Ich bin jemand, der zu Ostern gerne zwei, drei Parsifal Aufführungen besucht. In diesem Jahr stand das totale Kontrastprogramm auf meiner Agenda: Disney’s Hercules. Diese Produktion hatte wenige Tage zuvor in Hamburg ihre Weltpremiere, was auch für die Theaterstadt Hamburg ein einmaliges Ereignis darstellte.
Das mitreißende Musical basiert auf dem gleichnamigen Animationsfilm der Walt Disney Studios aus dem Jahr 1997. Es erzählt die Geschichte von Hercules, einem Halbgott, der als Baby entführt und unter Menschen aufgezogen wurde. Seine bloße Anwesenheit lässt den Marktplatz erzittern und verursacht wegen seiner unbändigen Kräfte Zerstörung. Auf der Erde fühlt er sich fremd und unangepasst. Nachdem er seine wahre Identität entdeckt hat (und nun damit nun auch versteht, warum er so gerne Götterspeise isst), strebt er danach, zum Olymp zurückzukehren. Dafür muss er jedoch zuerst ein wahrer Held werden. Natürlich kommt dabei die Liebe nicht zu kurz und letztendlich möchte er doch lieber mit seiner Traumfrau gemeinsam als Mensch auf der Erde leben.
Die Musik von Alan Menken ist schmissig und sorgt für den richtigen Groove im Soul- und Gospel-Sound. Ein großer Hit, den man auch Tage nach dem Musicalbesuch noch im Ohr hat, fehlt. Für eine perfekte und kurzweilige Show, die man mit guter Laune wieder verlässt, ist aber alles da, was man sich wünschen kann. Die Regie und Choreografie von Casey Nicholaw setzt dabei auf große Effekte und optisch stimmige Eindrücke. Bemerkenswert ist die Unterstützung der Co-Choerografin Tanisha Scott, die auch schon mit Beyoncé und Rihanna zusammengearbeitet hat. Die Kostüme sind opulent und das Bühnenbild ist trotz seiner Aufgeräumtheit mit seinen eindrucksvollen beweglichen Säulen nicht weniger spektakulär. Auch die 20 x 20 Meter große LED-Wand, die zu unzähligen grandiosen Effekten beiträgt, ist beeindruckend. Bei einigen Special Effekts im Laufe der etwa 2,5 stündigen Show kann ich mir bei einer Wiederaufnahme am Westend oder Broadway eine technisch noch perfektere Umsetzung vorstellen.
Die plakativen und manchmal Comic-artig überzeichneten Charaktere werden in Hamburg von hervorragenden Musical-Darstellern interpretiert. Allen voran Benét Monteiro, der den jungen Halbgott Hercules frisch und unbedarft spielt und dabei auch ganz hervorragend mit an Bernstein erinnernder Stimme singt. Mae Ann Jorolan gibt die selbstbewusste und sich später doch in Hercules verliebende Meg ebenfalls vokal und darstellerisch überzeugend. Detlef Leistenschneider als Hades vermag es als einer der wenigen Mitwirkenden, seiner Rolle auch sprachlich Charakter zu verleihen und kann so im Zusammenspiel mit seiner ebenfalls prägnanten Singstimme besonders beeindrucken. In kleineren Rollen brillieren mit ihren humoristischen Einlagen Mario Saccoccio als Karl und André Haedicke als Heinz. Kristofer Weinstein-Storey agiert als Heldentrainer Phil(octetes) und bekommt für seine erfolgreiche Leistung von Hera (Marta Di Giulio) und Zeus (Stefano Francabandiera) schließlich sogar einen Sternenhaufen, der seinen Namen trägt (frei nach DJ Ötzi) am LED-Himmel geschenkt.
Den stimmlich hervorragend aufgelegten Musen, die die Handlung beeinflussen, aber diese auch für die Zuschauer kommentieren, kann man leider eine bestenfalls mäßige Textverständlichkeit attestieren. Dennoch vermögen die fünf Damen Leslie Beehan, Chasity Crisp, Venolia Manale, UZOH und Shekinah McFarlane das Publikum zu begeistern. Ihr Song „Von Zero auf Hero“ am Ende des ersten Akts ist schließlich eine der wenigen musikalischen Nummern, die mir etwas länger im Ohr bleiben. Indy Luna Correa als Despina und Julia van Kouwen als Medusa komplettieren die Riege der Solisten. Unter der musikalischen Leitung von Giorgio Radoja spielen die Musiker im Orchestergraben beschwingt auf.
Herkules in Hamburg ist eine absolut sehenswerte und nahezu perfekt realisierte Show, die nur wenige Wünsche offenlässt. Empfehlenswert.
Marc Rohde, 9. April 2024
Hercules
Alan Menken
Neue Flora, Hamburg
31. März 2024
Regie und Choreografie von Casey Nicholaw