Gent: „Sadko“, Nikolaj Rimsky-Korsakov

Begegnet man den Opern Nikolaj Rimsky-Korsakovs auf der Opernbühne, ist man immer erstaunt, dass Stücke mit solch einer starken Musik in Mitteleuropa ein Schattendasein fristen. So ist es auch beim „Sadko“, der jetzt an der flämischen Oper in Gent als Koproduktion mit der Oper Bratislava herauskam.

Ein Hindernis bei der Verbreitung dieser Opern sind die Libretti, die meist auf russischen Märchen und Sagen beruhen, die dem hiesigen Publikum nicht bekannt sind und über die Regie irgendwie vermittelt werden müssen. In „Sadko“ geht es um einen singenden Kaufmann gleichen Namens, der auf den wirtschaftlichen Aufstieg Nowgorods hofft, von der Öffentlichkeit aber nur verlacht wird. Er erträumt oder erlebt einen Ausflug in die Nixenwelt, wo er mit der Wolchowa, der Tochter des Meer-Zaren anbandelt, obwohl er mit Ljubawa verheiratet ist.

Dank der Hilfe Wolchowas fängt er drei goldene Fische, was sein Ansehen sofort wachsen lässt. Daraufhin rüstet er eine Flotte aus und fährt zwölf Jahre zu See, bis er Wolchowa wieder begegnet, die sich schließlich nach dem Abschied von Sadko in einen Fluss verwandelt, der durch Nowgorod fließt und den Aufstieg der Stadt garantiert.

Regisseur Daniel Kramer versucht die Geschichte in die Gegenwart zu verlegen: Sadko ist bei ihm ein Schnulzensänger, der auf den Feiern der IHK-Nowgorod aufritt und sich dann in eine Phantasiewelt träumt. Das Übergreifen der phantastischen Elemente, wie der Fang der goldenen Fische (hier ein goldener Handschuh) und der finale Flussanschluss Nowgorods machen eine klare Trennung zwischen Traum und Realität aber sehr schwierig, so dass man sich fragt, ob man diese Oper überhaupt abseits vom Märchen erzählen kann.

So nachvollziehbar der Ansatz der Regie ist, so problematisch ist das Bühnenbild von Annette Murschetz. Spielfläche ist nur ein mit Erde bedecktes Rechteck, das an Pina Bausch Version von „Sacre du printemps“ erinnert. Darüber schwebt eine Video-Projektionsfläche. In den Stadtszenen wird der Zuschauer mit einer Fülle an TV-Müll wie „Tom und Jerry“, Fußball und Kriegsbildern bombardiert, um die kaptalistische Ausrichtung der Bevölkerung zu unterstreichen. Dabei hätte man den Videoeinsatz besser nutzen können, um die Szenen stimmungsvoll geographisch zu verorten. Dies gelingt immerhin in den Nixenszenen, die unter großen Mondbildern spielen.

Insgesamt bietet das Stück aber viele Möglichkeiten, um über das Verhältnis von Männern und Frauen oder den Mensch und die Natur nachzudenken, so dass diese Oper für jeden Regisseur eine spannende Herausforderung darstellt. Man kann nur hoffen, dass andere Theater sich auch am „Sadko“ versuchen, denn die Musik ist großartig. Rimsky-Korsakov schreibt schwelgende Natur- und Wassermusiken, die vom Symfonisch Orkest der Opera Vlaanderen unter Dmitri Jurowski mit leuchtenden Farben musiziert werden. Der Gesangspartien strotzen ebenso wie das Orchester vor großartigen Melodien. Die Volkschöre werden vor allem vom Herrenchor der Opera Vlaanderen mit viel Energie geschmettert. Der Damenchor darf als Nixen fast impressionistisch-zarte Töne beisteuern (Chorleitung: Jan Schweiger).

Auch wenn das Regiekonzept insgesamt nicht aufgeht, wird es von den Sängerdarstellern mit viel Energie umgesetzt: Zurab Zurabishvili singt die Titelrolle mit schönem und kraftvollem Tenor. Als Nixe Wolchova glänzt Betsy Horne mit leuchtenden Melodiebögen. Sadkos Ehefrau Ljubawa wird von Victoria Yarovaya mit vollem und weich strömendem Mezzo gesungen. Mit großer Mezzo-Röhre schmettert Raehann Bryce-Davies den Nezjata, eigentlich ein Volksmusikant, der hier zur souligen Nachtklubsängerin wird. Sehr luxuriös sind auch die drei Kaufleute, die im vierten Bild von ihren Heimatländern schwärmen, mit Bass Tijl Faveyts, Tenor Adam Smith und Bariton Pavel Yankovski besetzt.

Während die musikalische Umsetzung fast keine Wünsche offen lässt, bleibt die Regie unter den Möglichkeiten des Werkes. Wer sich selbst ein Bild machen will: Der Genter „Sadko“ ist ab dem 2. Juli 2017 bei www.theoperaplatform/eu zu sehen. Ab Januar 2018 wird die Produktion in Bratislava gespielt.

Rudolf Hermes 26.6.2017

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