches statt Klarheit und Stringenz noch mehr Verwirrung stiftete. Ich muss allerdings Edit Domoszlai, Kevin Franc, Tyler Galster, Enrique Lopez Flores, Rosalia Panepinto, Kaja Piszczek und Adrian Ros doch ausdrücklich erwähnen, da sie darstellerisch, wenn auch schuldlos in der falschen Oper, einfach grandios waren.

Mit der Bühne habe ich so meine Schwierigkeiten. Allerdings habe ich auch eine Allergie gegen Theaterstühle auf Opernbühnen. Dass man hier auch noch gefühlte 500 Stück an Rück- und Seitenwände flächendeckend genagelt hatte (welch ein Aufwand!) erschüttert auf der Suche nach dem künstlerischen Wert und Eindruck. Immerhin lassen sie sich hochfahren oder mit noch hässlicheren riesigen weißen Prospekten bedecken. Fels und Eis wirken wie billiges vom Karnevalswagen heruntergefallenes Pappmaché. Ein Stern immerhin für die handwerkliche Arbeit.

(c) Thilo Beu

Der großartige Chor des Theaters Bonn (Leitung: Marco Medved) ist unverwüstlich; egal welche sinnleere Rumrennerei oder dilettantisch wirkendes Gehampel von ihnen abverlangt wird, sie sind stets präsent, bestens vorbereitet und gehören zu den Besten in Deutschland. Immerhin gibt es ein tolles dickes Programmheft – natürlich mit Libretto und viel Material. Dankenswerterweise im Gegensatz zum Programmzettel ungegendert. Unbedingt kaufen!

Fazit: Das Stück ist immerhin besser als so viele Uraufführungen, die ich durchleiden musste. Aber bei diesem Aufwand kann das nicht der Maßstab sein. Drei Stunden inklusive Pause sind erträglich. Es droht auch keine Langeweile – immerhin verhindert der dauernde Aktionismus und die gut eingesetzte Bühnentechnik den Theaterschlaf. Da man mittlerweile (gute Sache!) die Texte auch auf Englisch übertitelt, ende ich auch in der Weltsprache:

Yesterday they gave at the Opera Bonn Schrekers Der singende Teufel – why?

Peter Bilsing, 25. Mai 2023


Der singende Teufel

Franz Schreker

Bonn

24. Mai 2023

Premiere 21. Mai

Regie: Julia Burbach

Chor: Marco Medved

Dirigat: Dirk Kaftan

Beethoven Orchester Bonn

Trailer