Magdeburg: „Dantons Tod“

Besuchte Aufführung am 11.02.18 (Premiere am 20.01.18)

Absolute Spielplanbereicherung

Am Theater Magdeburg kann man diese Saison von einem sehr gut gemachten Spielplan sprechen, auf diverse Klassiker italienischer, deutscher und slawischer Opern, einer schönen Mischung an Unterhaltung durch Musical und Operette, sowie klassischem wie etwas modernerem Ballett, finden sich auch zwei Werke der zeitgenössischen Oper, zum einen die Kammeroper "Powder her Face" von Thomas Adès, zum anderen "Dantons Tod" nach Georg Büchner zum 100. Geburtstag von Gottfried von Einem. Der Komponist hatte 1947 mit der Uraufführung dieser Oper bei den Salzburger Festsoielen seinen Durchbruch, übrigens auch die erste Uraufführung einer zeitgenössischen Oper bei den festspielen, wenn man die Generalprobe von Richard Strauss` "Die Liebe der Danae" einmal absieht. Das Werk fand sich immer mal wieder durch die Zeiten auf den Spielplänen, was durchaus nicht selbstverständlich ist. Auch in Magdeburg zeigen sich die Meriten, zum einen durch die geschickte Verarbeitung des Sujets durch den Komponisten und seinen Lehrer, Boris Blacher, zu einem Libretto, dann durch die sehr mitreißende Musik, die den Zuhörer auf eine emotionale Reise begleitet, dann durch das Thema des Stückes: Menschen verschiedener Couleur in Zeiten des Umbruchs, des Individuum, wie der Menge, denn "Dantons Tod" besitzt große Chorszenen.

Die Magdeburger Intendantin, Karen Stone, hatte auf ausdrücklichen Wunsch die Inszenierung übernommen, und liefert eine absolut gelungene, wie zeitlose Deutung ab. Parallelen zu heutigen Geschehnissen, gerade bei den bereits erwähnten Chorszenen, werden nicht unnötig "aktualisiert", sondern finden sich in den Gedanken der Zuschauer. Ansonsten werden die Bilder pragmatisch nach Libretto auf die Bühne gebracht, was vielleicht das Beste ist, was man dazu machen kann, eine unaufgesetzte Personenregie wechselt sich mit choreographierten Massenszenen ab, David Williams hat den ausgezeichneten Chor mit wenigen , sich wiederholenden Gesten szenisch präpariert. Ulrich Schulz` Ausstattung dient in ihrer Zeitlosigkeit bestens als Folie für das Geschehen, private Räume weiten sich schnell zu öffentlichen, die Kostüme weisen charakterliche Zeichnungen, wie Gruppenzuweisungen auf. Besonders gefallen mit die hautfarbenen Masken beim Chor , die eine Entindividualisierung zur bedrohlichen Vermassung suggerieren.

Die Sängerbesetzung entspricht den Rollenprofilen ganz ausgezeichnet: der Bariton Peter Bording, der sich zunehmend dem schwereren Fach zuwendet, findet in der Titelpartie die wechselhaften Ansätze zwischen Deklamation und lyrischem Aufschwung, manches Detail wird in einer etwas körnigen Tongebung genommen, das könnte ich mir durchaus noch belkantesker vorstellen. Ihm zur Seite die Freunde Desmoulins und Sechelles, beide von den Tenören Amar Muchala und Robert Bartneck mit jeweils sehr individuellem Ansatz trefflich gestaltet. Als Gegenspieler dazu Stephen Chaundy als trockener Robespierre und der tiefe Bass Johannes Stermann als Saint-Just, ebenso der parteiische Richter Herman von Roland Fenes, allesamt hervoragende Charakterdarsteller. Die Perle des Abends gebührt Noa Danon als Lucile, die mit strahlendem Sopran die Verletzlichkeit von Desmoulins Gefährtin bewegend nachvollziehen lässt, bis sie sich mit dem Ruf "Vive le Roi" dem Revolutionsmob ausliefert. Die vielen "kleineren" Partien werden aus den Solisten und Chorsolisten des Hauses trefflich und engagiert gegeben.

GMD Kimbo Ishii nimmt die Oper als Chefsache und vermag mit den ausgezeichneten Magdeburger Philharmonikern , die nötige Differentierung zwischen Dramatik und Intimität stets herzustellen, so das die Sänger an der ausgezeichneten Textverständlichkeit arbeiten können. Eine ganz runde Aufführung, die die Qualitäten von Einems Oper auf`s Beste herausstellen. Wenige Zuschauerabwanderungen bei einer recht modernen Oper in einer ordentlich besuchten Sonntagnachmittagvorstellung zeugen für die Qualität der Aufführung.

Als Hinweis für weitere Aufführungen zum Einem -Jubiläum: im März nimmt sich die Wiener Staatsoper ebenfalls des "Danton"; der "Besuch der alten Dame" nach Dürrenmatt kommt noch an den Landesbühnen Radebeul, wie dem Theater an der Wien heraus, die Salzburger Festpiele begehen den Jubilar mit einer konzertanten Aufführung von "Der Prozess" nach Kafka. Zugegeben hat mich die Aufführung neugierig auf andere Werke des Komponisten gemacht, da wären noch "Der Zerrissene" nach Nestroy, sowie eine "Kabale und Liebe"-Oper, dann noch der ehemalige Skandal "Jesu Hochzeit", sowie die wirklich reizende Kinderoper "Der Tulifant", also meine Damen und Herren Intendanten nur Mut! A Propos: Die Firma ORFEO wird demnächst angeblich die Uraufführungproduktion von "Der Besuch der alten Dame" mit Christa Ludwig in der Titelpartie veröffentlichen !

Martin Freitag 15.2.2018

Bilder siehe weiter unten PREMIERENBESPRECHUNG.