Münster: „L’elisir d’amore“, Gaetano Donizetti

Gaetano Donizettis komische Oper L’elisir d’amore auf einen Text von Felice Romani wurde kaum jemals in den letzten Jahren in Deutschland im von den Autoren angegebenen Ambiente inszeniert, nämlich einem ländlichen Dorfplatz. Dagegen wurde etwa vor gut zehn Jahren in Dortmund in einem verfallenen Lagerhaus gespielt, in Essen in einem Sanatorium – damals für viele Operninszenierungen beliebt. Selbst Rolando Villazon – früher als Nemorino in der stimmigen Inszenierung von Otto Schenk an der Wiener Staatsoper bewundert – ließ die Oper bei Dreharbeiten zu einem Western-Film spielen. „Doch nimmt der Besucher die Lehr’ davon, bei heutiger Regieoper muss’ es wohl so sein.“

© Bettina Stöß

In Münster verlegten Regisseurin Anna Weber und die Bühnenbildnerin Sina Manthey die Handlung in einen von Adina betriebenen Waschsalon, wobei die Fenster der Waschmaschinen verschieden beleuchtet werden konnten oder als Gucklöcher dienten. Schon aus dieser Bühne resultierte eine andere Handlung als gewohnt, die die vorherige Lektüre des Inhalts im Programmheft geraten erscheinen läßt und zu angepaßten Übertiteln führt.

Gewaschen wurde nämlich nicht nur schmutzige Wäsche, sondern auch Geld, was zur polizeilichen Durchsuchung durch Belcore – hier ein Polizeikommissar – führte, der sich sofort in Adina verliebte. Um ihre Freiheit und ihr Unternehmen vor dem polizeilichen Zugriff zu retten, stimmte Nadina ihrer Hochzeit mit Belcore zu. Im ersten Stock neben dem Waschsalon war zu sehen, wie der hoffnungslos in Adina verliebte Nemorino seinen reichen Erbonkel pflegte und daneben durch Adinas Schilderung und gezeigt im Fernsehen von Isoldes Liebestrank erfuhr.
Auch Quacksalber Dulcamara warb mit übertrieben extravagantem Kopfschmuck für seine Allround-Medikamente in seinem über der Bühne installierten Werbefernsehen, „Dulcamaras shopping show“ geheißen – die englischen Zwischenansagen zu seiner Auftritts-Kavatine waren überflüssig. Telefonisch nahm er dann die Bestellungen der begeisterten Menge entgegen – Telefone und Bekleidung im Stil der 1980er-Jahre (Kostüme: Hanna Rode).

© Bettina Stöß

Es ging dann weiter wie bekannt. Dulcamara verkaufte Nemorino Rotwein als Liebestrank: „bordo non elisir“ bekennt er. Dadurch glaubte Nemorino Adinas Liebe sehr einfach gewinnen zu können. Diese wies ihn ab, und Belcore war dabei, ihn zu verhauen. Durch seine durch den vermeintlichen Trank erworbene Selbstsicherheit machte er sich so zum Gespött aller.

Das Bühnenbild des zweiten Aktes zeigte zuerst symbolisch für die Feier zur geplanten Hochzeit von Adina und Belcore eine riesige Hochzeitstorte mit dem Chor als Tortenfiguren und einer banda auf der Bühne. Symbolisch wiederum für Adinas Widerwillen gegen diese Hochzeit konnte die Torte albtraumartig surreal beleuchtet werden. Später sorgte dann die Drehbühne für den Wechsel wieder zum Waschsalon. Wie bekannt, kam es dann nicht durch den Trank, sondern durch gegenseitige Liebe zum Happy-end zwischen Adina und Nemorino, den Liebestrank versuchte für das nächste Mal stattdessen der gefoppte Belcore.

