Bad Wildbad: Tebaldo ed Isolina

Sächsische Version der Romeo&Julia-Thematik mit glücklichem Ausgang

Neben zwei Produktionen von Rossini-Opern bringt das Belcanto Festival in Bad Wildbad auch immer eine wenig bekannte Oper eines anderen Komponisten aus der Belcanto-Zeit zur Aufführung. In diesem Jahr war das die Oper Tebaldo ed Isolina von Francesco Morlacchi in konzertanter Form. Morlacchi war in der zweiten Hälfte seines Lebens ab 1811 als Hofkapellmeister der Italienischen Oper in Dresden angestellt und kam somit auch in engen Kontakt zum dortigen Musikleben. Stete Reibereien mit Weber werden ihm nachgesagt. War es seine zweite, die sächsische Heimat, die ihn einen Stoff aus Sachsen zu einer Oper bearbeiten ließ (Libretto Gaetano ossi), die allerdings 1822 am Teatro la Fenice in Venedig uraufgeführt wurde? Erst eine zweite, stark veränderte Fassung kam 1825 am Hoftheater in Dresden auf die Bühne. Morlacchi hat in seiner Zeit beliebte ernste und heitere Stoffe vertont; u.a. auch einen Barbier von Sevilla, der 1816 in Dresden uraufgeführt wurde (zeitgleich mit Rossinis Barbier) oder den mittelalterlichen Stoff Corradino. In Deutschland sollte er schließlich mehr Lebensjahre verbringen als in Italien.

Morlacchi wurde in Italien ausgebildet. Seine biographischen Daten liegen am Ende einer Epoche, in welcher zwar noch in ganz Europa die italienische Musik und Oper vorherrschte (so eben auch in Dresden oder Berlin), aber aus der selbst sich mit ganz wenigen Ausnahmen so gut wie keine italienischen Opern im modernen Repertoire gehalten haben. Erst mit dem um acht Jahre jüngeren Rossini hat Italien wieder einen Komponisten hervorgebracht, der die Opernbühnen bis heute maßgeblich belebt. Tebaldo und Isolina war die einzige international erfolgreiche Oper von Morlacchi; ihr von Heinrich August Marschner erstellter Klavierauszug wurde gedruckt.

Handlung: Zwei Familien, die Altenburgs und die Trombergs lebten in langer Fehde, hatten aber, um sich zu versöhnen, ihre Kinder Tebald und Iselin miteinander verlobt. Aber ein Tromberg ließ mit einem neuen Mord den ganzen Hass wieder aufbrechen. Kampf und Totschlag gingen weiter. In der handlungsreichen, ebenso blutigen wie verworrenen Geschichte steht Tebald von Altenburg in einer zentralen Konfliktsituation zwischen der Liebe zu Iselin von Tromberg und der Treue zu seinem rachsüchtigen Vater Boermunt. Iselins Vater Hermann von Tromberg erkennt die Zusammenhänge erst sehr spät. Aber getrieben insbesondere von Iselins Liebe und Vergebung kommt die Geschichte zu einem glücklichen Ende. Als Nebenfiguren kommen noch Gerold, Bruder Iselins vor und Klementia aus dem Hause der Trombergs.

Antonino Fogliani (musik. Leitung)

Foto: Belcanto Festival

Melodramma romantico heißt das (mit einer Pause) gut über dreistündige Werk. Morlacchis Stil wurzelt noch stark in der Klassik, weist aber immer wieder auch Stilelemente auf, die denen Rossinis ähnlich sind – vor allen in den Nummern-Enden. Etwa wie Simon Mayr ein Bindeglied zwischen Klassik und Belcanto-Klassizismus. Bei Morlacchi sind auch sinfonische Elemente deutscher Frühromantik durchhörbar, und er muss Webers Musik gekannt haben.

Die Virtuosi Brunensis unter Antonino Fogliani spielten in großer Besetzung und blätterten die farbenreiche, sorgfältig gearbeitete Partitur mit den vielen Schattierungen vom Klassizismus bis zu romantischen Anklängen überzeugend vor dem Publikum auf, was nicht heißt, dass die Musik teilweise mehr handwerklich als inspiriert klingt. Sehr schön wurden die vielen Soli vorgetragen: vom hohen Cello-Einsatz bis zu den Holzbläsern und einer vom Duo Harfe und Flöte begleiteten zarten Romanze des Tebaldo. – Wie auch an den anderen Abenden bewies der von Ania Michalak einstudierte Chor, die Camerata Bach Posen von vorzüglicher Präzision und klanglicher Qualität. Sicher war es erholsam für die potenten Berufschoristen, dass sie sich in der letzten Vorstellung des Festivals ganz aufs Singen konzentrieren konnten. Wie später typisch für Verdi steigert auch schon Morlacchi in einigen Passagen die dramatische Wirkung des Chores durch unisono-Satz.

Von links: Gheorghe Vad (Geroldo); Anicio Zorzi Giustiniani (Boemondo d’Altemburgo); Raúl Baglietto (Ermanno di Tromberga); Sandra Pastrana (Isolina); Laura Polverelli (Tebaldo); Annalisa d’Agosto (Clemenza)

Drei der solistischen Hauptollen waren prächtig besetzt. Tebaldo, für den Morlacchi in der ersten Fassung noch einen Kastraten vorgesehen hatte, war bereits in der Dresdner Fassung durch eine Mezzosopranistin ersetzt worden. In Bad Wildbad legte Laura Polverelli die sehr virtuose Rolle überwiegend jugendlich-dramatisch an und kam zu sehr schönen kraftvollen Gesangslinien in der Höhe. Sandra Pastrana gab mit hellem lyrischen Sopran die Isolina. Bei ihren accompagnati hätte ihre Stimme besser fokussiert sein können; ihre Spitzentöne traute sie sich nicht ganz frei zu und schleifte sie an. Mit ihrem Facettenreichtum und Nuancierungsfähigkeit im Gesang zeichnete sie sich hingegen in dieser Rolle aus, in der sie ihre silbrige Stimme sowohl innig als auch dramatisch einsetzen konnte. Ihre Bravour-Arie gelang ihr virtuos. Sehr eindrucksvoll und bewegend duettierten die beiden Damen. Eine reizvolle Besetzung für Boemondo d’Altenburgo stellte Anicio Zorzi Giustiniani dar, dessen baritonaler Tenor sehr interessant gefärbte Höhen hervorbrachte und der andrerseits mit kräftiger dunkler Mittallage singen konnte und beste Textverständlichkeit entwickelte. Deutlich schwächer stellte sich der Bassist Raúl Baglietto als Ermanno di Tromberga vor, dessen Stimme nicht frei strömte. halsig klang und zudem Schwächen in den Höhen aufwies. Ansprechend waren hingegen die beiden kleinen Rollen von Geroldo mit dem feinen lyrischen Tenor von Gheorghe Vlad und der Clemenza mit dem soliden Sopran von Annalisa d’Agosto besetzt.

Fazit: eine klamottige Rittergeschichte als ein durchaus eigenständiges Werk, das es von Handlung und Musik durchaus mit den ganz frühen Verdi-Opern aufnehmen kann, von denen er auch einige stereotypische Wedunngen vorausahnen lässt.. Die Aufführung wurde von SWR 2 für eine spätere Ausstrahlung aufgezeichnet und soll nächstes Jahr als CD herauskommen.

Manfred Langer, 28.07.2014