Dortmund: „La Montagne Noire“ , Augusta Holmès

Von der französischen Komponistin Augusta Holmès werden die wenigsten Musikliebhaber je etwas gehört haben. In Danielle Rosters Standardwerk „Die großen Komponistinnen“ aus dem Jahr 1998 wird Holmès Leben und Musik auf 14 Seiten beschrieben. Immerhin komponierte sie zur Pariser Weltausstellung 1889 die „Ode triomphale“ für 1200 Mitwirkende, und die Oper „La Montagne Noire (Der schwarze Berg)“ wurde 1895 im Palais Garnier uraufgeführt. Die Dortmunder Oper bringt das Stück jetzt zur deutschen Erstaufführung und spielt dabei sogar einige Szenen zum ersten Mal, die bei der Uraufführung gestrichen wurden.

(c) Björn Hickmann

Die Geschichte spielt im Jahr 1657 in Montenegro und thematisiert den Kampf des Landes gegen die osmanische Fremdherrschaft. Das von der Komponistin selbst verfasste Libretto wirkt wie eine Mischung aus Bizets „Perlenfischer“ und Saint-Saens „Samson und Dalila“: Die beiden Krieger Mirko und Aslar schwören sich ewige Freundschaft. Dann gerät Mirko aber in die Fänge des osmanischen femme fatale Yamina, was die Beziehung der Männer zerstört und letztlich zu ihrem Tod führt.

Augusta Holmès komponiert dazu eine farbenprächtige und abwechslungsreiche Musik, die vor wunderbaren melodischen Einfällen nur so strotzt. Viele der Chöre, die Freundschafts- und Liebesduette sowie die Verführungs- und Fluchszenen haben Wunschkonzert-Potenzial. Dazu charakterisiert die Komponistin die Figuren und Situationen plastisch und orchestriert das Ganze auch noch perfekt.

Warum dieses Werk fast 130 in den Archiven schlummerte, ist unverständlich. Vielleicht müsste man die Szenen etwas straffen, Wiederholungen und Redundanzen streichen, sodass die Vorstellung nicht fast dreieinhalb Stunden dauert wie in Dortmund. Dirigent Motonori Kobayashi spornt die Dortmunder Philharmoniker zu einem kraftvoll-dramatischen Musizieren an, das an einigen Stellen aber noch etwas mehr Präzision gebrauchen könnte.

Bühnenbildner Frank Phillip Schlößmann hat einen sängerfreundlichen Raum gebaut, der an einen Betonbunker erinnert. Im Hintergrund öffnen sich aber immer wieder neue Räume. Kostümbildnerin Emma Gaudiano kleidet das Ensemble sehr folkloristisch, was in heutigen Zeiten sehr ungewöhnlich ist. Als Zuschauer ist man froh, dass die Oper optisch dort spielt, wie die Komponistin sie vorgesehen hat. Regisseurin Emily Hehl, die man im Ruhrgebiet von ihrem misslungenen „Macbeth“ am Aalto-Opernhaus kennt, überrascht positiv mit einer Regie, die sich drei Akte lang weitgehend darauf beschränkt, das unbekannte Stück verständlich nachzuerzählen.

(c) Björn Hickmann

Man hat aber den Eindruck, dass die Regisseurin darauf bestanden hat, immer wieder kleine Ideen einzubauen, die das Publikum ratlos zurücklassen: Warum schnippt der Chor manchmal im Takt oder isst Äpfel? Welchen Sinn haben die Teppiche, mit denen dauernd hantiert wird? Gut ist jedoch die Idee, dass Gusla-Spielerin Bojana Pekovic der Oper mit einem authentischen montenegrinischen Lied der Oper einen Prolog voranstellt und als miterlebende Figur oft mit auf der Bühne ist.

Die Dortmunder Oper bietet für diese Oper ein starkes Ensemble auf: Mezzosopranistin Aude Extrémo singt die Rolle der Yamina mit einem unangenehmen Registerbruch und einer kehligen Tiefe, steigert sich aber im Laufe der Vorstellung zu einer sehr intensiven Darbietung. Zudem verfügt sie über eine schlagkräftige Höhe. Weitgehend wird diese Rolle zwar als böse Intrigantin gezeichnet, aber Aude Extrémo gelingt es in ihrer großen Szene das Handeln der Figur plausibel zu machen.

Tenor Sergey Radchenko verleiht der Rolle des Verführungsopfers Mirko viele kraftvolle und strahlende Töne. Diesen Sänger würde man gerne in weiteren Partien des französischen und italienischen Fachs hören. Mit kräftigem Bariton singt Mandla Mndbele des Aslar. Hier ist der Bariton mal nicht der Bösewicht, sondern immer um das Wohl des Tenorfreundes bedacht.

Gut sind auch die kleineren Partien besetzt. Anna Sohn singt Mirkos verlassene Frau Helena mit anmutigem Sopran, autoritär gibt Alisa Kolosova seine Mutter Dara. Mächtig lässt Denis Velev seinen Bass als Geistlicher Père Sava orgeln.

Insgesamt ist der Dortmunder Oper hier eine lohende und hörenswerte Entdeckung gelungen. Die nächste vergessene Oper eine Komponistin lässt nicht lange auf sich warten. Das Aalto Theater bringt am 27. Januar „Fausto“ von Louise Bertin aus dem Jahr 1831 heraus. Regie führt dann Tatjana Gürbaca.

Rudolf Hermes, 19. Januar 2024


La Montagne Noire (Der schwarze Berg)
Augusta Holmès

Oper Dortmund

Premiere und deutsche Erstaufführung: 13. Januar 2024

Regie: Emily Hehl
Musikalische Leitung: Motonori Kobayashi
Dortmunder Philharmoniker