Berlin: „Macbeth“

Überfrachtet

„Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen“, dachte sich wohl das Team, das die Verantwortung für die Neuproduktion im Studio der Neuköllner Oper trägt und „Macbeth. Nach Verdi“ im kleinen Rund zwischen den Mini-Tribünen zur Aufführung brachte. Julia Lwowski, Marion Meyer und Yassu Yabara konnten sich weder für eine verkürzte Fassung, noch eine Parodie, noch eine Aktualisierung, noch eine Art Kindergeburtstag mit Einbeziehung der Zuschauer ins Geschehen, noch eine Beleuchtung des Stoffs unter philosophischen, soziologischen, völkerkundlichen, religionskritischen oder sexualwissenschaftlichen Aspekten entscheiden, und so ist bei ihrem Unternehmen ein ziemlich unförmiger Wechselbalg heraus gekommen, und Aufführung will einfach nicht enden, obwohl es weder Macduff noch Banquo, weder Finali noch, abgesehen von „Patria oppressa“, Chöre gibt.

Das Unternehmen kommt mit zwei Sängern aus, Lady und Macbeth, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist, die Lady hat noch eine Art zweites Ich (Franziska Kronfoth), das die besonders unappetitlichen Sachen wie Onanieren mit einer abgebrochenen Kinderhand besorgt, sich leider auch in den Gesang einmischt und ohne Stimme, aber mit Mikrofon Teile der Wahnsinnsarie übernimmt, während die „echte“ Lady mit Spüli oder einem anderen handelsüblichen Reinigungsmittel ihrem sich nicht auf die Hände beschränkenden Putzwahn hingibt. Gezeugt und geboren wird am laufenden Band, obwohl gerade dieses Thema bei Macbethens ein eher verdrängtes ist.

Es fängt eigentlich ganz annehmbar an mit um einen Tisch (mit dem wird später eine Schwangere erschlagen) versammelten Wesen, die die Hexen darstellen sollen, allerding mit Hauben und von vorn wie Nonen gekleidet sind, während ihre Kittel nach Art der in Krankenhäusern benutzten hinten den Blick auf die Unterwäsche (weiß, im Verlauf der Handlung mit immer mehr roten Flecken) freilässt (Christina Kämper). Grauslich gut ist auch der Einfall, eine dieser Hexen die Nachricht Macbeth‘ an die Lady dieser vor die Füße spucken zu lassen oder mit einem rituellen Tanz mit Riesenschwert den zweiten Teil einleiten zu lassen. Auch das Einschläfern des Macbeth durch die von den Hexen herbei gerufenen Geister kann überzeugen. Dazwischen gibt es aber immer wieder und immer zu lange Passagen wie das Telefongespräch einer Ukrainerin mit der bejahrten Verwandtschaft in der Heimat, das dem „Patria oppressa“ vorangeht. Das mag eine Herzensangelegenheit einer der Verantwortlichen gewesen sein, aber solche sollte man nicht einem Publikum aufzwingen. Auch „Bruder Jakob“ oder das Filmen einzelner Situationen (ein alter Regiehut) stören eher als dass sie erhellen. Man hat immer wieder den Eindruck, das Stück solle mit Gewalt in eine Länge gezerrt werden, die es ursprünglich hat, obwohl nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Originalmusik erklingt.

Dabei erzielt man mit geringen Mitteln, einer Orgel (Roman Lemberg), einem Klavier ( vorzüglich Nadezda Tseluykina), ab und zu eine Trommel und auch einmal einem Schifferklavier oft faszinierende, gespenstisch anmutende Wirkungen. Eine beachtenswerte Sängerin hat man auch für die Lady mit Yuka Yanagihara gefunden, die einen dunkel grundierten, bereits recht dramatischen Sopran interessanten Timbres einsetzen kann, der nur in der Höhe nicht immer ganz frei klingt. Sie singt alle drei großen Arien und das Brindisi, was allein schon großen Respekt verdient. Weniger ambitioniert verhält sich der Sänger des Macbeth, Rainer Scheerer, und seine Arie, wie die anderen italienisch begonnen und in deutscher Übersetzung fortgeführt, litt unter einer zu dunklen, rauhen Stimme und Intonationsproblemen.

Mit wieviel Sympathie man auch die Arbeit der Neuköllner Oper verfolgen mag, diese Produktion gehört sicherlich zu den am wenigsten geglückten.

5.3.2015 Ingrid Wanja

Fotos Matthias Heyde