Premiere am 8. September 2018
(The Bridges of Madison County)
Großes Format
Gerald Michel/Marysol Ximénez-Carillo
1992 wurde der Roman „The Bridges of Madison County“ („Die Brücken am Fluss“) von Robert James Waller veröffentlicht, den Clint Eastwood 1995 verfilmte mit sich selbst und Meryl Streep in den Hauptrollen. Erst 2013 adaptierte Marsha Norman die Geschichte für das Musical, zu dem Jason Robert Brown die Musik, Gesangstexte und Orchestrierung beitrug und das 2014 erstmals am Broadway lief. Am 18. März 2017 erlebte es in Trier seine deutsche Erstaufführung in der Übersetzung von Wolfgang Adenberg, die auch in Hildesheim verwendet wurde. Die Geschichte handelt von der jungen Neapolitanerin Francesca, die 1946 mit dem US-Soldaten Richard „Bud“ Johnson auf seine Farm nach Iowa ging und dort 20 Jahre lang eine „normale“ Ehe mit den Kindern Michael und Carolyn führte. Als der Vater nun mit den Teenagern für 4 Tage zu einer Landwirtschaftsmesse unterwegs ist, bleibt Francesca allein zuhause. Da taucht der Fotograf Robert Kincaid auf der Suche nach einer der sieben Brücken auf, die er für das Magazin „National Geographic“ ablichten soll. Francesca hilft ihm gerne und entdeckt im Gespräch, wie sehr ihr solche Freiheit fehlt, die Robert hat. Bleibt es am ersten Abend noch beim Essen, obwohl bereits erste Anzeichen von gegenseitiger Zuneigung zu erkennen sind, gehen am nächsten Tag die Gefühle mit beiden durch. Francesca steht nun vor der Entscheidung, ihrer großen Liebe zu folgen oder sich für ihre Familie einzusetzen. Letztendlich bleibt sie bei ihrer Familie, weil sie sich einerseits wirklich geliebt weiß, aber andererseits nicht die lange Gemeinsamkeit einfach wegschieben kann und vor allem ihre Kinder, aber auch ihren Mann in gewisser Weise liebt. Wie sich später zeigt, hat sich das Leben beider Protagonisten nach der Episode entscheidend verändert.
Marysol Ximénez-Carrillo/Alexander Prosek
Das Musical-Team des TfN (Theater für Niedersachsen) bewies zum Saison-Auftakt einmal mehr seine Ausnahmestellung auf diesem Gebiet in der Region. Dem Regisseur und Team-Leiter Craig Simmons und der Ausstatterin Esther Bätschmann ist es gelungen, mit wenig Aufwand eindrucksvolle Bilder und Szenen zu schaffen, die sich ins Gedächtnis brannten. Die wenigen Versatzstücke für die Küche, das Auto, Zäune und die Brücke liefen auf Rollen oder kamen vom Schnürboden; alles lief wie geschmiert und sich reibungslos aus einzelnen Situationen folgerichtig ergebend ab, wobei alle Akteure auch gleichzeitig als „Kulissenschieber“ tätig waren.
Der Hintergrund deutete in vielen Farbschattierungen die endlose Weite des Landes und Himmels zur jeweiligen Tageszeit an bis zum schlichtem Sternenhimmel in der Bett-Szene. Dabei ließ Simmons die Darsteller ohne Übertreibungen lebensecht agieren und sorgte dafür, dass drohende kitschige Momente immer durch lockere Einschübe elegant aufgefangen wurden. Die für Francesca und Robert so wichtige Entscheidung trieb er spannend voran, bis sie endgültig fiel und Francesca zu ihrer Familie zurückging. Das hatte großes Format.
Störend an der ganzen Vorstellung war nur die viel zu laut eingestellte Verstärkungstechnik, so dass man, wenn alle 10 Mitwirkenden sangen, nichts mehr richtig verstehen konnte und der Text an einigen Stellen verzerrt klang.
Elisabeth Köstner/Gerald Michel
Die kleine Band unter der bewährten Leitung von Andreas Unsicker gab bei den Soli und Untermalungen der Songs ihr Bestes; die gefällige Musik von Jason Robert Brown enthielt neben sehnsuchtsvollen Motiven auch Anklänge an Country-Music und Jazzelemente. Aber wirklich mitgerissen hat die Darstellung der Protagonisten: Da ist zuerst Marysol Ximénez-Carrillo zu nennen, die ein überzeugendes Bild der sich in die Rolle der Farmersfrau eingerichteten Vierzigerin Francesca gab, die – ohne es selbst zu wissen – nach irgendetwas Neuem sucht in der Eintönigkeit des Alltags. Da war zunächst echte Freude über die Frage des Fremden nach der Brücke, dem sie ihr Hilfsbereitschaft fast zu stark aufzudrücken schien. Ihre inneren Gedanken im weiteren Verlauf (z.B. „Wie nennt man einen Mann wie ihn?“) unterstrich sie treffend in Gestik und Mimik. Mit klarer, heller Musicalstimme trug sie ihre Songs eindringlich vor, in denen sie sich dem Fotografen (und dem Zuschauer) immer mehr öffnete, bis Robert sie vor die Entscheidung stellte, ihn zu begleiten oder bei ihrer Familie zu bleiben – eine tolle Leistung! Gerald Michel als Robert Kincaid gelang es ebenso gut, die Wandlung eines nur die Freiheit und die Fotografie liebenden Mannes zu der Erkenntnis glaubhaft zu machen, dass alle Reisen und Reportagen über die weite Welt („Die eingerahmte Welt“) eine echte Liebesbeziehung nicht ersetzen können. Francescas natürliche Art bezauberte ihn, so dass auch er plötzlich nie gekannte Gefühle entwickelte und annahm. Im Spiel der beiden wirkte alles harmonisch und richtig.
Gerald Michel/Johannes Osenberg/Marysol Ximénez-Carrillo/Sandra Pangl/Alexander Prosek
Als einerseits umsorgender Ehemann Bud Johnson, andererseits polternder, strenger Vater war Alexander Prosek optimal eingesetzt. Mit rauer Stimme stellte er klar das schlichte, gutmütige Wesen eines Farmers heraus, der seine Frau nicht ganz versteht. Johannes Osenberg und Sandra Pangl spielten typgerecht die munteren Teenager, die sich nicht an die Farm ketten lassen wollen. In jeweils mehreren Rollen traten Elisabeth Köstner (u.a. als Roberts Ex-Frau Marian mit „‘ne and’re Welt“), Katharina Schutza als köstliche, teils neugierige, teils neidische Nachbarin Marge mit Jens Krause als beschwichtigendem Ehemann Charlie, Lisa Maria Hörl als sauber intonierende Country Sängerin und Jürgen Brehm als junger Bud auf. Sie alle bildeten die schützende Hülle, die Francesca dort umgab, wo man auf nachbarschaftliche Freundlichkeit und Hilfe angewiesen war („Du bist nie allein“).
Das zu Recht begeisterte Publikum spendete allen Mitwirkenden lang anhaltenden Applaus.
Fotos: © Jochen Quast
Marion Eckels 09.09.2018
Weitere Vorstellungen:
17.+29.9.; 1., 11.+25.11; 5.+21.12.2018 und 16.3./19.4.2019 (Hildesheim) sowie an anderen Orten