Oberhausen: „Pretty Woman – Das Musical“, Bryan Adams und Jim Vallance

Im März 2018 fand in Chicago die Uraufführung von Pretty Woman – Das Musical statt, noch im selben Jahr folgte die Broadway-Premiere. Bereits im September 2019 fand im Theater an der Elbe in Hamburg die deutschsprachige Erstaufführung statt. Aufgrund der Corona-Pandemie musste die Spielzeit allerdings bereits nach wenigen Monaten, am 12. März 2020, vorzeitig beendet werden. Nach der Pandemie wurde die Liebeskomödie nicht wieder aufgenommen, da mit Disneys Die Eiskönigin bereits die Nachfolgeproduktion geplant war. Seit der vergangenen Woche ist das Musical über die Beziehung zwischen der Prostituierten Vivian Ward und dem reichen Geschäftsmann Edward Lewis nun durch Limelight Live Entertainment in einer Neuinszenierung in Deutschland und Österreich zu sehen, die zuvor bereits im Beatrix Theater in Utrecht in niederländischer Sprache aufgeführt wurde.

© Dominik Flohr

Zum Inhalt muss an dieser Stelle wohl nicht viel gesagt werden. Mit über elf Millionen Kinobesuchern allein in Deutschland zählt Pretty Woman bis heute zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Kurz zusammengefasst: Ein skrupelloser Geschäftsmann verliebt sich in eine vom Pech verfolgte Prostituierte, die seine Liebe erwidert. Er wird durch sie zu einem besseren Menschen und dem Happy End steht nichts im Wege. Das Musical orientiert sich stark an der Filmvorlage, lässt keine wichtige Szene aus und nimmt lediglich hier und da kleinere Modernisierungen oder Anpassungen an die Gegebenheiten einer Bühnenproduktion vor. Dies ist vielleicht der einzige kleine Kritikpunkt an der Musicalversion, da sie es versäumt, eigene starke Akzente zu setzen. Allerdings wäre dies vielleicht auch gar nicht das, was das Publikum erwarten würde. Was die Zuschauer allerdings erwarten dürfen, ist eine gelungene Komposition von Bryan Adams und Jim Vallance. Die beiden Kanadier sorgten für die Musik des Musicals, die durchaus pop- und rocklastig ist, aber auch in den gefühlvollen Balladen überzeugen kann. Viele der über 20 Songs entwickeln sich hierbei zu echten Ohrwürmern. Beispielhaft seien hier nur die Eröffnungsnummer Willkommen in Hollywood, Vivians großer Auftritt im ersten Akt mit Alles, nur nicht hier oder Edwards Solo Freiheit, in dem er sein bisheriges Leben hinterfragt, genannt. Auch der Song Ein Abend in der Oper ist gelungen, da er eine gelungene Verschmelzung mit der im Opernhaus aufgeführten La traviata eingeht. Im großen Ensemblestück Gib deinen Traum nicht auf zeigen alle Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne in einer rundum stimmigen Choreografie von Eline Vroon ihr ganzes Können. Auf die im Film verwendeten Lieder müssen die Zuschauer allerdings verzichten. Lediglich das bekannte Oh, Pretty Woman von Roy Orbison aus dem Jahr 1964 darf als Zugabe natürlich nicht fehlen. Dass dieser bekannte Song nur als Zugabe gespielt wird bzw. zu Beginn des zweiten Akts kurz angeteasert wird, passt sehr gut.

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In der Inszenierung von Carline Brouwer stehen die beiden Hauptrollen im Mittelpunkt und erhalten viel Raum zur Entfaltung. Der Übergang von einer Szene zur nächsten erfolgt fließend und ist durchaus temporeich. Das absolut tourtaugliche Bühnenbild von Carla Janssen Höfelt ist dennoch ein Hingucker für sich. In der wandelbaren Turmkonstruktion öffnen sich immer wieder neue Räume, die von den tanzenden Hotelpagen des Beverly Wilshire Hotels ganz nebenbei umgebaut werden. Wenn diese dann nach dem Umbau beispielsweise an der Schlafzimmertür lauschen, sorgt das zudem für Erheiterung beim Publikum. Ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich ein hochwertig wirkendes Bühnenbild und eine Tourproduktion nicht gegenseitig ausschließen. Das Ensemble überzeugt durch viel Spielfreude und trägt somit entscheidend zu einem gelungenen Theaterbesuch bei. In der Rolle der Vivian Ward glänzt die junge niederländische Darstellerin Shanna Slaap, die diese Rolle bereits in Utrecht verkörperte und hierfür in den Niederlanden bei den renommierten Musical Awards 2024 in der Kategorie „Beste weibliche Hauptrolle” nominiert war. Auch mit der deutschen Übersetzung von Nina Schneider und Frank Ramond hat sie keine größeren Probleme. Mit großer Natürlichkeit und starker Stimme spielt und singt sie sich in die Herzen der Zuschauer und Zuschauerinnen und lässt das fest eingebrannte Bild einer Julia Roberts schnell vergessen. An ihrer Seite steht Mathias Edenborn als Edward Lewis, der in dieser Rolle nun endlich seine verdienten Auftritte erhält. Edenborn war bereits ab Februar 2020 kurz in dieser Rolle zu sehen, nachdem er in Hamburg die Nachfolge von Mark Seibert angetreten hatte – nur wenige Wochen bevor die Pandemie ausbrach.

