Wuppertal, Konzert: „Mozart, Marsalis, Rimski-Korsakow“, Sinfonieorchester Wuppertal unter Felix Bender

Schicksal, Katastrophenungeheuer, Eifersucht und Liebe: das sind die Themen, mit denen der damals 25jährige Wolfgang Amadeus in seiner ersten Operngroßtat 1781 das Münchener Publikum zum Karneval beeindruckte. Mozart selbst schätzte die Oper sehr.  Und in der Ouvertüre kündigt sich die ganze Dramatik und Tragik schon an. Felix Bender hat diese Oper gerade in Ulm dirigiert – und wurde als die „personifizierte Verve“ bezeichnet. Akkordisch, orchestral mit markantem Bassmotiv, kraftvoll und dramatisch stark begann die Ouvertüre. So eingestimmt, hätte man die Oper auch gerne gehört.

Als zweites Stück gab es aber das Trompetenkonzert von Wynton Marsalis (geb 1961), den Maurice André zum  “größten Trompeter aller Zeiten“ ernannt hatte. Alles andere als ein „matter und unnatürlicher Trompetenkastrat“ – Felix Mendelssohn Bartholdy mochte zu seiner Zeit die Trompete nicht besonders – entdeckte  Wynton schon als zwölfjähriger die Trompete für sich, bevor über Jahre Jazz im Lincoln Center präsentierte. Mit einer in die Höhe geworfenen, gedrehten Solofanfare begann das Trompetenkonzert, bevor mit stampfenden, vertrackten   Rhythmen, Paukenschlägen , abstrusen Triller die Nähe des Komponisten zu den trompetenden Elefanten hörbar wurde.

© Holger Talinski

Das riesige Orchester brachte diese komplexe, oft dick instrumentierte Musik bei klarem Dirigat des Dirigenten, aktuell GMD in Ulm und zuvor kommissarischer GMD in Chemnitz, mühelos über die Bühne. In insgesamt sechs Sätzen gab es Anklänge an Blues (Jazzviolinen über langsamem Kontrabass- Pizzicato), an rhythmisch aufregende mexikanische Musik mit kurzen Blechglissandi, an Blues und Walzer, insgesamt in freier Tonalität an die ganze Musikgeschichte der letzten 100 Jahre. Wunderbar melodiös ließ sich die Baßtuba in der Tiefe vernehmen. Und mitten im reichhaltigen, unterhaltsamen musikalischen Geschehen turnte die Solotrompete, phasenweise gestopft, höchst virtuos in wechselnder Farbigkeit durch den Tumult.  Am Ende erschien in auditorisch-amüsanter Kakophonie das gesamte Dschungelbestiarium auf der Bühne und mit einer letzten Fanfare verabschiedete sich der Elefant. Das Publikum hatte schon zwischen den Sätzen immer wieder zaghaft applaudiert, war zuletzt nicht mehr zu halten, feierte den Star mit stehenden Ovationen, Blumen, Bravi.  Die mühelose Virtuosität von Simon Höfele, der mit führenden internationalen Orchestern regelmäßig auftritt, war 2021 auch hier – wegen der Coronaepidemie im einem gestreamten Konzert unter Julia Jones-  zu hören gewesen mit dem Trompetenkonzert Es-Dur von Joseph Haydn. „Hoch sensibel, frisch, blitzsauber“ hat er damals gespielt. Auch heute faszinierte er mit luzider Technik, Virtuosität und Musikalität, die in der stillen Zugabe (Chet Bakers „my funny valentine“) erst voll ausbrach und zu Herzen ging.

Zu seiner sinfonischen Suite „Scheherazade“ op. 35 wurde Nikolai Rimski-Korsakow (1844-1908) angeregt durch Märchen aus „1001 Nacht“,  ließ sich aber nicht auf ein bestimmtes Programm festlegen, hat auf programmatische Überschriften über den Sätzen der Orchestersuite am Ende verzichtet, obwohl seine Musik durchaus Assoziationen weckt. Sturm, wildes Meer, die Geschichten des übermütigen „Prinzen Kalender“, Schiffsuntergang – er wusste worum es ging, hatte er doch als Offizier der russischen Marine rund 25 Jahre zuvor drei Jahre lang die Weltmeere befahren.

 Musikalisch lebt das Werk vom Gegensatz zwischen einem abwärts drohenden starken ff unisono Thema des ganzen Orchesters, ohrwurmartig mit immer wieder fallender Quarte im staccato, welches an die schlechte Stimmung des  Sultans denken lässt, bevor traumhafte, lyrische Sechzehntel-Triolen der Solovioline (Jaha Lee) zur Harfe  (Manuela Randlinger) weichere Gefühle aufkommen lassen, zu Herzen gehen und  der anmutigen wie klugen Scheherazade zuzuordnen wären. Diese beiden Themen bestimmen die ganze Suite, umspielen einander. Der Komponist ist ein Meister der Variation und Wiederholung. Sinfonische Dramatik und Auseinandersetzung bestimmen das musikalische Geschehen nicht.

Scherzhaft beginnt der zweite Satz mit großen Solo des Fagotts, welches ja eher zu den  unernsten Orchesterinstrumenten gehört.  Lebendig, in wechselnden Tempi, und Tonarten, zwischendurch marschartig, ging der Satz mit dem Lied der silbrig hellen Flöte  vor furiosem Schlussakkord zu Ende.

© Holger Talinski

Im 3. Satz singen die höheren Streicher  lyrisch und emotional, bevor die Celli aus der Tiefe singen und die Holzbläser dazu liebevoll die Situation umspielen oder auch kommentieren. Das ist reine, spätromantische Orchesterlust dank makelloser, bewegender Soli der Holzbläser, des Horns wie auch des Solo- Cellos.

Im letzten Satz kommt, inzwischen gezähmt, wieder das Sultanthema des ersten Satzes zu Gehör, die Klarinette übernimmt , das vom seelenvollen Cello (Anne Yumino Weber) mit gebrochenen Akkorden begleitet, behauptet sich die Geige, doppelgriffig und mit Arpeggien zur Harfe, gegen letzte synkopische Orchesterschläge. Der Sultan ist gezähmt, Scheherazade hat überlebt.

Das enthusiasmierte Publikum spendete nach diesem Adventskonzert frenetischen Applaus und war begeistert.  Unter der Leitung von Felix Bender war  beim Ulmer Parsival im April 2024 von  ungemein  intensivem, expressiven, farbenreichen glanzvollem Orchester die Rede. Das wird das Wuppertaler Publikum nachvollziehen können.  Immer wieder musste der Dirigent nach vorne kommen, bevor er sich zuletzt vom Orchester verabschiedete.

Johannes Vesper, 17. Dezember 2025


Wolfgang Amadeus Mozart: Ouvertüre zu „Idomeneo“ KV 366
Wynton Marsalis: Trompetenkonzert
Nikolai Rimski-Korsakow: Scheherazade op. 35

4. Sinfoniekonzert (163. Saison)
Historische Stadthalle Wuppertal

15. Dezember 2025

Simon Höfele, Trompete
Musikalische Leitung: Felix Bender Dirigent
Sinfonieorchester Wuppertal