Berlin: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2022/23“ an der Lindenoper

Nein, ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen. Nach dem Staatstheater Braunschweig blicken wir auf die Staatsoper unter den Linden, Berlin. Weitere Bilanzen sollen folgen.


Beste Produktion (Gesamtleistung):
Viele annehmbare, aber keine herausragende. Die Wiederaufnahme des „Rosenkavalier“ überstrahlte alles.

Größte Enttäuschung:
Dmitri Tcherniakovs Bühnenbild und Regie für „Der Ring des Nibelungen“.

Beste Wiederaufnahme:
Der Rosenkavalier“. Ein Juwel im Spielplan.

Beste Gesangsleistung (Hauptpartie):
Gerald Finley als Holländer. Wagner-Belcanto vom Feinsten.
Vera-Lotte Boecker als Daphne. Darstellerisch wie vokal eine Idealbesetzung mit silbrig flirrender Straussstimme.

Beste Gesangsleistung (Nebenrolle):
Magdalena Kožená für den Idamante in „Idomeneo“. Die Stimme kann funkeln und strömen, dass dem Hörer auch eine fast vier Stunden dauernde Vorstellung nicht zu lang wird.
Anna Kissjudit als Gaea in „Daphne“ .

Nachwuchssänger des Jahres:
Magnus Dietrich als Leukippos in „Daphne“ und Steuermann in „Der fliegende Holländer“.

Bestes Dirigat:
Christian Thielemann für „Der Ring des Nibelungen“.

Beste Regie:
Fehlanzeige (leider).

Bestes Bühnenbild:
Junpei Kiz für „Mitridate, Re di Ponto“ .

Größtes Ärgernis:
Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit von Gastdirigenten, die Lautstärke des Orchesters den räumlichen Gegebenheiten anzupassen, etwa in der ohrenbetäubenden „Turandot“, dem oft zu lauten „Holländer“ und zuletzt in der „Salome“, die unser Kollege als regelrechte „Lärmorgie“ empfunden hat.


Die Bilanz zog Ingrid Wanja (Mitarbeit: Michael Demel).