Mönchengladbach, Ballett: „Liebe und Tod“, Robert North

Bereits seit 2010 ist Robert North Ballettdirektor am Theater Krefeld-Mönchengladbach, für das er nun unter dem Titel Liebe und Tod einen dreiteiligen Ballettabend entwickelt hat, der sich aus einer Uraufführung und zwei früheren Arbeiten des Choreografen zusammensetzt. Da der eigentliche Höhepunkt des Abends bereits im ersten Akt liegt, beginnen wir hier ausnahmsweise mit dem Ende. Zur berühmten Komposition von Maurice Ravel entstand 1996 die Choreografie Boléro, die am Teatro Nuovo in Turin uraufgeführt wurde. Inspiriert von der spanischen Kultur, verbunden mit einer tiefen Religiosität, schuf North hier eine Choreografie, die die eingängige Musik Ravels vor allem mit großen Gruppenbildern für 10 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne kombiniert. Schön zu sehen, wie Tanz und Musik, die hier im Gegensatz zu den beiden anderen Werken des Abends vom Band kommt, eine ganz besondere Verbindung eingehen. Das zahlreich erschienene Publikum zeigte sich unmittelbar nach dem Erklingen der letzte Töne begeistert.

Boléro / © Matthias Stutte

Deutlich intimer geht es im zweiten Akt zu. Vor rund 200 Jahren, im Frühjahr 1824, komponierte Franz Schubert das Streichquartett Nr. 14 in d-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, das auch unter dem Titel Der Tod und das Mädchen bekannt wurde. Historisch gesehen fällt die Komposition wohl in Schuberts schwierigste Zeit. Mit seinen Opernkompositionen scheiterte er beim Wiener Publikum, zumal auch die jeweiligen Libretti als eher dürftig galten. Fast zeitgleich erkrankte er schwer und der Zerfall seines Freundeskreises machte ihm schwer zu schaffen. Dennoch schuf er ein beeindruckendes Werk, das auch heute noch zu begeistern vermag. Die Musik wird an diesem Abend von Mitgliedern der Niederrheinischen Sinfoniker in Form des Vitus-Quartetts eindrucksvoll interpretiert. Alternierend ist hier auch das Ardemus-Streichquartett zu hören. In seiner Choreographie, die bereits 1980 in Exeter uraufgeführt wurde, setzt Robert North auf eine Art historischen Totentanz. Als Tod ist Andrii Gavryshkiv, ganz in Schwarz gekleidet, stets auf der Bühne präsent. Fast flirtend nähert er sich dem Mädchen (Teresa Levrini) und zieht es in seinen Bann. Aber auch das 7-köpfige Ensemble wird immer wieder in die Tänze des Todes einbezogen. Eine frühe Arbeit des Ballettdirektors, die nun erfreulicherweise wieder zu sehen ist. Neben wunderbar synchronen Tanzleistungen überzeugt hier auch ein intensives Schlussbild, in dem der Tod das Mädchen wohl ein letztes Mal fest in seine Arme schließt.

Der Tod und das Mädchen / © Matthias Stutte

Apropos überzeugendes Schlussbild: Dieses ist am Ende des ersten Aktes der heimliche Höhepunkt des Abends. Für die Uraufführung Facetten der Liebe widmet sich North den unterschiedlichsten Liebeskonstellationen in verschiedenen Lebensphasen. Eingerahmt wird das Ganze von einem Labyrinth des Lebens, das gleich zu Beginn des Abends als zentrales Bühnenelement zu erkennen ist. Auch in den Kostümen des Ballettensembles wird dieses Element immer wieder sichtbar. North versteht es wie kaum ein anderer, mit seinen Choreografien kleine Geschichten zu erzählen, was ihm auch hier sehr gut gelingt. Wir sehen ein junges Paar, das zunächst verliebt durch den Park schlendert, dann aber mit Unsicherheiten und kleinen Konflikten konfrontiert wird. Im zweiten Bild begleiten wir ein Ehepaar durch ihren Alltag, der von alltäglichen Dingen wie Hausarbeit und Beruf dominiert wird. Gelungen ist hier die Zeitreise von der Schwangerschaft über die Geburt der Tochter bis zu dem Moment, in dem sie als junges Mädchen winkend das Haus verlässt. Auch die Beziehung zwischen dem Kunststudenten und seinem Lehrer sieht North als eine Art Liebe, allerdings einer ganz anderen. Immer wieder hilft der Lehrer dem Schüler, wenn dieser verzweifelt aufgeben möchte. Ganz wunderbar und anrührend ist dann das ältere Ehepaar, das offensichtlich schon seit vielen Jahren verheiratet ist. Beide helfen sich immer wieder bei alltäglichen Dingen, so vergisst der Mann seine Mütze, die ihm seine Frau liebevoll reicht. Hier atmet jede Sekunde der Choreographie wahre Liebe in ihrer schönsten Form. Wenn die beiden schließlich auf der Parkbank Platz nehmen, auf der sich das junge Paar schon zu Beginn kennengelernt hat, und gemeinsam in einen überdimensionalen Sonnenuntergang blicken, dann ist das einfach herzerwärmend. An dieser Stelle ist das Bühnenbild von Udo Hesse besonders hervorzuheben. Angereichert werden die vier Szenen durch eine Tanzgruppe, die fast schon kommentierend ins Geschehen eingreift. Musikalisch begleitet werden die Facetten der Liebe durch verschiedene Klavierstücke von Johannes Brahms, die von André Parfenov in gewohnt kraftvoller Weise am Flügel interpretiert werden.

Facetten der Liebe / © Matthias Stutte

Insgesamt bietet Liebe und Tod einen rund zweistündigen sehens- und hörenswerten Ballettabend, in dem die Tänzerinnen und Tänzer vor allem als homogenes Ensemble vollkommen überzeugen. Auch die thematische Anordnung der drei Werke ist gelungen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Tod im zweiten Akt wird mit einer Reise durch das ganze Leben eingeleitet. Am Ende steht mit dem Bolero noch einmal eine Art „Fest des Lebens“ als solches.

Markus Lamers, 1. November 2024


Liebe und Tod
Ballettabend
von Robert North mit Musik von Johannes Brahms, Franz Schubert und Maurice Ravel

Theater Mönchengladbach

Premiere Mönchengladbach: 22. September 2024
besuchte Vorstellung: 30. Oktober 2024

Choreografie: Robert North

Trailer

Weitere Aufführungen: 24. November / 15. Dezember / 17. Januar