Mönchengladbach: „Frau Luna“

Premiere am 12.3.16

Ist die Welt auch noch so schön, einmal muß sie untergeh´n! Darum singt, darum springt, darum trinkt und genießt, was der Tag euch noch so bringt.

Wenn der Erdenball zerplatzt, sind wir sowieso verratzt! Flott gelebt, flott geliebt, eh´s zu spät, und uns der Kopf mit Grundeis geht… (Text: Heinz Bolten-Baeckers)

Bis Berlin in Sachen Operette die führende Weltstadt wurde, und das ewige Wien in dieser Rolle ablöste, schien es 1899 (UA von Paul Linckes „Frau Luna“) noch ein langer Weg. Dennoch war das Werk musik- historisch betrachtet der Beginn der sogenannten „Berliner Operetten-Ära“, die schließlich ihren Höhepunkt und die internationale Anerkennung in den späten Zwanzigern fand. Immerhin war 1899 kein unbedeutendes Jahr – Uraufführungen: Der Bärenhäuter (Siegfried Wagner), Cendrillon (Massenet), Die Zarenbraut (Rimski-Korsakow). Kein geringerer als Francis Poulenc wurde geboren und der Walzerkönig Johann Strauß starb. Bizets Carmen eroberte die Welt und die Orchesterkultur oblag dem Zeitgeist der Vergrößerung des instrumentalen Apparates; viele Orchestergräben wurden zu klein.

Immerhin kam Paul Lincke vom Folies Bergère aus Paris, wo er große Erfolge feierte; so war auch Frau Lunas UA am 2. Mai 1899 im Apollo Theater Berlin ein großer Erfolg. Die Wandlung vom einst wilhelminischen Kammer-Stück, einer Art frivoler Burleske zur phantastischen Ausstattungs-Operette großen Umfangs, zeitigte allerdings erst bei einer Art Wieder-Uraufführung 1922 mit diversen zusätzlichen eingefügten Schlagern ihren vollen Triumph.

Von einem tollen Erfolg muß man auch nach der gestrigen Premiere in Mönchengladbach sprechen, denn was das renommierte Team um Ansgar Weigner (Regie) in dem wunderbaren Kleinod des Rheydter Opernhauses (einem der schönsten und heimeligen Theater, die ich kenne) da auf die Bretter gezaubert hat, war einfach wunderbar. Charmanter, unterhaltsamer, flotter und beglückend freudvoll für alle Mitwirkenden und die Zuschauer inszeniert, sah ich selten eine Operette. Man sah es nicht nur jedem Künstler an, wie viel Spass ihnen diese hochkreativ in Szene gesetzte Produktion machte, sondern man merkte auch an der der Publikumsbegeisterung, daß die Inszenierungs-Crew hier exakt den Unterhaltungsnerv des niederrheinischen Theatervolks getroffen hatte.

Nicht geringen Anteil hatte dabei das raffiniert phantastische Bühnenbild von Jürgen Kirner mit seinen vielen Projektionen; und wenn schon gleich zu Anfang sich an der seelenlosen Plattenbau-Fassade die unzähligen TV-Schüsseln zu farbigen Lampions verwandeln, dann ist das nur der Auftakt einer genial bebilderten Reise ins Traumland jener besseren Wunsch-Welt unseres Fritz Steppke (fabelhaft unkonventionell berlinernd Markus Heinrich), die schließlich auf dem Mond – ist das wirklich der Mond? – zu enden scheint. Da ist er endlich wieder, dieser wunderbare Zauberkasten von Opernbühne, der uns durch tolle Lichtregie und fantasievolle Requisiten in diese heile Operettenwelt eintauchen lässt.

Dazu liefert Marlis Knoblauch für das große Ensemble von Tänzern, Solisten und Choristen ganz bezirzend raffiniert entworfene Kostüme in einer Vielfalt des couturieren Glanzes, wie sie nicht nur einem realen Folies Bergère durchaus zur Ehre gereicht hätten. Ein Traum an schöner überzeugender Kostümbrillanz, teilweise in herrlich augenzwinkernder Ironie mit Alltagsgegenständen appliziert.

Ein besonderes weiteres Kritiker-Lob geht an Luches Huddlestone für die außergewöhnlich humorvoll gestaltete Ballettchoreografie, die nicht nur Anleihen am hollywoodschen Wasserballett macht, sondern sich auch anderer Reliquien klassischer Filme, wie (Chaplins großer Diktator lässt grüssen) schwebender Erdkugeln bedient.

Überzeugend und kurzweilig in jeder Beziehung waren sowohl das terrestrische Quintett (Steppke / Markus Heinrich, Lämmermeier / Rafael Bruck, Pannecke / Hayk Demian, Frau Pusebach / Kerstin Brix & Marie / Susanne Seefing) als auch das glänzenden Mondsolisten-Paar (Frau Luna / Debra Hays, Sternschnuppenprinz / Michael Simon) – darstellerisch, gesanglich und sprachlich grandios.

Überzeugend ergänzten sowohl die Comprimarii, als auch die Balletttänzer, sowie ein vorzüglich disponierter Chor ein hoch gelungenes prächtig unterhaltendes Gesamtkunstwerk, dessen musikalische Leitung mit Alexander Steinitz in den besten Händen lag.

Peter Bilsing 13.3.16

Bilder (c) Stutte

P.S. Der Paul-Lincke-Ring

Seit 1955 wird der Paul-Lincke-Ring, geschaffen zu Ehren des großen Operettenkomponisten für besondere Verdienste auf dem Gebiet der leichten Muse verliehen; eine Tradition, die bis heute anhält. Keine Geringeren als Nico Dostal, Peter Keuder, Udo Jürgens, Rene Kollo, Freddy Quinn, Peter Maffay oder Klaus Doldinger (2015 Clueso) waren bisher die Preisträger. Berlinreisende Operettenfreunde sollten den Paul-Lincke-Platz auf ihrer Visitenliste haben, wo sich der Brunnen mit den Ehrentafeln und die Litfaßsäule mit den Namen der Preisträger befindet.

Foto (c) Wiki