Magdeburg: „L’elisir d’amore“, Gaetano Donizetti

Anders als die deutschen Spielopern halten sich Donizettis Buffo-Opern erfreulicherweise nach wie vor auf deutschsprachigen Bühnen, so auch sein Belkanto-Schmuckstück „L‘elisir d’amore“, das jetzt in Magdeburg, natürlich im Original mit Übertiteln, Premiere hatte. Das Libretto ist nun wirklich nicht weiter aufregend; es enthält eine harmlose Liebesgeschichte, angereichert mit den zwei komischen Figuren Belcore und Dulcamara – mehr nicht. Von allzu menschlichen Eitelkeiten und Gefühlen ist die Rede, die überall gleich sind, ob nun auf einem italienischen Landgut oder anderswo. So hat man schon erlebt, dass Adina eine Pizzeria auf dem Mond (Braunschweig) oder ein Wellness-Hotel (Halberstadt) betreibt. Für ihre Inszenierung in Magdeburg aber hat sich Regisseurin Mirella Weingarten Ungewöhnliches, ja letztlich Unverständliches ausgedacht: Sie ließ sich vom Paarungsverhalten der Tierwelt inspirieren und wollte damit nach Ankündigungen auf der Homepage des Theaters das Animalische im Menschen und im Liebesspiel herausstellen.

© Andreas Lander   /  Tiziano Bracci/Rosha Fitzhowle

Diese Idee setzte sie gemeinsam mit der Kostümbildnerin Julia Müer konsequentdurch, indemsie die handelnden Personen und die Choristen mit tierischen Accessoires wie Gehörn, Federn, Vogelschnabel oder Krallenfüßen versehen und sie außerdem – das betraf vor allem den Chor – tierische Bewegungen machen ließ. Ansonsten lief die Geschichte im Wesentlichen so ab, wie sie das Libretto vorsah. Manches war natürlich doch anders wie z.B. der Wasserhahn an einem der kahlen Baumstämme, aus dem Nemorino zur Ouvertüre Wasser entnahm und damit die anderen Bäume begoss – das wirkte einfach albern. Auch war der Liebestrank kein Bordeaux, sondern schlichtes Wasser aus den roten Gießkannen des Dulcamara, der im Übrigen als Frau auftrat – warum eigentlich? Das hing wohl damit zusammen, dass sich bei den Choristen auch nicht eindeutig feststellen ließ, welchem Geschlecht sie zuzuordnen waren; das erkannte man erst, als Belcore aus dem Volk seine Soldaten (mit Kopfputz wie Zirkuspferde) zu sich beorderte und man die Männerstimmen allein hörte. Die auch als Bühnenbildnerin ausgebildete Regisseurin war ebenso wie für die durchaus lebendige Personenführung auch für das Ambiente, eine Lichtung mit anfangs grünem Waldboden, verantwortlich. Auf dem Hintergrund-Prospekt sah man eine graue, sich fast unmerklich verändernde Landschaft, die am Schluss, als sich Adina und Nemorino endlich gefunden hatten, völlig erkaltet und schneebedeckt war (warum?). Unverständlich und zur positiven Stimmung unpassend war auch, dass dann die Spielfläche bis auf zwei Baumstämme (von zuvor sieben) völlig kahl war. Besonders krass war die bewegliche, blutrünstige Zeichnung, als Adina die Geschichte von Tristan und Isolde vorlas: Man sah hier, dass Tristan Blut aus einem abgeschlagenen Kopf trank, sodass sich sein ganzer Körper rot färbte und er sich dem Kuss mit Isolde hingab.  Ganz witzig dagegen waren die gezeichnete Luxus-Jacht und die von einer Frau mit Brautschleier geführte Gondel, die sich auf dem Prospekt zu Dulcamaras Kanzone hin und her bewegten. All dies brachte nun wirklich keine neuen Erkenntnisse dazu, wie sich Menschen verhalten, wenn sie sich ineinander verlieben.

© Andreas Lander   /   Marco Pantelic/Rosha Fitzhowle

So musste wieder einmal die Musik den Abend retten – und das tat sie! Der Gastdirigent Sebastiano Rolli leitete die am Premierenabend in allen Gruppen ausgezeichnete Magdeburgische Philharmonie mit präziser, stets vorwärtsdrängender Zeichengebung und sorgte so für sichere Unterstützung aller Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. Die Protagonisten mussten gegen ihr teilweise unmögliches Outfit ansingen, was ihnen im Ergebnis sehr gut gelang. Die junge Schottin Rosha Fitzhowle wareinemuntere Adina, die durchgehend wissen ließ, dass sie nicht dem eitlen, großsprecherischen Belcore, sondern Nemorino zugetan war. Ihren höhensicheren Sopran wusste sie gekonnt durch gestochene, blitzsaubere Koloraturen zu führen. Als Nemorino flitzte Adrian Domarecki geradezu akrobatisch über die Bühne und machte dabei seine wechselnden Stimmungen und die verzweifelten Versuche deutlich, Adina zu gewinnen. Seine kräftige Stimme verfügt über eine ganze Menge tenoralen Schmelz, was sich besonders eindrucksvoll in der wunderbar gesungenen Arie „Una furtiva lagrima“ zeigte, die zu Recht stürmischen Szenenapplaus erhielt.

© Andreas Lander   /   Adrian Domarecki/Tiziano Bracci

Sein Gegenspieler Belcore warMarko Pantelić, dem sie zum freien Oberkörper einen Federkamm wie einem eitlen Gockel verpasst hatten. Mit durchschlagskräftigem, sicher geführtem  Bariton warb er um Adina und bestritt die Auseinandersetzungen mit Nemorino. In der Paraderolle des Dulcamara gefiel Tiziano Bracci, Gast aus Karlsruhe, mit praller Darstellung des Schlitzohrs, der seinen flexiblen Bass virtuos und zugleich differenziert einsetzte. Klarstimmig ergänzte die Chorsolistin Jeanett Neumeister in der kleineren Rolle der Gianetta. Der von Martin Wagner einstudierte Opernchor hatte sich vielseitig zu bewegen und ließ dennoch ausgewogenen, prächtigen Klang hören.

Alle Mitwirkenden erhielten vom begeisterten Premierenpublikum starken, lang anhaltenden Beifall, in den sich beim Erscheinen des Regieteams deutliche Buhrufe mischten.

Gerhard Eckels 16. April 2023


Theater Magdeburg

„Der Liebestrank“

Gaetano Donizetti

Besuchte Premiere am 15. April 2023

Inszenierung: Mirella Weingarten

Musikalische Leitung: Sebastiano Rolli

Magdeburgische PhilharmonieWeitere Vorstellungen: 29.4. + 7.,13.,18.5. + 3.6.2023