Viele halten „Chess“ von Benny Anderson und Björn Ulvaeus (den beiden B‘s von ABBA) auf ein Libretto von Tim Rice („Jesus Christ Superstar“, „Evita“, „Lion King“ etc.) für das beste Musical, das je geschrieben wurde. Es klang so ganz anders als die Webber’schen, aber auch gar nicht nach „Waterloo“, und Tim Rices Texte sind nun einmal die gescheitesten und witzigsten in der Branche.
Leider wurde es, obwohl am Broadway und im Westend durchaus erfolgreich, nicht zu einem evergreenen Welthit wie etwa „Phantom“ – wofür es mehrere Gründe gibt – und wird heute nur noch selten aufgeführt.

Daher ist es es dem (ab September) zukünftigen Intendanten der Bühne Baden, Andreas Gergen, hoch anzurechnen, dass er Chess jetzt zum Abschied seines Vorgängers herausgebracht hat, und die Premiere gibt somit auch gleich einen Vorgeschmack auf seine kommende Intendanz.
Musikalisch war die Produktion absolut Top. Ein All-Star-Musical-Cast ließ kaum Wünsche offen. In den männlichen Hauptrollen matchten sich die allseits beliebten Protagonisten Drew Sarich und Mark Seibert als amerikanischer und russischer Schachchampion ebenbürtig miteinander.
Den Vogel schossen aber die beiden nicht minder bekannten und beliebten Musicaldarstellerinnen Femke Soetanga und Ann Mandrella ab. Femkes Rolle – die zwischen den beiden Männern stehende Geliebte Florence Sassy – ist ja die zentrale Figur des Stücks, und Femke Soetanga füllte sie wahrlich abendfüllend (und österreichischer-musiktheaterpreis-verdächtig) vollkommen aus. Übertroffen wurde sie nur noch von ihrer Kollegin Ann Mandrella (als rechtmäßiger Russengattin), deren Rolle allerdings zu klein war, um Soetanga wirklich in den Schatten zu stellen. Das Duett der beiden war aber jedenfalls das absolute Highlight der Produktion.
Ja, und da waren auch noch der auf Fieslinge abonnierte Boris Pfeifer ain einer entsprechenden Rolle, der seinen russischen Akzent – um seinen Markenkern nicht zu gefährden – nach Jahrzehnten in Österreich immer noch beibehaltende Russkaya-Announcer Georgij Makazaria und der bewährte Reinwald Kranner, der als Florences Vater mehr beeindruckte als in der etwas unentschieden angelegten Rolle des „Referee“.
Bühnenbildner Momme Hinrichs hatte nicht seinen genialen Tag. Da hat man von ihm schon genialere Lösungen gesehen als ein paar Würfel in zweierlei Grautönen, ein paar Hintergrundprojektionen und einen Tisch mit ein paar Sesseln, der – Laientheateranfängerfehler! – dauernd hinein- und hinausgetragen wird…
Großartig hingegen wie immer das herrliche Ballett der Bühne Baden in der Choreografie von Till Nau und den sexy roten und schwarzen Latex-Fetischoutfits von Conny Lüders.
Insgesamt gelingt es Regisseur Andreas Gergen aber scheinbar mühelos, in der doch fast drei Stunden dauernden Vorstellung die Spannung und die Energie permanent aufrechtzuerhalten, sodass man den Besuch von „Chess“ nur uneingeschränkt empfehlen kann.
Und wir freuen uns schon auf das Musical „Wicked“ im September, der Eröffnungspremiere des Intendanten Gergen.
Robert Quitta, 24. Juli 2024
Dank an unsere Freunde und Kooperationspartner vom MERKER-online (Wien)
Chess
Musical von Benny Anderson, Tim Rice, Björn Ulvaeus
Bühne Baden
13. Juli 2025 (zweite Vorstellung)
Regisseur: Andreas Gergen
Choreografie: Till Nau