Budapest: „Hunyadi László“

Ferenc Erkel

Aufführung am 27.3.

(Premiere am 13.3.2022)

Gelungene Wiederbelebung eines musikalischen Juwels aus Ungarn

Der Begründer der ungarischen Nationaloper, Ferenc Erkel (1810-93), verband in seinen insgesamt neun Opern den italienischen Stil Rossinis mit ungarischen Volkstänzen. Musikalische Einflüsse von Beethoven, Donizetti, Halévy, Meyerbeer und Spontini lassen sich aber ebenso wenig verleugnen. Leider befinden sich im Repertoire der ungarischen Staatsoper nur Hunyadi László und Bánk Bán. Dauerhaften Erfolg erzielte Erkel jedoch mit seinem „Himnusz“, der Melodie zur ungarischen Nationalhymne. Béni Egressy (1814-51), ein ungarischer Komponist, Librettist, Übersetzer und Schauspieler, verfasste das Libretto zu dieser dreiaktigen romantischen Oper Hunyadi László nach dem Schauspiel „Két László“ (Zwei Lászlós) von Lőrinc Tóth (1814-1903). Der Titel setzt nach dem ungarischen Sprachgebrauch stets den Familiennamen vor den Vornamen und wäre nach deutscher Sprachkonvention mit Ladislaus Hunyadi zu übersetzen. Die Oper spielt in den Jahren 1456/57 und konzentriert sich auf die Rivalität zwischen dem ungarischen Adelsgeschlecht der Hunyadis und dem erst sechzehnjährigen Habsburger König Ladislaus V., genannt Ladislaus Postumus, ungarisch V. László.

Die Uraufführung der Oper fand am 27. Januar 1844 im Pesti Nemzeti Magyar Szinház statt. Die Hauptcharaktere der Oper László, Erzsébet und Mária gleichen jenen eines Passionsspieles, indem Erzsébet als mater dolorosa und Mária als mater gloriosa Hunyadi László als unschuldig-schuldiges Opfer bei seinem Heldentod begleiten. In der Oper „Hunyadi László“ aber geht es im Wesentlichen um seinen jüngeren Bruder Mátyás Hunyadi (Matthias Corvinus 1443-90), den letzten großen ungarischen König. Für die gegenwärtige Aufführung hat Intendant Szilveszter Ókovács veraltete Phrasen im Originaltext von Béni Egressy überarbeitet und als Partitur eine von der Abteilung für ungarische Musikgeschichte des Instituts für Musikwissenschaft des Geisteswissenschaftlichen Forschungszentrum hergestellte kritische Fassung verwendet, weshalb der Intendant sie auch als Eröffnungspremiere des Opernhauses am 13.3.2022 angesetzt hatte.

Zur Handlung: Die Anhänger des soeben verstorbenen ungarischen Reichsverwesers János Hunyadi erwarten König Ladislaus V. auf der Burg Nándorfehérvár in Belgrad. Sie fürchten die Intrigen von dessen Berater Ulrik Cillei. Der König wird sodann von László Hunyadi mit allen Ehren empfangen, aber die Ungarn verwehren den deutschen Söldnern des Königs den Einlass in die Burg, worauf der König seinem Berater Cillei Vollmacht erteilt, die Hunyadis zu verhaften. Als Cillei den unbewaffneten László angreift wird der Despot von dessen Anhängern getötet. In der Familienburg der Hunyadis in Temesvar erwarten die Hofdamen von Erzsébet Szilágyi, der Mutter der beiden Hunyadis, mit Spannung die Ankunft des Königs. Doch die verwitwete Mutter wird von düsteren Vorahnungen geplagt und sieht in einer Vision die Hinrichtung ihres älteren Sohnes und bricht zusammen. Der König erscheint und ist sofort von den Liebreizen von Mária Gara, der Braut László Hunyadis angetan. Der Palatin Miklós Gara, ihr Vater, aber sieht nun seine Zeit reif, um den verhassten König zu stürzen und selbst die Macht zu übernehmen. Er behauptet, die Hunyadis wollten den König töten, verspricht dem Souverän die Hand seiner Tochter Mária und erhält die Erlaubnis, László gefangen zu nehmen. Die Intrige gelingt. László wird mit einem Trauermarsch zum Schafott geführt. Erzsébet fleht um Gnade für ihren Sohn. Dreimal schlägt der Henker vergeblich zu, doch das Haupt wird nicht abgetrennt. Erzsébet glaubt darin den Willen Gottes zu erkennen, doch der König winkt dem Henker noch einmal zu und beim vierten Mal fällt Lászlós Haupt schließlich zu Boden.

Regisseur und Intendant Szilveszter Ókovács gelang es dem Publikum die komplizierte Handlung in nachvollziehbaren spannenden Bildern vorzuführen. Wie bereits in der letzten Inszenierung dieser Oper wurde auch dieses Mal die Rolle des jungen Mátyás aufgeteilt. Auf der Bühne agierte Jonatán Bernát Emri als 13.-jähriger Mátyás, während sein Part von der für die erkrankte Gabriella Balga eingesprungene Melinda Heiter am Bühnenrand stehend vom Blatt gesungen wurde. Tamás Solymosi verantwortete die stimmige Choreografie der, ungarisches Flair beschwörenden, Hochzeitstänze im dritten Akt. Die farbenprächtige historisierende Ausstattung besorgte Krisztina Lisztopád. Sensibel beleuchtet wurden die einzelnen Akte von Tamás Pillinger. In musikalischer Hinsicht gelang es Balázs Kocsár als Dirigent am Pult des Orchesters der ungarischen Staatsoper die farbige Pracht dieser Bel Canto lastigen und von ungarischer Volksmusik durchzogenen Oper in allen Nuancen funkelnd erstrahlen zu lassen. Und auch der Chor der ungarischen Staatsoper sang bei dieser Nationaloper unter der verdienten Leitung von Gábor Csiki auf höchstem Niveau.

Klára Kolonits bot ein tränenerschütterndes Erlebnis als Erzsébet Szilágyi. Spielerisch bewältigte sie die mit halsbrecherischen Koloraturen überreich ausgestattete Partie. Sie hielt auch eine beeindruckende Balance in der Darstellung der besorgten Mutter und ihrer Würde als Witwe des letzten ungarischen Reichsverwesers. Erika Miklósa als Mária Gara, der Verlobten von Hunyadi László, hatte zwar etwas weniger zu singen, aber ihre Cabaletta bei der Hochzeitsfeier, gleichfalls mit äußerst anspruchsvollen Koloraturen gespickt, erinnerte an ihre großen Zeiten als Oscar im Maskenball. Szabolcs Brickner gefiel in der Titelrolle und er sang über weite Strecken ohne Kraftanstrengung auf Linie. Dániel Pataky konnte seine Habsburger Herkunft in der Rolle von König Ladislaus V. dadurch zum Ausdruck bringen, dass er an einigen Stellen Deutsch zu singen hatte.

Mit viel Gefühl trug er seine lyrische Cabaletta „Tündér, te bájos, szép Máriám!“ (du liebliche Elfe, meine schöne Maria!) vor. András Palerdi gefiel als intriganter Höfling Ulrik Cillei mit markigem Bass. Gábor Bretz als Palatin Miklós Gara war der Bösewicht der Oper par excellence mit seinem dunklen und eindringlichen Bassbariton. In dieser Fassung wurde die Rolle von Mihály Szilágyi, des Bruders von Erzsébet, gestrichen. Rollengerecht ergänzte noch der junge Attila Erdős als Rozgonyi, Offizier und Freund Hunyadi Lászlós mit noblem Bariton. Das begeisterte Publikum schenkte den verdienten Interpreten dieser Nationaloper, deren Beginn um 11 Uhr vormittags war, zu einer Zeit also, in der Sänger oft noch nicht in Topform sind, begeisterten Beifall, dem sich der Rezensent mit Freuden anschließen konnte. Bravo!

Harald Lacina, 30.3.

Fotocredits: © Attila Nagy / Hungarian State Opera