Krefeld/Mönchengladbach: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2023/24“

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.

Nach der Oper Frankfurt blicken wir heute auf die Theater Krefeld und Mönchengladbach.


Beste Produktion:
Ball im Savoy – eine Operette von Paul Abraham, Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda, die einfach Spaß macht und den Zuschauer für ein paar Stunden alles um sich herum vergessen lässt.

Größte Enttäuschung:
Ohne an dieser Stelle eine einzelne Produktion nennen zu wollen, gab es in der Sparte Schauspiel in der vergangenen Spielzeit für meinen Geschmack insgesamt zu viele Inszenierungen mit einem nicht ganz so lustigen Humor. Aber getreu dem Motto „De gustibus non est disputandum“ hat der Humor vielleicht bei anderen Zuschauern gezündet?

Entdeckung des Jahres:
Aida – Der fünfte Akt: Eine Uraufführung in einem Bunker führt die berühmte Oper von Giuseppe Verdi fort. Rademès und Aida sind unter dem Tempel eingemauert und der Zuschauer fühlt sich mitten ins Geschehen versetzt. Ein immersiver Theaterabend, der auch dank der beiden Darsteller Rafael Bruck und Eva Maria Günschmann noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Beste Gesangsleistung:
Die schwierigste Kategorie bei einer so großen Auswahl an wunderbaren Sängerinnen und Sänger im Ensemble. Bei den Männern sticht in diesem Jahr besonders Johannes Schwärsky hervor, der mit seiner beeindruckenden Interpretation des Mephisto in Margarethe (Faust) überzeugt und auch im Fliegenden Holländer wieder zu erleben war. Bei den Damen überzeugte einmal mehr Sophie Witte in jeder von ihr besetzten Rolle. Ob als Leila, die Tempelpriesterin in Die Perlenfischer oder als Amina in Die Nachtwandlerin; in der eher kleine Rolle der Gräfin von Folleville in Die Reise nach Reims oder in der Titelpartie bei Margarethe (Faust), bei Sophie Witte sitzt stets jeder Ton.

Nachwuchskünstler des Jahres:
Im September 2023 wurde entschieden, dass das Projekt „Das Junge Theater“ über den bisherigen Zeitraum hinaus eine dauerhafte Förderung erhält. Aus diesem Grund sollen an dieser Stelle die vier Sängerinnen und Sänger, zwei Tänzerinnen, ein Musicaldarsteller, vier Orchestermusiker und ein Pianist dieses spartenübergreifenden Projektes geehrt werden, die ihr Können in den unterschiedlichsten Produktionen immer wieder unter Beweis stellen konnten.

Bestes Dirigat:
Mihkel Kütson dirigiert die Niederrheinischen Sinfoniker in Charles Gounods Margarethe (Faust) einmal mehr sehr präzise und zeigt eindrucksvoll, warum dieses Orchester einen so guten Ruf genießt. Die kirchenmusikalischen Ansätze im vierten Akt meistern die Musiker unter seiner Leitung ganz wunderbar.

Beste Regie:
Frank Matthus inszeniert den Ball im Savoy wunderbar klassisch und lässt den rund dreistündigen Operettenabend in seiner mehr oder weniger historischen Form als unterhaltsames Gesamtwerk stehen. Eine Inszenierung, die das Werk ernst nimmt und doch eine eigene Handschrift trägt.

Bestes Bühnenbild:
Benita Roth hat für die Reise nach Reims ein zauberhaftes und detailverliebtes Bühnenbild geschaffen. Mit viel Liebe zum Detail ist hier eine Ausgrabungsstätte in der niederrheinischen Landschaft entstanden, auf der die Schauspieler auf verschiedenen Erhebungen wunderbar agieren können.

Größtes Ärgernis und größte Freude zugleich:
Mit dem Ende der Spielzeit verabschiedete sich Janet Bartolova nach über 30 Jahren im Ensemble in den wohlverdienten Ruhestand. Keine andere Sängerin hat das Publikum des Gemeinschaftstheaters so oft in Titelrollen begeistert. Aber auch aus kleineren Rollen hat sie immer wieder das Beste herausgeholt. Unvergessen auch ihr komödiantisches Talent, etwa als Fata Morgana in Die Liebe zu den drei Orangen oder als Brunhild in Die lustigen Nibelungen. Ärgerlich nur, dass es aus terminlichen Gründen nur in Mönchengladbach ein Abschiedskonzert gab und das Krefelder Publikum darauf verzichten musste. Vielleicht hätte man doch noch irgendwie einen Termin in Krefeld finden können? Wie dem auch sei, vielen Dank an Janet Bartolova für viele schöne Momente im Theater Krefeld-Mönchengladbach.


Die Bilanz zog Markus Lamers.