Wien: „Coppélia“

Wiener Volksoper, 27.01.2019

Herzerfrischend

Mit Pierre Lacotte’s „Coppélia“ konnte das Wiener Staatsballett einen weiteren grossen Erfolg bei der gestrigen Première an der Wiener Volksoper verbuchen. Die Geschichte ist gefällig: Die reizende Swanilda lebt ein unbeschwertes Leben in einem idyllischen Dorf, hat ihr Herz an den gutaussehenden Franz verloren, dieser mag sie auch, ist mir ihr verlobt, aber… wäre da nicht diese unbekannte Schöne, die Tag für Tag im Haus des verrückten Professors Coppélius zu sehen ist! Am Ende des 1. Aktes bricht Swanilda mit ihren Freundinnen im Hause Coppélius‘ ein, um ihre Konkurrentin zur Rede zu stellen. Es stellt sich im 2. Akt heraus, dass es sich um eine Puppe handelt. Coppélius erwischt die Mädchen und verjagt sie. Swanilda ist es gelungen, sich zu verstecken und die Kleider der Puppe unbemerkt anzuziehen, während Franz einsteigt. Coppélius mischt ihm einen „Zaubertrank“ unter und versucht, seine Seele auf die Puppe zu übertragen. Und tatsächlich: Coppélia/Swanilda wird lebendig und tanzt für ihren Meister. Dazwischen versucht sie immer wieder, Franz aufzuwecken, ein grosses Tumult mit dem ganzen Dorf beendet den Spuk des 2. Aktes, und im 3. Akt gibt es die grosse Versöhnung (Coppélius bekommt das Kleid der Puppe zurück) und eine prächtige Hochzeit.

Für die hervorragende Einstudierung zeichnet Anne Salmon (ehemalige 1. Solotänzerin unter Pierre Lacotte in Nancy) verantwortlich, und gemeinsam mit dem farbenfrohen, idyllischen Bühnenbild (Jean-Luc Simonini) und den ebenso anschaulichen Kostümen (Michel Ronvaux), rekonstruiert nach Pariser Originalentwürfen von 1870, beginnt die Produktion schon vielversprechend. Simon Hewett gibt mit seinem Dirigat sein Hausdebüt und leitet das Orchester der Wiener Volksoper voller Elan und motiviert durch die wohlklingenden Melodien von Léo Delibes. Ein besonderes Lob gilt den Solis an der Violine und der Viola.

Die Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballetts garantieren für einen gelungenen Abend. Die jüngst zur 1. Solotänzerin beförderte Natascha Mair (seit mehreren Wochen auf den „Coppélia“-Plakaten zu bewundern) ist eine entzückende Swanilda, die nicht nur mit einer Souveränität den technischen Ansprüchen der Rolle mehr als gerecht wird, sondern vor allem mit viel Charme und Selbstbewusstsein die Geschichte erzählt. Immer wieder reissen sie und ihr kongenialer Partner Denys Cherevychko das Publikum zum Zwischenapplaus hin. Cherevychko, genauso herzerfrischend, wie Mair, gibt den Franz als einen bodenständigen, jugendlich-charmanten Naturburschen und ist ein Tänzer, der noch mit jeder Choreographie mühelos fertig geworden ist.

Als schrulliger Coppélius zeigt Alexis Forabosco sich von einer herrlich-komischen Seite, und auch ein verrückter Professor darf sympathisch herüberkommen, wenn er sich fassungslos vor Glück zeigt, dass sein Meisterwerk tatsächlich zum Leben erwacht.

Eine beachtliche Leistung ist vor allem vom Corps de Ballet zu verzeichnen, am Vorabend noch eine Vorstellung an der Wiener Staatsoper (die technisch sehr anspruchsvolle „Sylvia“) und nun voller Esprit in den Charaktertänzen, aber auch die Freundinnen von Swanilda (Elena Bottaro, Adele Fiocchi, Sveva Gargiulo, Eszter Ledan, Anita Manolova, Fiona McGee, Isabella Lucia Severi und Rikako Shibamoto) legen eine gepflegte klassische Technik an den Tag . Als Puppen überzeugen sehr naturgetreu Nicola Barbarossa, Marat Davletshin, Hanno Opperman und Eriona Bici. Im 3. Akt gibt es vor dem Grand Pas der Protagonisten noch einen sehr ästhetischen Pas de deux mit Madison Young und James Stephens, und Nina Tonoli hat in ihrer Lieblichkeit nach längerer Verletzungspause nichts eingebüsst.

Eine wirklich sehenswerte Produktion!

Folgevorstellungen: 30.1., 2.2. (in der Premierenbesetzung), 6., 16.2. (mit Maria Yakovleva und Denys Cherevychko), 19.2. und 5.3. (mit Nikisha Fogo und Richard Szabo), 10. und 14.3. (mit Alice Firenze und Jakob Feyferlik)

Katharina Gebauer 28.1.2019

Bilder (c) Staatsballett