Premiere: 04.09.2022
Groß(artig)e Oper zur neuen Spielzeit
Zur Spielzeiteröffnung 2022/23 setzte das Theater Krefeld-Mönchengladbach in der Opernsparte auf den großen Klassiker. „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner zählt sicherlich zu einer der ganz großen Opern im Repertoire. Und damit hat man alles richtig gemacht, denn die anwesenden Zuschauer im Mönchengladbacher Theater erlebten bei der Premiere einen begeisternden Opernabend, der auch ein komplett ausverkauftes Haus verdient gehabt hätte. Aber in der aktuellen Situation muss man wohl schon sehr zufrieden sein, wenn lediglich in den Reihen rechts und links ein paar wenige Plätze frei bleiben.
Roman Hovenbitzer setzt in seiner Inszenierung auf die Stärke dieser klassisch romantischen Oper und dem Zusammenprall von Realität und Irrealität. Hierbei konzentriert er sich weniger auf den Holländer, sondern legt den Fokus auf Dalands Tochter Senta. Und bevor an dieser Stelle ein wilder Aufschrei erfolgt, Senta wird hier nicht als wild gewordene Feministin dargestellt, vielmehr blickt Hovenbitzer sehr gefühlvoll in die Psyche einer Frau hinein, die sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft behaupten muss. Obwohl Senta aktiv erst im zweiten Aufzug (und somit nach der in Mönchengladbach angesetzten Pause) ins Geschehen eingreift, ist sie doch ab der ersten Sekunde auf der Bühne zu sehen. Bereits die bespielte Ouvertüre wird als Rückblick auf Sentas Kindheit dargestellt. Die erwachsene Senta sitzt hierbei am Bühnenrand, während ihre Gedanken in ihre Kinderzeit schweifen. Dies ist hervorragend umgesetzt, so dass man als Zuschauer direkt in die Oper hineingezogen wird. Hin und wieder erlebt man einen Opernabend, bei dem man bereits nach zwei Minuten weiß, dass dies ein ganz besonders gelungener Theaterbesuch werden wird. Das dies in der besuchten Vorstellung auch der Fall war, verdankt man auch dem Umstand, dass die Bespielung der Ouvertüre an mehreren Stellen perfekt auf die Musik abgestimmt ist. Auch auf das große Bühnenbild von Roy Spahn kann man an dieser Stelle schon einen ersten Blick werfen. Gestaltet ist das maritime Bühnenbild als Schiff mit großen Bullaugen im Hintergrund, durch die man aufs Meer blickt und die immer wieder geschickt bespielt werden. Dazu sorgen Videoeinspielungen für die passenden stürmischen Fluten des Meeres.
Auch im Orchestergraben tobt an diesem Abend ein Sturm im positiven Sinne, der von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson an den passenden Stellen im Zaum gehalten wird, ansonsten aber mit der vollen Wucht von rund 70 Musikern auf den Zuhörer einprasselt. Allerdings bleibt die Textverständlichkeit stets gegeben, so dass man als Zuschauer auf die Übertitel fast verzichten kann. Musikalisch ist „Der fliegende Holländer“ begeisternd, was wohl auch an der erstklassigen Besetzung liegt. Johannes Schwärsky gibt gesanglich wie auch optisch den perfekten Holländer mit kraftvollen Stimme. Für die Rolle der Senta wurde die norwegische Sopranistin Ingegjerd Bagøien Moe verpflichtet, was sich als echter Glückgriff erweist. Der Wechsel zwischen fein nuancierten und kraftvollen Partien gelingt ihr gut. Auch die zweite Gastrolle des Erik wird durch Ralph Ertel gesanglich sehr stark dargeboten, der mit einem strahlenden Tenor begeistert. Mit Matthias Wippich hat man einen Bass im Ensemble der schon in vielen größeren Rollen glänzen konnte und auch hier als norwegischer Seefahrer Daland auf ganzer Linie überzeugen kann. In den weiteren Rollen wissen Eva Maria Günschmann (Mary) und Woongyi Lee (Steuermann) zu gefallen. Als junge Senta gefällt Klara Raeder durch ein gelungenes Schauspiel, mit dem sie die durch die Regie angedachten Gesten gut auf die große Bühne bringt. Einen eminent wichtigen Part nimmt bei dieser Oper bekanntlich der Opernchor ein, der in dieser Produktion durch den Extrachor verstärkt wird. Was ist es für ein schönes Gefühl, nach so vielen Monaten voller Corona-Einschränkungen auf der Bühne, den in dieser Zeit leider so leidenden Chor mal wieder in seiner ganzen Pracht erleben zu dürfen. Hierfür bedankten sich die Zuschauer auch mit großem Jubel, der für alle an der Produktion beteiligten Künstler lautstark ausfiel.
Nicht ganz ersichtlich ist vielleicht, warum die Matrosen Dalands offenbar als Kreuzfahrtgäste dargestellt werden. Und warum ist selbst der Steuermann einer dieser Gäste? Oder waren es doch alles Schiffsbedienstete, wobei dann die Kostüme (Mechthild Seipel) an dieser Stelle vielleicht nicht wirklich passend wären? Sei es drum, der ansonsten durchaus gelungenen Inszenierung tut dies nicht wirklich weh, dafür werden an anderer Stelle oft die richtigen Akzente gesetzt. Insbesondere die Erkenntnis Sentas, dass sich ihr eigentlicher Traummann im dritten Akt mehr und mehr ihrem Vater und seinen Freunden anpasst ist wirklich stark umgesetzt. Passend hierzu, der schlichte und dennoch berührende Schluss, bei dem Senta sich an ihre Träume erinnert, die sie nicht aufgeben möchte.
Markus Lamers, 06.09.2022,
Fotos: Matthias Stutte