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Besonders hervorzuheben ist zudem Benedikt Ivo, der in mehreren Rollen zu sehen ist und dabei auf ganzer Linie überzeugt. Als Happy Man führt er die Besucher über den Hollywood Boulevard, wechselt aber innerhalb von Sekunden zum charmanten Hoteldirektor Mr. Thompson. Später ist er auch noch als Boutique-Besitzer Mr. Hollister zu sehen, sodass er fast den ganzen Abend auf der Bühne steht. Die Hauptrollen werden abgerundet durch Sophie Reinicke als Vivians Freundin Kit de Luca und Benjamin Plautz als skrupellosen Anwalt Philip Stuckey. Die kleineren Rollen werden treffend aus dem 19-köpfigen Ensemble besetzt, von dem pro Vorstellung 14 Personen im Einsatz sind. Hervorzuheben ist hier noch Steffi Regner, die in der Opernszene mit ihrer klassischen Stimme eine überzeugende Violetta Valéry verkörpert. Glücklicherweise verzichtet die Produktion hier auf die furchtbare Operndarbietung, die noch auf der CD der Broadway-Produktion zu hören ist. Die Musik wird während der Tour live von einer sechsköpfigen Band unter der musikalischen Leitung von Dan Tompkinson gespielt. Einzig die Tatsache, dass zur Premiere die Mikroports der einzelnen Darsteller noch zu oft zu spät eingeschaltet wurden und Benedikt Ivo ausgerechnet mit dem Text „Alles ist möglich” aufgrund von Mikrofonproblemen komplett in der Musik unterging, sollte schnellstmöglich nachgebessert werden.

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Die laufende Spielzeit im Metronom Theater in Oberhausen ist bis zum 9. November ausverkauft. Dies ist ein großer Erfolg für das Haus, das in der Sommerpause einen frisch renovierten Zuschauerraum erhalten hat. Nach der erfolgreichen Übernahme durch Semmel Concerts im vergangenen Jahr zählt es nun erst recht zu den schönsten privat geführten Theatern in Deutschland. Für die Vorstellungen in den kommenden Tagen sind aktuell maximal noch wenige Einzelplätze erhältlich. Pretty Woman – Das Musical wird allerdings ab Anfang Februar 2026 für weitere sieben Wochen hier zu sehen sein. Insgesamt wird die sehenswerte Tour bis August 2026 in verschiedenen Städten in Deutschland und Österreich aufgeführt. Ein Besuch lohnt sich.

Markus Lamers, 2. November 2025


Pretty Woman – Das Musical
Musical basierend auf der Filmvorlage von Touchstone Pictures aus dem Jahr 1990
mit Musik von Bryan Adams & Jim Vallance und einem Libretto von Garry Marshall & J. F. Lawton

Metronom Theater, Oberhausen

Premiere: 30. Oktober 2025

Inszenierung: Carline Brouwer
Musikalische Leitung: Dan Tomkinson
Band: Dan Tomkinson (Keyboard 1), Pascal Kierdorf (Keyboard 2), Miguel Curi (Schlagzeug), Robert Lindemann (Bass), Leonard Kunstmann (Gitarre 1), Sam Torrington (Gitarre 2)

Trailer

Weitere Aufführungen neben Oberhausen in München (Deutsches Theater), Frankfurt (Alte Oper), Baden-Baden (Festspielhaus), Basel (Musical Theater), Bremen (Metropol Theater), Wien (Museumsquartier), Berlin (Admiralspalast), Stuttgart (Liederhalle), Füssen (Festspielhaus), Graz (Opernhaus) und Linz (Landestheater); genaue Daten unter https://limelight-live.de/produktionen/pretty-woman/tickets-termine.