Wien: 10 Jahre Manuel Legris

Es sind erfolgreiche zehn Saisonen künstlerischer Arbeit für das Wiener Staatsballett gewesen. Auf den Bühnen von Staats- und Volksoper hatte es in diesem Jahrzehnt immer wieder gefunkelt. Angefacht durch Manuel Legris und von den TänzerInnen der Kompanie mit all deren Begabungen weitergereicht. Das große Ensemble ist von seinem von der autoritären Balletterziehung an der Pariser Oper geprägten Chef enorm gefordert worden, musste sich als eine Leistungsgesellschaft bewähren. Tänzerischer Glanz, hart erarbeiteter Glanz, nicht aber Glamour – so könnte es rückblickend vielleicht zu beurteilen sein.

„…. es war keinesfalls so schlimm!“ Nun, so hat sich Legris nicht über seine Jahre in Wien geäußert, sondern zur zuletzt aufgekommenen wie von der Presse gern aufgenommenen Problematik mit den Methodiken der Ballettakademie der Österreichischen Bundestheater. Es ist auch keinesfalls übermäßig schlimm gewesen. Eigentlich normal: Kein Honiglecken sind heute für hoffnungsfrohe Kinder solche fordernden Jahre der Ausbildung. Und wie wir immer wieder mitverfolgen können: Den wenigsten von ihnen ist dann auch die Möglichkeit gegeben, ihre jugendliche Träume und Wünsche im Berufsleben, auf großen Bühnen auszukosten. Oder zu erdulden: Im Wechsel zur neuen Ballettdirektion unter Martin Schläpfer hat es sehr wohl mehrere arbeitsgerichtliche Prozesse gegeben – und einige der zahlreichen ausgesprochenen Kündigungen mussten auch zurück genommen werden.

Um die Ballettschule der Staatsoper hatte sich Legris allerdings nur beschränkt gekümmert. 2010 nach Wien gekommen, konnte er die meisten seiner heute auch noch weiterhin engagierten Leistungsträger – feine, sich voll hingebende TänzerInnen, die von seinem Vorgänger Gyula Harangozó als noch junge Talente überwiegend aus den Oststaaten nach Wien geholt wurden – übernehmen. Besonders Österreicher-freundlich oder aufgeschlossen gegenüber weniger integrierte Personen schien Legris nicht zu sein. Doch die beiden jungen Wiener Natascha Meier und Jakob Feyferlik wurden voll gefördert und sind zu perfekten Ersten Solisten aufgestiegen. Legris´ strenges Regime hat seine Früchte gezeigt, und das Renommee der Ballettkompanie vermochte auch jenes des Sängerensembles der Staatsoper zu überstrahlen.

Nicht gern wird darüber gesprochen, doch Realität ist, dass nur diese Kompanien in die Geschichte des Tanzes eingegangen sind, in denen stilbildende Choreographen wirken und schöpferisch aufbauen konnten. Stark ausgeprägt im 20. Jahrhundert – Balanchine, Cranko, Bejárt, einige mehr. Solche Namen haben in den letzten Jahrzehnten prägend nachgewirkt. Und auch die Fähigkeiten einer heutigen Choreographenriege, weltweit, mit wendiger Bewegungsphantasie die geschmeidigen Körper der Tänzer einzusetzen, sind immer wieder bewunderswert. So ist es auch mit den neuen Tanzkreationen in Wien gewesen. Gut gemacht, im Profil aber doch auch wieder zu leicht auswechselbar.

Legris zählt nicht zu Direktoren mit echter Kreativkraft. Bestens geglückt ist ihm jedoch sein allererster choreographischer Versuch, alte Balletthistorie mit gepflegter konventioneller Attitude neu zu beleben. Sein spektakulärer „Le Corsaire“ (Pariser Oper, 1856) bietet Liebhabern dieses üppigen Genres reines Vergnügen. Und auch mit seiner zweiten choreographischen Arbeit, Leo Delibes´ „Sylvia“, ist ihm mit Hilfe der beschwingt melodiösen Musik ein gelungenes Schaustück geglückt.

Das Wiener Staatsballett hat sich in diesen zehn Jahren in der Staatsoper sowie in der Volksoper immer wieder mit Bestleistungen auszuzeichnen vermocht. Wiederholt zu hören ist jetzt, dass Wien nun zu einer Ballettstadt geworden ist. Gut so – doch Kunst ohne Augenmerk auf eigenes junges Blut? Scheint in der derzeitigen österreichischen Kulturpolitik eher nebensächlich eingeschätzt zu werden. Das Augenmerk ist auf einen positiven Kassenrapport gerichtet. Und Manuel Legris hat das Wiener Opernballett zu einem gut verkäuflichen Kulturgut gemacht.

Meinhard Rüdenauer

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