Essen: „Goethe – Auf Liebe und Tod“

Brandneues interessantes Musical

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Die Folkwang Universität der Künste feiert im Jahr 2017 ihr 90jähriges Bestehen. Ein ganz besonderes Highlight im Festprogramm ist aktuell eine Tryout-Premiere des neuen Musicals „Goethe! – Auf Leben und Tod“ in Zusammenarbeit mit Stage Entertainment und Senator Film/Warner Bros. Das Musical basiert lose auf dem erfolgreichen Kinofilm über die Jugendjahre des großen deutschen Dichters aus dem Jahre 2010 und erzählt die Geschichte von Johann Wolfgang Goethe, der von seinem Vater zum Studium der Rechtswissenschaften nach Wetzlar geschickt wird und sich dort in die junge Charlotte Buff verliebt. Hierbei steht im allerdings sein Vorgesetzter Kestner im Wege, der ebenfalls ein Auge auf Lotte geworfen hat und auch vor einer üblen Intrige nicht zurück schreckt um seinen Nebenbuhler loszuwerden.

Die unglückliche Liebesgeschichte, sowie den Freitod seines Freundes Wilhelm Jerusalem verarbeitet Goethe schließlich in „Die Leiden des jungen Werthers“. Hierbei mischt das Musical geschickt historische Fakten, Auszüge aus besagtem Briefroman und reine Fiktion zu einem kurzweiligen Abend, der unterhält und den Zuschauer gleichzeitig mitnimmt auf eine Reise in Goethes Jugendjahre. Diese ist historisch betrachtet sicherlich nicht immer ganz korrekt, aber wie heißt es im Werk so schön auf die Frage des Verlegers ob das Werther-Manuskript tatsächlich der Wahrheit entspräche: „Es ist mehr als Wahrheit, es ist Dichtung.“

Entstanden ist dieses Musical während der Umsetzung zu „Das Wunder von Bern“ in Hamburg vom nahezu identischen Kreativteam. Auf der Suche nach neuen Stoffen für die große Musicalbühne wurde zu Recht, das Leben des wohl bekanntesten deutschen Dichters als sehr geeignet angesehen. Unter anderem durch Umstrukturierungen im Hause Stage Entertainment verschwand das Werk dann in der Schublade, wo es nun wieder herausgeholt wurde, um es erstmals dem Publikum zu präsentieren. Wie auch beim Wunder schrieb Martin Lingnau die Musik, die vielleicht sogar zu seinem besten Werk wurde. Die Musik orientiert sich durchaus an aktueller Popmusik, liefert aber des Öfteren große und großartige Klangbögen. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang „Es lebe das Leben“, vielleicht ein Kandidat für den besten neuen Musicalsong der letzten Jahre. Sehr stark auch „Carpe Diem“ bei dem das Ensemble erneut gut zur Geltung kommt oder das Duett „Die Leiden des jungen Werther“ zwischen Goethe und Lotte. Einziges Manko vielleicht, ein echter Ohrwurmsong will nicht so recht hängen bleiben, aber vielleicht muss dies ja auch gar nicht sein.

Die Liedtexte stammen von Frank Ramond, Buch und Regie übernahm Gil Mehmert, der an der Folkwang auch als Professor im Studiengang Musial lehrt und hier erneut beweist, warum er zu den besten Regisseuren im Musicalbereich zählt. Besonders der zweite Akt liefert eindrucksvolle Bilder auf der recht kleinen Bühne in der Neuen Aula der Universität. Wie sagte Mehmert so treffend in einer kurzen Ansprache vor der Premiere, man habe das Werk mit den bescheidenen Mitteln die der Folkwang zur Verfügung stehen auf die Bühne gebracht, diese aber unter großem Einsatz bis an Ihre Grenzen komplett ausgereizt. Szenen wie das überdimensionale Brautkleid von Lotte, auf dem der Text des Werther projiziert wird, während Goethe das Werk in einer anderen Ecke der Bühne schreibt oder die Verführung durch Mephisto in „Welcome to the Show“ zeigen welches riesige Potential in dem Stück schlummert (Ausstattung: Eva-Maria van Acker / Maria Wolgast).

Sehr gelungen auch das Finale des 1. Aktes bei dem im Titel „Jagt auf das Reh“ zwischen der Wildjagt und das Werben um die Angebetete geschickte Parallelen gezogen werden. Sehr schön auch die Klammer um das Gesamtwerk, welche Anfang und Ende des Stückes verbindet. So beginnt das Musical mit Lotte, die einem Verleger das Manuskript der „Leiden des jungen Werthers“ anbietet, gefolgt von der Ensemblenummer „Goethe?“ wo die Frage aufgeworfen wird wer überhaupt dieser Herr Goethe ist. Im Verlauf der folgenden 2 ½ Stunden nimmt die bereits eingangs erwähnte Handlung ihren Lauf, bevor am Ende das Ensemble mit „Goethe!“ den ersten großen Erfolg des Dichters feiert, die Veröffentlichung eben jenes Briefromans.

Auf der Bühne stehen nahezu alle Studierenden des Studiengangs Musical der Universität, ergänzt um einige etablierte Musicaldarsteller. Gleichzeitig ist „Goethe! – Auf Liebe und Tod“ auch die Abschlusspräsentation des aktuellen Jahrgangs. Bleibenden Eindruck hinterlassen auf jeden Fall Florian Minnerop als Wilhelm Jerusalem, Anneke Brunekreeft als Margarethe, Marvin Schütt als Kestner und Sarah Wilken als Anne. Lina Gerlitz hatte bei der Premiere eine eher kleinere Rolle, steht allerdings in weiteren Vorstellungen auch als Lotte auf der Bühne. Auch die weiteren Darsteller beweisen einmal mehr, dass man sich um talentierten Nachwuchs keine Sorgen machen muss.

Als Goethe brilliert der erfahrene Musicaldarsteller Phillip Büttner und Sabrina Weckerlin beweist mit ihrer unverwechselbaren Stimme einmal mehr, dass sie mit den richtigen Liedern Gänsehautmomente wie kaum eine andere Darstellerin erzeugen kann. Als weitere namhafte Gäste konnten Daniel Berger und

Mark Weigel als die jeweiligen Väter der Hauptdarsteller gewonnen werden.

Studierende des Jazz und der Instrumentalausbildung sorgten unter der musikalischen Leitung von Patricia Martin für einen tollen Klang bei der ersten öffentlichen Vorführung des Werkes. Es bleibt zu hoffen, dass diese Aufführung ein weiterer Schritt war, das Werk entsprechend weiter zu entwickeln, denn hier könnte in Essen ein ganz großer Musicalhit das Licht der Welt erblickt haben. Potential für große Bühnen ist hier zweifelsfrei gegeben. In Essen ist das Stück noch bis zum 20. April 2017 zu sehen, Den Abschluss des Folkwang-Festjahres bildet Anfang Dezember im Übrigen die Aufführung von Purcell´s „The Fairy Queen“, einen Termin den sich alle Opernfreunde durchaus ebenfalls merken sollten.

Markus Lamers, 05.04.2017

Fotos © Elsa Wehmeier