am 29.12.2016
Ein Klischée welches diesem Werk von Giacomo Puccini anhaftet ist, die Armut um 1830 zu verherrlichen und daraus eine romantische Oper zu machen, deren schön-schwelgerischer Musik zum Träumen verleitet. Sie ist Weihnachtsgeschichte und zugleich Herzschmerz-Story bis zum bitteren Ende. La Bohème s hat Glamour und opulente Szenen und zeigt Bilder von einem schönen Paris, wo es auch Reichtum und Exzesse gab.
Reliquien der Zeit: Mimi das junge Mädchen, das Blumen auf Tücher malt und stickt, Künstlerwohngemeinschaften in dem jeder seiner Begabung nachtgeht und zum Dritten, wie man sich Geld beschaffen kann oder, auch kein Geld ausgeben muss. Desweiteren: Lokale, welche wohlerzogene Frauen nicht frequentieren um nicht abgestuft zu werden. Da wird plausibel, warum Mimi vor dem Gasthof am Stadtrand und geht trotz Aufforderung von Marcello nicht hinein.
Armut dieser Zeit zeigt sich auch in der subtilen Geschichte des Mont Pitié in Paris, Chaunard seinen Mantel verpfändet, damit er einen Muff für Mimi kaufen kann. In dieser Leihbank, die es heute noch gibt, kann man Wertgegenstände verpfänden lassen. Das klassische heutige Pfandleihaus: ein Gegenstand wird für einige Tage aufbewahrt und sollte man den Gegenstand wieder zurück haben wollen, ist das gegen ein Aufgeld möglich, sondt wird er später verpfändet an den Höchstbietenden.
Raimund Orfeo Voigt ist für das Bühnenbild zuständig. Er hat eine reduzierte Sichtweise gewählt die in sich gefällt aber nicht neu ist. Die Armut reduziert darzustellen in dem das erste Bild und letzte Bild aus einer Matratze besteht, einem Tisch, einem Stuhl und einem Ofen wurde schon oftmals als verwendet. Dass die Künstler die Requisiten selber auf die Bühne bringen ist eher ein neues Detail.
Das zweite Bild, das Quartier Latin und das Café Momus, besteht aus einer Leuchtenwand voller kleiner verschieden Färbender Glitzerlampen auf zwei Etagen(Bild unten) Das Quartier ist nicht zu erkennen dafür das Café Momus. Musetta singt auf dem zweiten Stock und brilliert überzeugend. Wenn Musetta auftritt passiert viel, kommt Theatralik auf und es kommt zu grossem Aufbrüchen mit Parpignol, Kindern und der Stadtmusik. Die letzten Bilder sind dann wieder in sich sehr reduziert dargestellt.
Matthias Hartmanns Regie ist feinfühlig und pointiert. Interessant wie er im dritten Bild vor dem Gasthaus die beiden Paare auftreten lässt. Das zankende Paar Musetta und Marcello und das traurige Paar Rodolfo und Mimi hat er nicht separiert in die beiden Ecken gestellt, sondern läßt die gegen einander singen. In der Mitte des Bildes sind sie aufgereiht, Musetta neben Rodolfo und Mimi neben Marcello; es klingt wunderschön gepflegt. Liebe und Zank vermischt sich harmonisch.
Die Leistungen der Sänger dieser Zweitbesetzung überrascht gesanglich wie schauspielerisch. Einzig der Rodolfo von Sébastien Guèze enttäuscht. Er hat nicht die Höhe für diese Partie und zwingt die Stimme schrill und unschön in die Höhe zu pressen. Die Mimi von Ruzan Mantashyan ist von verhaltenem Wesen im ersten Bild; im letzten Bild zeigt sie Emotionen die anfänglich gefehlt haben und kann voll auftrumpfen mit einer sehr schön geführten Stimme. Michael Adams ist bestens bei Stimme und nimmt die Rolle voll in sich auf. Er gefällt durch seinen schönen warm klingenden Bariton und einer guten Präsenz.
Mary Feminear ist eine tolle Musetta die sich voll eingibt und eine kokette Rolleninterpretation vorlegt. In ihrem Glitzerkleid ist sie die Diva des Abends und kann aus dem Vollen schöpfen. Ihr grosser Sopran ist etwas über derjenigen einer Musetta, aber gefällt trotzdem sehr. Hervorragend ergänzt wird das Ensemble von Michael de Souza als Schaunard, Grigory Shkarupa als Colline, Alexander Milev als Alcindoro und Wolfgang Berta als Benoît.
Das Orchestre de la Suisse Romande unter der tollen Leitung von Paolo Arrivabeni ist hervorragend vorbereitet und in Bestform, wie auch der Chor unter der Leitung von Alan Woodbridge.
Für die es gerne wissen möchten, die Erstbesetzung besteht aus; Nino Machaidze (Mimi), Dmytro Popov (Rodolfo), André Schuen (Marcello) und Julia Novikova (Musetta).
Bilder (c) Opera de geneve / Carole Parodi
Marcel Paolino 7.1.17
Mit besonderem Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)