Osnabrück: „Der fliegende Holländer“, Richard Wagner

Lieber Opernfreund-Freund,

große romantische Oper gibt es derzeit in Osnabrück zu erleben – und die Zeichen stehen auf Generationenwechsel. Mit Wagners fliegendem Holländer präsentiert sich eigentlich der neue Generalmusikdirektor Christopher Lichtenstein dem Osnabrücker Publikum. Doch auch der neue Erste Kapellmeister Benjamin Huth, der die gestrige Vorstellung, die ich mir gerne für Sie angesehen habe, leitet, macht seine Sache hervorragend. Jungregisseur Dennis Krauß erzählt die Geschichte als düsteres Märchen und verzaubert dabei das Publikum mit seinen Bildern ebenso, wie das die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne tun.

© Matthias Horn

Die Inspiration für seine Interpretation zieht Dennis Krauß aus dem Werken des Norwegischen Malers Edvard Munch und scheint sich hier vor allem auf dessen Bild Vampir (https://de.wikipedia.org/wiki/Vampir_(Munch)) zu fokussieren. Die Farbgebung in seinem Holländer scheint 1:1 aus diesem Bild entnommen – Daland, Erik und Konsorten kommen in Blau daher, der Holländer in feurigem Rot. Das gibt ihm schon von Beginn an etwas Teuflisches und der niederländische Bass-Bariton Martin-Jan Nijhof, der die Titelpartie als Gast übernimmt, unterstreicht diese Facette mit seinem prachtvoll-verführerischen Gesang, der mächtig über den Graben schallt und doch weit entfernt ist von so manch grobschlächtiger Interpretation der Titelfigur aus Wagners erster Erfolgsoper. Die Drehbühne wird von einer Rampe beherrscht, die mit Licht und Schatten spielt und wie ein Schiff aus dem Trockeneisnebel auftaucht. Die Protagonistinnen und Protagonisten wirken wie von Munch mit grobem Pinselstrich ge- bzw. bemalt und unterstreichen den märchenhaften Ansatz von Krauß. Der hat sich überdies Hilfe vom der israelischen Choreografin Gal Feffermann geholt und lässt das Sängerpersonal genau abgestimmte Bewegungen ausführen. Das scheint bisweilen ein wenig gekünstelt und aufgesetzt – doch genau dieser Effekt ist gewollt und unterstreicht die Wirkung, als habe man gerade in einem Bilderbuch die nächste Seite aufgeschlagen.

© Matthias Horn

Daland wird von Krauß als Prototyp eines Kapitalisten gezeichnet, der das Geschäft seines Lebens wittert und deshalb skrupellos seine Tochter an den Holländer verschachert. Ensemblemitglied Dominic Barberi verleiht ihm mit ausdrucksstarkem Bass Profil, während sich zwei Ensembleneuzugänge beim Osnabrücker Publikum vorstellen: Nadia Steinhardt verströmt als Mary viel Wärme, während Florian Wugk als verträumter Steuermann mit einer feinen Höhe zu überzeugen versteht. Als unglücklicher Erik besticht der südkoreanische Tenor Kwonsoo Jeon mit imposant strahlender Stimme und viel Emotion.

© Matthias Horn

Prima inter pares ist am gestrigen Abend Ensemblemitglied Susann Vent-Wunderlich, die ihre Qualitäten als Stimm-Chamäleon einmal mehr unter Beweis stellt: angefangen von der fast zärtlich vorgetragenen Holländer-Ballade bis hin zum energiegeladenen Treueschwur am Schluss zieht sie alle Register und gestaltet den Holländer-Groupie Senta farbenreich, kraftvoll, mit vollem darstellerischen Einsatz und in jeder Sekunde packend. Im Graben zeigt Benjamin Huth den Holländer nicht als wuchtigen Wagner-Brei, sondern als differenziert austarierte Ballade. Dennoch ist das Gesungene nicht immer verständlich – und das ist bei einer international besetzten Sängerschar auch nachvollziehbar. Da hätte es geholfen, wenn das Osnabrücker Theater dem Publikum eine Übertitelung gegönnt hätte.

© Matthias Horn

Glänzend disponiert zeigt sich der von Sierd Quarre betreute Chor, stimmgewaltig und präzise abgestimmt führen die Damen und Herren zudem die zahlreichen Choreografien aus. Ob es die wirklich gebraucht hätte, um den Regieansatz nachzuvollziehen, lasse ich einmal dahin gestellt – dieser Holländer mit seinen ausdrucksstarken Bildern ist in jedem Fall einen Besuch wert.

Ihr
Jochen Rüth, 9. Oktober 2025


Der fliegende Holländer
Oper von Richard Wagner

Theater Osnabrück

Premiere: 20. September 2025
besuchte Vorstellung: 8. Oktober 2025

Regie: Dennis Krauß
Musikalische Leitung: Benjamin Huth
Osnabrücker Symphonieorchester

Trailer

weitere Vorstellungen: 17. und 21. Oktober, 8. November, 4. und 25. Dezember 2025 sowie am 2., 4., 9. und 17. Januar 2026