Wien: „Così fan tutte“

Theater und Opernhäusern machen ihre Konzepte und fragen die Kritiker nicht, was sie davon halten. Offenbar findet das Theater an der Wien nicht, dass es klug wäre, an der Kammeroper kleine, selten gespielte Werke, ob alt, ob neu, zu zeigen (die Opernliteratur ist voll davon) – da gäbe es viel zu entdecken. Statt dessen nudelt man nun schon Jahr für Jahr klassische Werke der Opernliteratur herunter, die meist im Spielplan der Staatsoper stehen, und bringt mit dem „jungen Ensemble“ manchmal regelrechten Regie-Wahnsinn (man erinnere sich an die unsägliche „Hänsel und Gretel“-Aufführung) und manchmal nur Unsinn (der umgedeutete „Don Pasquale“), und so richtig nötig und sinnvoll ist einem dieser Zugang zum Repertoire des kleinen Hauses noch nie vorgekommen.

Nun ist also Mozarts „Cosi fan tutte“ an der Reihe, an der sich wieder einmal ein Regie-Neuling abarbeiten darf. Und man fragt sich (auch etwa angesichts des „Samson“ der Staatsoper), wo eigentlich die Dramaturgen bleiben, die von Regisseuren verlangen, ihre Konzepte dahingehend durchzudenken, ob sie auch funktionieren und sich mitteilen. Aber mitnichten…

Da hat Valentin Schwarz die nicht neue Idee, „Cosi fan tutte“ als Theateraufführung zu präsentieren (das gab es in der Volksoper schon). Wenn die Handlung nach der Pause von der Vorstellung „ins Private“ springt, spielt sie in einem modernen Wohnzimmer, wie es Claus Guth auch schon auf die Bühne gebracht hat. Dazu gibt es die Videos, die eine zeitlang bis zum Erbrechen modern waren, jetzt zurückgegangen sind – und hier leider wiederkommen und nicht viel Sinn machen.

Ja, zur Ouvertüre sieht man mit wackeliger Handkamera, wie Despina (sie ist, wie schon damals in der Volksoper, die Regieassistentin) herumrast, die Sänger auf die Bühne zu schicken, dabei wird furchtbar viel geflucht, immerhin das heimische „Scheiße“, nicht das ewig „Fuck“, das sonst üblich ist (das spielt sich per Untertitel ab). Warum der Don Alfonso verschwunden ist und der Regisseur einspringt… na ja. Wirklich ausgefeilt ist das „Theater auf dem Theater“ in simpler Vordergründigkeit nicht, wenn im ersten Teil die Aufführung (in Rokoko-Kostümen und Allonge-Perücken) stattfindet. Das Ende des ersten Teils hingegen soll einem einer erklären – beim Auftritt von „Dr. Mesner“ scheint nur Guglielmo zu gesunden, Ferrando wird hingegen in einen Krankenwagen geschoben, großes Trara, aber dann sieht man den Frauen bald dabei zu, wie sie sich abschminken und in Alltagskleider werfen… ja, und?

Tot ist der Tenor in der Folge logischerweise nicht, man braucht ihn ja noch. Im zweiten Teil wird die Geschichte „privat“, wobei wir gerne davon ausgehen, dass die Interpreten von Fiordiligi / Guglielmo und Dorabella / Ferrando jeweils auch im wahren Leben ein Paar sind. Da es ja nun keinerlei Verwechslung geben kann, jeder ist, der er ist, wird der Partnertausch ausgesprochen schwierig zu motivieren (man probiert’s immerhin) – aber wie macht man es, wenn nach der „Hochzeit“ dann die „echten Bräutigame“ wieder auftauchen, eine Situation, die es hier nicht geben kann? Nun, da nehmen sie plötzlich (sie müssten ihre Rollen doch können?) wieder Reclam-Heftchen in die Hand und „spielen“ wieder „Cosi“…? Und am Ende sieht man sie per Video im Zuschauerraum des Theaters, wo sie sich vor Lachen ausschütteln? Worüber bitte?

Man vergesse also besser, was Valentin Schwarz da durch den Kopf gerauscht ist, und auch Ausstattung und Video von Andrea Cozzi sind weiter nicht bemerkenswert, aber man findet Trost: Alle sechs Sänger sind bei Mozart fest im Sattel, singen ihn (mit kleinen Einschränkungen) gut und stilgerecht. Und mit der Einspringerin hat die Aufführung einen echten Star, der sich zwar voll in das Ensemble und die Inszenierung fügt, aber doch beides sprengt.

Die Koreanerin Sumi Hwang war einige Jahre in Bonn engagiert, avancierte aber (via Fernsehen und dann YouTube) zum echten Weltstar, als sie in Korea bei der Eröffnung der Olympische Spiele sang, wunderschön in Nationaltracht und triumphal in der Stimme. Diese war auch die Königin des Abends, ein strahlender, heller, klarer Sopran, exzellent geführt, sichere Höhen, wunderbare Piani, ausgezeichnete Übergänge (dass Mozart der Fiordiligi ein paar Mal einfach zu tiefe Töne für einen Sopran in die Kehle legte, das ist einfach so), die beiden großen Arien waren die Höhepunkte des Abends. Auch als Darstellerin mit viel Humor und ebenso viel Gefühl war sie bestrickend anzusehen.

Natürlich ließ sich Carolina Lippo, die man wahrlich schätzen gelernt hat, als Despina-Regieassistentin (die Rolle wird wirklich nicht in jeder Phase klar, aber das liegt an der Regie) die Show nicht stehlen, quirlig, frech, mit durchschlagendem Sopran. So wurde Anna Marshania als Dorabella, pummelig-komischer Gegensatz zu Fiordiligi, auf den dritten Platz verwiesen.

Bei den Herren würde man nicht so deutlich reihen, da hatte jeder – Juan Henao Gonzalez als Ferrando, Matteo Loi als Guglielmo und Florian Köfler als Don Alfonso – seine Qualitäten. Zu Beginn hörte sich der Mozart ein wenig heftig-deftig an, aber im Lauf des Abends wurde das Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Stefan Vladar elastischer. Wie gesagt, musikalisch hat es sich gelohnt. Szenisch war es wieder einmal ein Möchtegern-Konzept.

Renate Wagner 18.5.2018

Copyright: Theater an der Wien, Herwig Prammer