Wien: „Nurejew Gala 2016“

Wiener Staatsballett am 26.6.2016

Ein fulminanter Abend der Spitzenklasse

Zum Abschluss der Saison 2015/16 gab das Wiener Staatsballett in der „Nurejew Gala 2016“ wieder einige Leckerbissen zum Besten. Das Publikum bejubelte alle Mitwirkenden nach einem knapp vierstündigen Marathon der Spitzenklasse.

Eröffnet wurde der Abend mit dem Trio odalisques aus Manuel Legris‘ „Le Corsaire“, getanzt von den glänzenden Halbsolistinnen Natascha Mair, Anita Manolova und Prisca Zeisel. In dem darauf folgenden Ausschnitt aus „SENTieri“ von Philippe Kratz bewiesen die Solotänzer Alice Firenze, Eno Peci und Masayu Kimoto Ausdrucksstärke und Geschmeidigkeit, anschliessend folgte das Staatsoperndebüt von Pariser Etoile Mathias Heymann, welcher mit Nurejews „Manfred“ einen sensationellen Start hinlegte, ein grand danseur noble mit Stil, sauberer Technik und Ausdruck!

Als Abschluss des ersten Teils gab es dann „The Four Seasons“ von Jerome Robbins, eine humorvolle Choreographie, welche von den Tänzern Vielseitigkeit abverlangt, so konnte sich der Zuschauer an einem harmonisch-perfekten Corps de Ballet erfreuen, sowie an einer Vielzahl hochkarätiger Solisten, wie die souveräne Nina Tonoli, die liebliche Maria Yakovleva, die grazile Alice Firenze (sowohl im Modernen, als auch im Klassischen eine hervorragende Tänzerin!) und die brillante Liudmila Konovalova, und auch die Herren waren weitaus mehr als „nur“ sichere Partner, allen voran die sprungfreudigen Ersten Solotänzer Denys Cherevychko und Davide Dato, aber auch die eleganten Mihail Sosnovschi, Robert Gabdullin, Greig Matthes und Géraud Wielick.

In Teil Zwei gab es als erstes einen ästhetischen Pas de deux mit den Ersten Solotänzern Nina Polakova und Roman Lazik, ein kongeniales Paar, welches „Distant cries“ von Edwaard Liang mit melancholisch-schönem Ausdruck versahen. Als Gastsolisten traten dann erstmals Hélène Bouchet und Carsten Jung vom Hamburg Ballett in der Choreographie von John Neumeier „Illusionen – wie Schwanensee“ auf, wobei dieser Ausschnitt eher an „Onegin“ erinnert – auch der Schnitt des Kostüms von Bouchet ähnelt dem Kostüm von Tatjana bei der Schlussszene. In George Balanchines „Tarantella“ glänzen der frischgebackene Erste Solotänzer Davide Dato und die Halbsolistin Nikisha Fogo mit einer brillanten Technik und einer gesunden Portion Lässigkeit, dass die anspruchsvolle, konditionsfordernde Choreographie quasi „aus dem Ärmel“ geschüttelt wird.

Wunderschön folgte dann ein Ausschnitt aus „Le Parc“ von Angelin Preljocaj, getanzt von Ballettdirektor Manuel Legris und der Gastsolistin Isabelle Guérin. Äusserst stilvoll, sinnlich und geschmeidig gestalten die Weltstars den Pas de deux, und ernten Szenenapplaus für eine besonders schöne, schwerelose, in einem Kuss verschmelzende Hebefigur. Eine weitere Gastsolistin von der Pariser Oper, Myriam Ould-Braham, tanzte anschliessend mit Mathias Heymann den Pas de deux aus „La fille mal gardée“, wenngleich ihr Ausdruck für die kecke und unbeschwerte Lise während des Pas de deux etwas gar ernst erschien – und gerade diese Saison gab es gleich vier wirklich gute Lises an der Wiener Staatsoper – konnte sie doch zum Holzschuhtanz (köstlich: Andrey Kaydanovsky) etwas mehr Freude vermitteln. Für den stärksten Moment des Abends sorgte allerdings die Erste Solotänzerin Ketevan Papava mit Daniel Proiettos „Cygne“ – eine moderne Fassung des sterbenden Schwans. Es ist faszinierend, wie Papava die schwanenhaften, eleganten port de bras mit dramatischen Zuckungen kombiert, wie ein Schwan, der den Verstand verloren hat.

Als dritten Teil gab es dann den 1. Akt von Legris‘ „Le Corsaire“ und damit schliesst sich der Kreis wieder. Mit Auftrittsapplaus wird Erster Solotänzer Kirill Kourlaev begrüsst, der seine Variation als Lanquedem hervorragend meistert, und nun zum letzten Mal auf der Bühne der Wiener Staatsoper tanzte. Energiebündel Vladimir Shishov gibt den Conrad kraftvoll männlich, und Olga Esina als Médora ist eine Klasse für sich, grazil und strahlend. Technisch sehr sauber, aber darstellerisch etwas zurückhaltend: Kiyoka Hashimoto als Gulnare. Erstmals als Zulméa war die triumphierend-strahlende Ioanna Avraam zu erleben, kongenial mit dem souveränen Masayu Kimoto als Birbanto.

Ein grosses Lob gilt auch dem Corps de Ballet und dem Orchester der Wiener Staatsoper (Dirigat: Valery Ovsianikov) für die Vielseitigkeit und den Facettenreichtum.

Im Anschluss an die Vorstellung gab Manuel Legris gleich neun Avancements bekannt: Natascha Mair, Nina Tonoli und Nikisha Fogo, sowie Jakob Feyferlik sind nun Solotänzer, Laura Nistor, Leonardo Basilio, Francesco Costa, James Stephens und Géraud Wielick wurden zu Halbsolisten ernannt.

Katharina Gebauer 27.6.16

Bilder (c) Ashley Taylor