Monaco: „Der fliegende Holländer“, Richard Wagner halbszenisch

Es wagnert im Fürstentum Monaco, dem kleinen, ganz in der Nähe von Nizza an der Mittelmeerküste gelegenen Stadtstaat. Denn in dieser Spielzeit wird die Opéra de Monte-Carlo gleich zwei Werke Richard Wagners stemmen. Neben einer inszenierten Walküre am Grand Théâtre mit dem Barockensemble Les Musiciens du Prince im Graben, findet eine halbszenische Aufführung des Fliegenden Holländers mit dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo im Grimaldi Forum statt. Das moderne Kongresszentrum erfüllt mit großer Bühne und absenkbarem Orchestergraben auch die Anforderungen eines Opernbetriebs. Die Besetzung dieser einmaligen Aufführung mit Sir Bryn Terfel in der Titelrolle des Holländers und Asmik Grigorian als Senta ist dabei so opulent und dekadent wie die Yachten im Herkuleshafen oder das berühmte Casino Monte-Carlos.

© OMC-Marco Borrelli

Sir Bryn Terfel gilt international als einer der bedeutendsten Wagnerbaritone der Gegenwart. Dabei hat der gestandene Sänger so manches mit seiner Figur des fliegenden Holländers gemein: Während der Holländer der Sage nach lediglich alle sieben Jahre ans Land darf, um eine Frau zu freien, zeigt sich der walisische Bariton auf den deutschsprachigen Bühnen im Wagnerfach seit jeher ebenso selten. Zwar sang er Hans Sachs bei den Proms in London oder den Wotan an der Metropolitan Opera in New York City. Bei den Bayreuther Festspielen will er aber überhaupt nicht auftreten. Und wenn Terfel einmal in Deutschland, der Heimat Richard Wagners singt, dann doch lieber Boris Godunow oder den Scarpia in Puccinis Tosca. Umso erfreulicher, dass die Opéra de Monte-Carlo ihn nun für die Partie des fliegenden Holländers verpflichten konnte. Denn sein Rollenporträt wurde zu einem Gesamtkunstwerk für sich. Besonders im Auftrittsmonolog bewies er, was es heißt, sich eine Rolle ganz eigen zu machen. In perfekter Diktion hing das Publikum an seinen Lippen. Terfel teilte sich den Monolog meisterhaft, ganz wie ein Liedsänger ein, um mit ganz großen Gesangslinien die Spannung auf- und wieder abzubauen. Er gestaltete vom subtilen Pianissimo bis in eine markschütternd anklagende Aufgebrachtheit all die Zerrissenheit und Verzweiflung seiner Figur. Dass ihm dabei in der Höhe gelegentlich ein Ton wegbrach, schmälerte das Gesamtbild seiner Interpretation nicht.

Asmik Grigorian als Senta stand ihm im musikalischen Ausdruck in nichts nach. Ihre eindringliche und raumerfüllende, etwas herb-kühle, zugleich technisch makellose Sopranstimme ließ die Figur der Senta, als jene der Welt entrückte, unnahbare und sich aufopfernde Frauengestalt erscheinen, wie sie der Sage nach verstanden werden will. Beide bedurften keiner Kostüme, um ihre Partien auch halbszenisch in Mimik und Gestik zu jedem Zeitpunkt lebendig werden zu lassen.

Daniel Behle stand an diesem Abend nach längerer Zeit wieder als Erik auf der Opernbühne. Die Partie ist kurz, aber schon mancher Heldentenor ist an ihr gescheitert. Denn besonders die Kantilene hat es in sich. Behle vereinigte die Agilität seines Mozart-Gesangs mit Elementen des Charakterfachs. Er ist ein Tenor mit intellektueller Versiertheit und einer stimmlichen Flexibilität und Stahlkraft, die solche eine herausfordernde Partie wie mühelos erscheinen lässt. Man muss schon weit in die Ferne schweifen, um einen versierteren Erik als Daniel Behle zu hören.

Der Bassbariton Albert Dohmen verkörperte in Monte-Carlo im Jahre 2009 schon selbst den fliegenden Holländer und kehrte nun als Daland zurück. Er ist einer dieser Sänger, dessen Stimme immer weiter reift und besonders in der tiefen Lage des Wagnerfachs stets weitere Nuancen ergründet. Auch im Alter von fast 70 Jahren legte Dohmen so eine unglaubliche vokale Souveränität an den Tag. Seine ganz natürlich anmutende Phrasierung und klare Diktion ließen die Partie glaubhaft und authentisch wirken.

© OMC-Marco Borrelli

Die vollmundige wie charakterstarke Mary von Angharad Lyddon und ein wunderschön klingender Steuermann von Trystan Llyr Griffiths sowie der besonders groß besetzte, klanggewaltige Chœur de l’Opéra de Monte-Carlo unter der Leitung von Stefano Visconti vollendeten das Ensemble. Die halbszenische Aufführung bestach durch weitestgehend nach eigenem Gusto frei agierende Solisten, gekleidet in festlicher Abendgarderobe. Das Kreativunternehmen D-Wok entwickelte sich der Handlung und Musik fügende, auf einen imposanten Kubus projizierte, Animationen.

Der italienische Dirigent Gianluca Marcianò baute mit dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo in der Ouvertüre zunächst düster-bedrohliche, sphärische Klangcluster eines aufpeitschenden Meeres. Ab Sentas Aufritt im zweiten Akt zog Marcianò das Tempo selbstsicher ein wenig an, führte sein Ensemble auf der Bühne und im Graben mit Präzision, betonte jedoch mehr das Deklamatorische der Partitur und ließ so dem Drama seinen Lauf.

Der fliegende Holländer als „one night only“ vor ausverkauftem, jubelndem Haus. Diese halbszenische Aufführung fand lediglich ein einziges Mal an einem Sonntagnachmittag im November statt. Sie wird dafür umso länger im Gedächtnis des Publikums im Fürstentum in Erinnerung bleiben.

Phillip Richter 6. November 2025

Besonderer Dank an unsere Freunde und Kooperationspartner vom OPERNMAGAZIN


Der fliegende Holländer
Richard Wagner
Halbszenische Produktion
Monaco

2. November 2025

Dirigent: Gianluca Marcianò
Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo