Marvin Hamlish
Premiere: 2. Oktober 2021
In Deutschland kennt man Marvin Hamlish hauptsächlich als Komponisten des Musicals „A Chorus Line“ und der Film-Musik zu „Der Spion, der mich liebte“. Sein Musical „The Goodbye Girl“ auf ein Textbuch von Neil Simon wird aber nur sehr selten gespielt. Das Theater Bielefeld, das unter der Leitung von William Ward Murta regelmäßig Klassiker und Raritäten des Genres zeigt, brachte das Stück jetzt unter großem Beifall des Publikums heraus.
Vorlage des Musicals, das 1993 uraufgeführt wurde, ist der Film „Der Untermieter“ mit Richard Dreyfuss aus dem Jahr 1977: Die alternde Tänzerin Paula McFadden und ihre Tochter Lucy werden zum Beginn des Stückes von Paulas Lebensgefährten verlassen. Als neuer Untermieter gesellt sich der Schauspieler Elliot Garfield dazu. Aus der anfänglichen Abneigung zwischen Paula und Elliott wird dann aber Anziehung und beide werden schließlich ein Paar. Unter feministischen Gesichtspunkten ist diese Story, in der es bloß darum geht, ob eine verlassene Frau wieder einen neuen Mann bekommt, natürlich ziemlich simpel gestrickt. Neil Simons pointierte Dialoge und Marvin Hamlishs Musik machen aus der Geschichte jedoch ein sehenswertes Stück.
Regisseur Thomas Winter bringt eine flotte und unterhaltsame Inszenierung auf die Bühne, bei der die zwei Stunden und 45 Minuten Aufführungsdauer wie im Flug vergehen. Die Dialogszenen werden hier nie zum Füllmaterial zwischen zwei Musiknummern, sondern machen Spaß. Ausstatter Sebastian Ellrich bringt Paulas Wohnung mithilfe mehrerer Würfel aus Stahlstreben und Neonleuchten ebenso einfach wie optisch stark auf die Bühne. Da die Drehbühne genutzt wird, laufen die Szenenwechsel wie am Schnürchen.
William Ward Murta lässt die Bielefelder Philharmoniker im Bigband-Sound groß aufspielen. Dank Choreograf Dominik Büttner wird auch viel getanzt, jedoch nicht so synchron, wie es zu wünschen wäre. In den nachdenklichen Songs dominieren die Streicher. Die Regie beschränkt sich in diesen Momenten darauf Paula, die von Fredrike Haas verkörpert wird, an der Rampe ins Publikum singen zu lassen. Das reicht aber schon, damit die Songs ihre Kraft entfalten können. Die Hauptdarstellerin singt ihre Partie als selbstbewussten Charakter mit voller Stimme.
Als quirlige Tochter Lucy ist Romina Markmann zu erleben. Nikolaj Alexander Brücker spielt mit leichter Hand den Elliott Garfield und gefällt dabei mit seinem leichten und wendigen Tenor. Als schlagfertige Hausbesitzerin Mrs. Crosby hat Amanda Whitford einige starke Auftritte. Carlos Horacio Rivas sorgt vor allem als durchgeknallter ungarischer Regisseur für Heiterkeit, der die männlich-weibliche Seite von Shakespeares „Richard III.“ zeigen möchte, was Nikolaj Alexander Brücker zur Begeisterung des Bielefelder und zum Entsetzen des fiktiven New Yorker Publikums gelingt.
Mit dieser Produktion von „The Goodbye Girl“ bietet das Bielefelder Theater eine überzeugende und unterhaltsame Aufführung eines selten gespielten Musicals.
Rudolf Hermes, 8.10.21
Bilder (c) Theater Bielefeld