Köln: „Du bist ja selber schuld daran“

Vorstellung am 15.10.2019

Seltene Kammeropern Offenbachs

Du bist ja selber schuld daran heißt es in dem abschließenden Couplet an das Publikum aus Offenbachs Einakter UN MARI Á LA PORTE, den Regisseur Bruno Berger-Gorski und der Dirigent Hilary Griffith dem erfreuten Publikum im ehemaligen Millowitsch-Theater in Köln darboten. In den an diesem Abend gespielten Ausschnitten aus relativ unbekannten Kammeropern Offenbachs blitzt zwar immer wieder das satirische, gesellschaftskritische Talent des großen Kölner Komponisten auf, aber letztlich dominiert eine versöhnliche Botschaft: Die Unzulänglichkeiten, Eifersüchteleien, Egoismen, der standesmüßige Dünkel und die Schwächen der handelnden Personen sind eben menschlich und daher auch verzeihlich.

Turbulent und sehr menschlich geht es in Offenbachs Einakter Ein Ehemann vor der Tür aus dem Jahr 1859 wahrlich zu. Der Komponist Florian Specht flüchtet vor einem gehörnten Ehemann in schwarzer Diebeskleidung und mit schwarzer Gesichtsmaske in ein fremdes Zimmer, in dem sich die Braut Susanne und ihre Freundin Rosine vor dem Bräutigam verbarrikadiert haben, da dieser sich bei der Hochzeit ungebührlich benommen hat.

Der Bräutigam fleht vergeblich um Einlass, die beiden Damen werden durch den Eindringling zutiefst erschreckt, der Zimmerschlüssel wird aus dem Fenster geworfen, es kommt zu weiteren Turbulenzen und Aufgeregtheiten, aber schließlich endet das Verwirrspiel friedlich und harmonisch. Die beiden Damen greifen zu einer Notlüge: der Eindringling sei der Freund Rosines. Offenbach hat diese abenteuerliche Handlung, die in manchem an Mozarts Figaro erinnert, musikalisch süffig, elegant und virtuos umgesetzt. Den musikalisch anspruchsvollsten Part hat Offenbach dabei der Rosine zugeschrieben. Manchmal fühlt man sich als Hörer bereits an die Melodien der Olympia aus Hoffmanns Erzählungen erinnert.

Die israelische Sopranistin Reut Riwa perlte die halsbrecherischen Koloraturen wie an der Schnur gezogen herunter und erntete auch für ihre schauspielerische Performance den donnernden Applaus des Publikums. Die Mezzosopranistin Anna Lautwein als Susanne, der junge Tenor Ilja Aksionow als Florian sowie der Bassbariton Ben Hewat Craw als Bräutigam schlugen sich als ihre stimmschönen, agilen Mitstreiter bestens. Auch die Arie der Corilla aus Vert-Vert (1869) bewältigte Reut Rivka bravourös.

Begonnen hatte der Abend mit der Zahnschmerzarie aus Offenbachs Opéra-bouffe LA PRINCESSE DE TRÉBIZONE, die 1869 in Baden-Baden uraufgeführt wurde und die kein Geringerer als Karl Kraus als beste Offenbachiade überhaupt betrachtete. In dieser Arie täuscht Prinz Raphael Zahnschmerzen vor, um an der Jagd seines Vaters Casimir nicht teilnehmen zu müssen. Stattdessen will er die Gelegenheit nutzen, seine nicht standesgemäße und daher vom Vater abgelehnte Geliebte, die Schaustellerin Zanetta, zu treffen.

Der Kölner Kabarettist

Konrad Beikircher spielte und sang diese Bravourarie mit Zwerchfell erschütternder Komik und wurde dafür zu Recht mit Ovationen der enthusiasmierten Besucher belohnt. Ein besonderes Lob verdient hier allerdings auch Regisseur Berger-Gorski, der immer wieder mit lustigen und humorvollen Einfällen das schauspielerische Talent der Akteure herauskitzelte.

PÉPITO (Das Mädchen von Elizondo) feierte am 28.10.1853 seine Premiere im Théatre des Variétés in Paris, nachdem Offenbach den Sommer 1853 in seiner Geburtsstadt Köln verbracht hatte. Offenbach wollte unbedingt als Bühnenkomponist anerkannt werden, nachdem er sich zuvor vor allem als Cellist einen Namen gemacht hatte. Berger-Gorski stellte diese Opéra comique ins Zentrum des ersten Teils dieses launigen Opernabends und man konnte verstehen, warum dieses Stück nach 1856 zum festen Repertoire im Théatre des Bouffes-Parisiens gehörte.

Die Handlung ist so simpel wie eingängig. Die hübsche Manuelita (Katharina Diegritz) wartet auf die Rückkehr des in den Krieg ausgezogenen Pépito. Sie spart sich Geld vom Munde ab, um den Geliebten frei zu kaufen. Von dem älteren Wirt Vertigo (Thomas Kildisius) wird sie bedrängt, sie weist ihn aber ab. Auch der Jugendfreund Miguel (Ilja Aksionov) muss die Treue Manuelitas zu ihrem Geliebten anerkennen. Dann kommt alles doch ganz anders. Pépito schickt einen Brief an seinen Freund Miguel, aus dem hervorgeht, dass er eine andere Frau geheiratet hat. Dadurch steht der Liebe zwischen Manuelita und Miguel nichts mehr im Wege.

Musikalisch parodiert Offenbach in dieser Kurzoper z.B. Rossini, wenn sich Vertigo in seiner Buffoarie in Anlehnung an den Barbier von Sevilla als Faktotum vorstellt, der auf allen Klavieren zu spielen in der Lage ist. Auch Don Giovannis Serenade aus Mozarts gleichnamiger Oper findet in Pépito seine Entsprechung. Gesungen und musiziert wurde mit großem Engagement, gespielt und getanzt wurde mit Verve und vollem Einsatz. Waren in ein Ehemann vor der Tür kölsche Töne zu vernehmen, so durfte Manuelita in diesem Stück bayrischen Dialekt sprechen.

Derartige Aktualisierungen und lokale Verortungen kamen beim Publikum gut an und erzeugten viele Lacher, blieben aber doch insgesamt ein wenig hinter dem übrigen Niveau der Inszenierung zurück.

Hilary Griffiths und seine sieben Mitstreiterinnen und Mitstreiter im kleinen, aber feinen Orchester trugen ganz wesentlich zum musikalischen Erfolg des kurzweiligen Abends bei. Bruno Berger-Gorski, der schon an vielen bedeutenden Opernhäusern als Regisseur gearbeitet hat, gebührt ein besonderer Dank dafür, dass er im Offenbachjahr 2019 vier fast vergessene Offenbach-Pretiosen wieder zum Leben erweckt hat. Die Besucherinnen und Besuchern in der Volksbühne am Rudolfplatz sparten denn auch nicht mit großem Beifall und vielen Bravos für alle Akteure auf und hinter der Bühne und dankten allen Mitwirkenden für diesen gelungenen Abend mit selten gespielten Kammeropern Offenbachs. Großer Dank an die Kunststiftung Düsseldorf und diverse privater Sponsoren; nur durch sie konnte diese tolle Aufführung gestern zum Offenbach-Jahr in Köln realisiert werden.

Norbert Pabelick, 16.10.2019

Bilder (c) Der Opernfreund / BG

Foto Hilary Griffith (c) Eutiner Festspiele

Foto Konrad Beikircher (c) Beikircher.de

© Raimond Spekking / Wiki
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