Unterhaltsam gestaltet wurde diese Handlung durch die ausgefeilte abwechslungsreiche teils sehr spaßige Personenführung, sowohl der Solisten, einzelner Chorsänger (etwas übertrieben der Polizisten) als auch des gesamten Chors. Letzterer trat im Waschsalon – auch übertrieben – zum Teil als singende Geldscheine oder singende Unterhosen auf.
Das dauernde Hin und Her auf der Bühne behinderte zum Glück nicht die musikalische Gestaltung unter der Leitung von Dirigent Henning Ehlert, der vor allem die Aufführung zu einem gelungenem Opernabend machte.

© Bettina Stöß

Als Adina glänzte Robyn Allegra Parton stimmlich in allen Facetten der anspruchsvollen Partie. Das hörte man schon zu Beginn in ihrer Kavatine von Isoldes Liebestrank mit strahlenden Spitzentönen oder später in den Koloraturen im Duett mit Dulcamara, wo sie ihre weiblichen Reize für erfolgreicher in der Liebe hält als einen Zaubertrank. Kokette Töne fand sie in ihrer Empfehlung an Nemorino, dass in der Liebe Abwechslung lohnend sei. Letzteren sang Garrie Davislim mit besonders in der Höhe kraftvollem Tenor, aber auch lyrisch in seiner Auftritts-Kavatine „Quanto è bella“ (wie schön ist sie). Die berühmte Romanze „Una furtiva lagrima“ gestaltete er sehr sorgfältig entwickelt und differenziert vom lyrischem Piano bis zum strahlendem Schluss, obwohl er dabei noch durch das sich drehende Bühnenbild wandern mußte.
Für den komischen Doktor Dulcamara hatte Kihoon Yo die passende, Heilung aller Übel versprechende, wohltönende Baßstimme des erfolgreichen Verkäufers, vor allem natürlich in seiner Auftritts-Kavatine „Udite o rustici“, aber auch im für die Oper der Zeit typischen schnellen Geplapper-Gesang im Duett mit Adina im zweiten Akt. Übertriebene Selbstsicherheit, aber auch Brutalität zeigte stimmlich Johan Hyunbong Choi mit bis zu tiefen Tönen markantem Bariton. Beispielhaft genannt sei seines Auftritts – Kavatine „Come Paride“, wo er sich seines Erfolgs bei Adina sofort sicher ist.
Opernchor und Extrachor sangen wie gewohnt präzise in der Einstudierung von Anton Tremmel. Ein besonderes Lob galt den Frauen des Chors in der Szene, als sie durch Gianetta (Yixuan Zhu) von Nemorinos neuem Reichtum durch den Tod des Erbonkels erfuhren.
Das Sinfonieorchester Münster begleitete aufmerksam und präzise, erwähnt seien Harfe und Holzbläser zur Begleitung der „furtiva lagrima“

© Bettina Stöß

Erfolgreich sorgte Dirigent Henning Ehlert für das Zusammenspiel zwischen Orchester und Bühne, insbesondere in den Ensembles der Solisten zusammen mit dem Chor – genannt sei etwa das ausgedehnte Finale des ersten Aktes.
Obwohl Jahrzehnte vor seiner Beschäftigung mit dem Stoff entstanden, durfte eine musikalische Erwähnung am Cembalo auf Wagners „Tristan und Isolde“ nicht fehlen, auch als Hinweis auf die nächste Opern-Premiere, wo ein vermeintlicher Liebestrank ernstere Konsequenzen hat.

Das Publikum im nicht besonders gut verkauften Theater geizte nicht mit Zwischenapplaus und langem Schluss Applaus für Sänger, Chor Orchester und vor allem für den Dirigenten.

Sigi Brockmann, 28. September 2025


L’elisir d’amore (Der Liebestrank)
Gaetano Donizetti

Theater Münster

Premiere 20. September 2025
besuchte Aufführung 27. September 2025

Inszenierung: Anna Weber
Musikalische Leitung: Henning Ehlert
Sinfonieorchester Münster