Gent: „Das Wunder der Heliane“, Erich Wolfgang Korngold

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Während Korngolds „Tote Stadt“ mittlerweile zum festen Repertoire der Opernhäuser gehört, hat es das sieben Jahre später entstandene „Wunder der Heliane“ wesentlich schwieriger. Gerade vier Inszenierungen hat diese Oper nach dem 2. Weltkrieg bisher erlebt. Da ist es erfreulich, dass die Vlaamse Oper diese Rarität auf den Spielplan setzt und auch auf den Prüfstand stellt.

Gleich vorweg: Diese Oper ist nicht durch die Nazis von den deutschen Spielplänen verschwunden. Nach der Hamburger Uraufführung am 7. Oktober 1927, folgten in der gleichen Saison noch neun weitere Inszenierungen. Ab der Spielzeit 1928/29 gab es dann aber keine weiteren Neu-Inszenierungen. Die Ursachen für das Verschwinden des Werkes von den Spielplänen müssen also im Stück begründet liegen.

Die Handlung ist symbolistisch überfrachtet und fast nur mit namenlosen Figuren bevölkert: Ein Fremder wiegelt das Volk gegen den Herrscher auf und wird deswegen inhaftiert. Er wird zum Tode verurteilt, doch als Heliane, die Frau des Herrschers, ihn im Gefängnis besucht, verlieben sich die beiden ineinander. Dafür wird Heliane der Prozess gemacht, in deren Verlauf sich der Fremde selbst tötet. Schließlich erweckt Heliane ihn durch ihre Liebe wieder zum Leben und stürzt so die Macht des Herrschers.

Die „Heliane“-Musik ist wesentlich sperriger als die zur „Toten Stadt“. Echte Ohrwürmer oder musikalische Identifikationspunkte stellen sich hier kaum ein, obwohl Alexander Joel den Abend am Pult des Symfonisch Orkest Opera Vlaanderen farbenprächtig, schattierungsreich und sängerfreundlich leitet. Den ersten Gastdirigenten des Hauses kennt man in Deutschland als Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein, als Brauschweiger Generalmusikdirektor und Dirigent des aktuellen Wiesbadener „Nibelungen-Rings“. Dank solcher Aufführungen wie dem hervorragenden „Heliane“-Dirigat qualifiziert sich Alexander Joel mittlerweile auch für Chefposten an den ganz großen Häusern.

Die Inszenierung von David Bösch versetzt das Stück in eine postapokalyptische Landschaft, die ihm von Christof Hetzer entworfen wurde und die an „Mad Max“ erinnert. Der Herrscher ist hier ein Wüsten-Warlord, der ein Volk von Vertrahlten und Mutanten beherrscht. Richtig glaubhaft wird die symbolistische Geschichte mit ihrem Kampf um Liebe und Herrschaft in diesem Szenario aber nicht. Man muss es ganz klar sagen: David Bösch, von dem in Frankfurt zur Zeit auch Verdis „Trovatore“ zu sehen ist, hat weder als Opern- noch als Schauspielregisseur zu der funkensprühenden Kreativität zurückgefunden, die seine Inszenierungen für das Schauspiel Essen zwischen 2005 und 2010 auszeichneten.

Die Heliane wird von Ausrine Stundyte gesungen, die sich in den letzten Jahren besonders in den Arbeiten Calixto Bieitos hervorgetan hat. Wie alle Akteure ist sie eine intensive Darstellerin, die sich der Regie bedingungslos ausliefert. Mit hellem und dramatischem Sopran singt sie eine intensive Heliane. In der Höhe verliert die Stimme aber an Substanz. An der Darstellung der Figur ist ungewöhnlich, dass Heliane hier keine strahlende Schönheit ist, sondern ebenso heruntergekommen ist, wie die anderen Figuren. Diese Heliane hat fettig-zersaustes Haar und trägt einen schäbigen Mantel.

Die Erlöser-Figur des Fremden singt Ian Storey mit kräftigem Tenor, der jedoch zu sehr im Dauer-Mezzoforte bleibt, ohne die Partie genauer zu differenzieren. Optisch definiert die Regie den fremden vor allem über sein verschwitztes Unterhemd.

Sängerisch und darstellerisch ist Tomas Tomasson als der Herrscher die stärkste Figur. Mit raumgreifendem Organ singt der isländische Helden-Bassbariton ein brutales, aber differenziertes Bild dieser Persönlichkeit. Das Regieteam macht ihn zum glatzköpfigen Gewaltmenschen, der gern zur Pumpgun greift.

Nach dieser Aufführung fragt man sich, warum sich die Vlaamse Opera nicht für Korngolds „Violanta“ entschieden hat. Die wird auch selten gespielt, ist musikalisch und inhaltlich aber ungleich packender. Die nächste Bewährungsprobe für „Das Wunder der Heliane“ ist aber schon in Arbeit. Christof Loy wird das Stück im März 2018 an der Deutschen Oper Berlin inszenieren. Am Pult steht dann Marc Albrecht.

Rudolf Hermes 7.10.2017

© Annemie Augustijns

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David Boesch und einige Künstler sprechen über diese Produktion

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Promospot der Opera Vlaanderen

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