Essen: „Knockin’ on Heaven’s Door“

Folgwang Studenten überzeugen mit Musical-Tryout am 22.6.2018

Im Jahr 1997 gelang Regisseur Thomas Jahn mit Knockin‘ on Heaven’s Door ein von Publikum und Preisjurys gleichermaßen gut angenommener Kinofilm. Til Schweiger, Jan Josef Liefers, Moritz Bleibtreu und andere unterhielten nicht nur über 3,7 Millionen Kinobesucher, der Film gewann auch den deutschen Filmpreis, die Goldene Leinwand und einige andere Preise mehr. Gut 20 Jahre später erblickt nun eine Musicalversion das Licht der Welt. Der Studiengang Musical an der Essener Folkwang Universität der Künste präsentiert in lieber Gewohnheit zum Ende jedes Abschlussjahrgangs eine große Ensemble-Produktion, die zuletzt immer wieder die hohe Qualität des Hauses bestätigten.

In diesem Jahr hat man sich in einer Try-Out Premiere in Zusammenarbeit mit dem Häbse-Theater in Basel dem Stoff aus eben jenem Film gewidmet. Hierbei geht es um die beiden tödlich erkrankten Martin Brest und Rudi Wurlitzer, die sich im Krankenhaus kennenlernen nachdem sie erfahren haben, dass Sie beide nur noch wenige Tage zu leben haben. Nach dem Konsum einer Flasche Tequila auf der „Abnippelstation“ überzeugt der etwas stürmische Martin Brest den doch eher in sich geehrten Rudi Wurlitzer, dass er vor seinem Tod unbedingt nochmal das Meer sehen muss, da Rudi noch nie dort war und man sich im Himmel ständig davon erzählt, wie schön es am Meer sei. Sollten Sie nun also nicht zusammen aufbrechen, könne er später im Himmel gar nicht mitreden. Gesagt, getan. Also klauen die beiden kurzerhand ausgerechnet den Wagen der etwas tölpeligen Kleinganoven Henk und Abdul. Damit nicht genug, in diesem Wagen befindet sich eine Million Euro, die Gangsterboss Frankie (im Musical im Gegensatz zum Film als Damenrolle angelegt) im Kofferraum deponiert hatte. Es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd, in der sich auch noch die Polizei einschaltet. Doch egal welche Hindernisse sich auch ergeben, Rudi und Martin wollen ans Meer und die Zeit läuft unerbittlich.

Die Musik und die Songs des Musicals stammen von Echo-Gewinner Alex Geringas, der u. a. schon für Kelly Clarkson und Christina Stürmer komponierte und Joachim Schlüter der mit Liedern für Echt und Ina Müller ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt ist. Es verwundert daher auch nicht, dass die deutschsprachigen Lieder sehr pop-lastig daherkommen, was sich für dieses Stück sehr anbietet. Zwar bleibt kein Lied als echter Ohrwurm im Kopf, doch das Gesamtprodukt ist sehr stimmig. Insbesondere das Lied „Bleib locker“ zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk. Das Buch stammt aus der Feder von Grimme-Preisträger Chris Silber (u. a. auch Goodbye Lenin) und Gil Mehmert, letzterer führt auch als langjähriger Professor im Studiengang Musical an der Folkwang Universität der Künste die Regie bei dieser Musical-Adaption. Hierbei zeigt er einmal mehr, wie man aus sehr, sehr wenigen Requisiten und sehr begrenzten Möglichkeiten ganz großes Theater machen kann. Dazu braucht es nicht viel mehr als eine kleine Leinwand, ein paar Hocker und ein hervorragend ausgebildetes Darsteller- Ensemble. So kommt das Bühnenbild von Britta Tönne mit eben diesen wenigen Requisiten gut aus. Stattdessen übernehmen drei Darstellerinnen den Part des Fluchtautos, was zudem auch Spielraum für einige sehr nette Choreographien von Yara Hassan lässt. Netter Nebeneffekt, die Darstellerinnen werden immer wieder als Background-Stimmen eingesetzt.

Wie üblich übernehmen die künftigen Absolventen die Hauptrollen im Stück, ergänzt durch die Studierenden des 3. Jahrgangs. Florian Minnerop (Martin Brest) und Tomas Stitilis (Rudi Wurlitzer) verkörpern die beiden Todgeweihten mit viel Einfühlungsvermögen in die Rollen, gesanglich zudem sehr stark. Highlight der Produktion vielleicht die Szene, in der Martin einen Anfall erleidet und der ansonsten doch eher in sich gewandte Rudi eine Apotheke überfällt um die notwendigen Medikamente zu besorgen. Eindrucksvoll dargeboten und bleibende Erinnerung bei diesem Stück. Pascal Cremer verleiht dem Gangster Henk einen sympathischen niederländischen Akzent und Alejandro Nicolás Firlei Fernández aus dem dritten Lehrjahr hat als geistig nicht so sehr gut ausgestatteter Abdul die meisten Lacher des Abends auf seiner Seite. Wie bereits eingangs erwähnt wurde aus dem Gangsterboss Frankie nun Francesca, die mit Ihrem Samurai-Schwert gleich zu Beginn den Ex-Boss der beiden Kleinganoven umbringt und sich auch sonst nicht zimperlich zeigt. Umso mehr bleibt als einer der wenigen Kritikpunkte am Musical, die doch allzu schnell gehende Wandlung des Charakters zum Ende hin, das wirkte dann doch etwas arg konstruiert. Dafür sticht Charlotte Katzer in dieser Rolle gesanglich heraus, hat sie mit „Das kann nur der Himmel sein“ aber auch einen sehr schönen Song zu interpretieren. Ester Conter hat von den Absolventen die undankbarste Aufgabe bekommen. Die Rolle des Maitre in einem französischen Restaurant ist leider relativ beliebig und vielleicht auch die überflüssigste Szene im gesamten Stück, auch der Song „Menue de Reve“ ist leider der musikalische Tiefpunkt des Werkes. Zum Glück darf sie dann später in der Rolle der Mutter von Martin mit „Weißt du noch“ zeigen, dass der schwache erste Auftritt absolut nicht an Ihr lag, sondern der Rolle und dem Buch geschuldet war. Auch die weiteren 5 Studierenden des 3. Jahrgangs spielten überzeugend, namentlich waren dies Lara Hofmann, Jessica Trocha, Aline Bucher, Nico Hartwig und Florian Sigmund.

Die Band unter der Leitung von Rupert Schnitzler spielt die Songs souverän und poppig. Hier haben im Vorfeld auch Patricia Martin (Musikalische Leitung) und Jürgen Grimm (Musical Supervisor) gute Arbeit abgeliefert. Alles in allem zeigte dieser Abend erneut, dass man bei Veranstaltungen an der Folkwang Universität der Künste immer wieder hervorragende Arbeiten zu sehen bekommt, deren Besuch sich auch in anderen Bereichen immer wieder lohnt. Hierfür nimmt man dann eben auch mal die wirklich viel zu enge Bestuhlung im kleinen Pina Bausch Theater gerne in Kauf.

Markus Lamers, 24.06.2018

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