Essen: „Zwei erschöpfende Tanztheater-Abende“, Ruhrtriennale 2025

© Stef Stessel

Every-Body-Knows-What-Tomorrow-Brings-And-We-All-Know-What-Happened-Vesterday

Insgesamt eine arg versponnene Angelegenheit

Harte Kontraste prägen das Tanz-Angebot der diesjährigen Ruhrtriennale. Nach der vor kreativer Energie und atmosphärischer Dichte übersprudelnden Performance „Último Helecho“ von Nadine Laisné übt sich der belgisch-tunesische Tänzer Mohamed Toukabri mit seiner Solo-Kreation in spröder Askese.

Wobei der umständliche und esoterisch verschlüsselte Titel den verwirrenden Charakter der gesamten einstündigen Präsentation pointiert, widerspiegelt: „Every-Body-Knows-What-Tomorrow-Brings-And-We-All-Know-What-Happened-Vesterday“. Länger und rätselhafter geht es kaum. Die Betonung liegt auf „Body“, der mit seinen Ausdrucksmöglichkeiten verbale Sprachen ersetzen könne. Warum trotzdem fast pausenlos aus dem Off in verschiedenen Sprachen scheinbar tiefschürfende Reflektionen über Sinn und Unsinn der Sprache tönen, zeugt nicht gerade von großem Vertrauen in die Ausdrucksstärke der körperlichen Bewegung.

Dass sich Mohamed Toukabri vor seiner umfassenden Ausbildung in Paris, Belgien und den Niederlanden als Breakdancer einen Namen gemacht hat, ist unübersehbar. In der Tat gewann die Performance auf der in düstere Nebelschwaden und schwarze Wände gehüllten Spielfläche des PACT-Zollverein an Vitalität, wenn sich Toukabri auf diesem Genre freischwamm. Ansonsten wirkte die Produktion wie ein Katalog diverser Bewegungsmuster. Teilweise roboterhaft starr, teils animalisch schleichend, mit akrobatischen Einlagen und manche gymnastische Leerformel. Abstrakt auf einem schwer nachzuvollziehenden Level.

Verständnishilfen leisteten auch nicht die Kostümwechsel und die zwischen geräuschhaften Klangflächen und rhythmisch pulsierenden Techno-Fetzen changierende Musik. Insgesamt eine arg versponnene Angelegenheit, bei dem es schwerfällt, die im Programmblatt angekündigten „Verbindungen zwischen Tanz, Erinnerung, Geschichte, Virtuosität, Migration und Politik“ zu erkennen. Gleichwohl verdient die Konditionsstärke des Tänzers Respekt, was das Publikum auch mit großem Beifall goutierte.

 © Valerian Galyl

How in salts desert is it possible to blossom

Die Kraft des Tanzes besiegt die Tristesse der Realität.

Eine Botschaft, die das südafrikanische „Garage Dance Ensemble“ im PACT-Zollverein mit unbändiger Energie und Lebensfreude zum Ausdruck bringt.

„How in salts desert is it possible to blossom“ (Wie kann etwas in einer Salzwüste blühen?): So lang der Titel der vor einem Jahr beim Festival de Montpellier aus der Taufe gehobenen Kreation der südafrikanischen Choreografin Robyn Orlin, so prägnant, intensiv, vital und sensibel lassen die drei Tänzerinnen und zwei Tänzer des Ensembles Bilder des harten Alltags und der von Kolonialismus und Rassismus verseuchten Geschichte des Landes erstehen.

Ergänzt durch ebenso einfühlsame und dennoch kraftvolle Songs des Duos „uKhoiKhoi“ mit dem Instrumentalisten Yogin Sulluphen und der Sängerin Anelisa Stuurman mit ihrer betörend zarten und hellen Stimme. Musik mit einem eigenen Charme, stilistisch schwer einzuordnen, aber von einer bestrickend atmosphärischen Dichte. Schade, dass die afrikanischen Texte nicht übersetzt werden.

Gleichwohl strahlen die Gesänge auch ohne Wortverständnis eine Faszination aus, die sich auf die Tänzer überträgt. Episoden sexueller Gewalt, rassistischer und sozialer Unterdrückung sowie beklemmender Armut werden nachvollziehbar dargestellt. In fantasievollen Choreografien ohne platten Realismus, vor allem aber ohne jeden depressiv-jammernden Ton. Hoffnungsstärke und Optimismus bestimmen auch die düstersten Szenen. Wenn sich die zierliche Georgia Julies aus einem dichten Kokon afrikanischer Gewänder herausschält, die Textilien wie Fesseln abwirft und wie ein Schmetterling erblüht, bündeln sich Unterdrückung und Befreiung wie in einem Brennglas. Und das mit Anmut, kreativer Fantasie und lebendiger Energie. Und diese Energie gipfelt in einem furiosen Finale, bei dem es auch das Publikum nicht mehr auf den Sitzen hält. Kein Klagen und keine Anklagen geben Kraft für eine bessere Zukunft, sondern Tanz, Musik und Hoffnungsstärke. Eine Botschaft, die man auch außerhalb Südafrikas beherzigen sollte. Auch, wenn sie nicht alle Probleme lösen kann. Jammern allerdings erst recht nicht.

Pedro Obiera 5. September 2025


Every-Body-Knows-What-Tomorrow-Brings-And-We-All-Know-What-Happened-Yesterday
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