Berlin: Hommage an „Slava“ Rostropowitsch

im Konzerthaus am 12.11.2017

Leonard Bernstein
SLAVA – A Political Ouverture

Rodion Schtschedrin
Slava, Slava – ein festliches Glockengeläut für Orchester

Tschaikowski
Variationen über ein Rokoko Thema für Violoncello und Orchester

Sergej Prokofjew
5. Sinfonie in B-Dur

Einmal mehr ist des dem Konzerthaus Berlin gelungen, im Rahmen seiner Hommages an große InterpretInnen der Vergangenheit hoch interessante Konzertprogramme, Filmvorführungen und eine Installation im Werner Otto Saal, welche in der hektischen Stadt Berlin in eine Oase der Ruhe und Einkehr einlädt (mit weißen Liegestühlen im schwarzen Raum und den Klängen von Bachs Cello- Sonaten, natürlich interpretiert vom Meister des Cellos, Mstislav Rostropowitsch) auf die Beine zu stellen. Während der zehn Tage dauernde Hommage (10.11.-19.11.2017), welche unter dem Titel „Ein Leben unter Strom“ steht, treten natürlich bedeutende Cellistinnen und Cellisten auf (Sol Gabetta, Daniel Müller-Schott, Truls Mork, Mischa Maisky, Marie-Elisabeth Hecker), daneben aber auch die Geigerin Anne-Sophie Mutter oder die Sopranistin Olga Peretyatko, das Konzerthausorchester Berlin und das Kammerorchester Metamorphosen Berlin und viele weitere Musikerinnen und Musiker mit Kammermusikprogrammen.

Galina Wischnewskaja, die russische Primadonna und spätere Gemahlin Rostropowitschs, erzählte in ihrer Autobiographie, welche Mühe sie bei ihrer ersten Begegnung mit Rostropowitsch damit hatte, den Namen „Mstislav“ auszusprechen, woraufhin Rostropowitsch erwidert hatte: „Nennen Sie mich einfach Slawa!“ Dieser Kosename ist ihm geblieben, ja er wurde gar in Töne gesetzt, so zum Beispiel von Leonard Bernstein, welcher Rostropowitsch zu Ehren und für dessen Amtsantritt als Chefdirigent des National Symphony Orchestra in Washington die fulminante Ouvertüre SLAVA! – A POLITICAL OUVERTURE komponiert hatte, welche nun auch am Beginn des Konzerts des Konzerthausorchesters Berlin unter der Leitung von Iván Fischer stand. Welch ein mitreißender Spaß, – mit durchaus ernstem Hintergrund, hatte doch Rostropowitsch 1974 als persona non grata (er hatte Solschenizyn unterstützt) endlich aus der Sowjetunion ausreisen dürfen (müssen) und wurde natürlich während des Kalten Krieges prompt von den USA mit höchsten Ehren empfangen. Bernstein nun hatte für die vier Minuten dauernde Ouvertüre nicht nur Melodien aus seinem Musical 1600 PENNSYLVANIA AVENUE (die Adresse des Weißen Hauses) verarbeitet, sondern auch noch Redefragmente ab Tonband eingebaut (leere politische Versprechungen und Verhöhnungen der Vorgängerregierungen), wie sie gerne in Wahlkämpfen gebraucht werden. Doch Bernstein verarbeitet dies alles mit schrillem, schrägem und augenzwinkerndem Humor, und das riesig besetzte Konzerthausorchester und Iván Fischer, blieben der herrlichen und überaus effektvollen Instrumentationskunst von „Lenny“ Bernstein nichts an direkter Wirkungskraft schuldig und die Musikerinnen und Musiker beendeten das Werk wie vorgeschrieben mit dem Ruf „Slava!“. Auch das zweite Werk wurde extra für Rostropowitsch geschrieben, Rodin Schtschedrins „Slava, Slava –ein festliches Glockengeläut“. Rostropowitsch war mit dem Komponisten eng befreundet (wie auch mit Britten, Prokofiew, Schostakowitsch und Lutoslawski, die ihm allesamt Werke widmeten). Das Orchester ist hier nur geringfügig kleiner besetzt als bei Bernstein, doch angereichert mit effektvoll neben der Orgel platzierten Röhrenglocken und Bell Plates. Laut ist es, hymnisch, sich beinahe kakophonisch (nicht pejorativ gemeint!) steigernd, daneben aber auch mit wunderbaren Kantilenen der Celli und Bratschen aufwartend. Für Tschaikowskys ROKOKO-VARIATIONEN wird das Orchester nochmals verkleinert, bis auf 2 Hörner sind die Blechbläser verschwunden, auch die Schlagzeuggruppe ist weg. Diese beinahe kammermusikalische Formation des Konzerthausorchesters Berlin stellt ein wunderbares Fundament und eine einfühlsame Dialog-Partnerin (großartig die Flöte!) für die Cellistin Sol Gabetta dar. Weich und schlicht spielt Gabetta das an Tschaikowskys großes Vorbild Mozart gemahnende Ausgangsmotiv, findet in den sieben Variationen mal zu federnden, dann zu elegischen, fordernden und bis in extremste Lagen fein ausgehorchten Kantilenen. Tänzerische Attacke, herrliche Läufe und kunstfertige Glissandi bereichern das Spiel, in der großen Kadenz mit einer atemberaubende Virtuosität durch die Klüfte fahrend und rasant in die Coda einschwenkend. Riesige Begeisterung im praktisch voll besetzten großen Saal des Konzerthauses, wofür sich die Solistin zusammen mit dem Konzerthausorchester mit einer wunderbar sanft gespielten, melancholischen und auch tröstlich gestimmten Zugabe bedankte (Orchesterfassung von Tschaikowskys Klavier-Nocturne op.19, Nr.4)

Nach der Pause erklang dann mit Prokofjews fünfter Sinfonie wieder ein immens besetztes Werk, reichhaltiges Schlagzeug, Trompeten, Posaunen Tuba, Kontrafagott, Harfe, Klavier und eine groß besetzte Streichergruppe mit u.a. 8 Kontrabässen führten dieses Meisterwerk aus der Feder des einstigen Kompositionslehrers Rostropowitschs in Moskau auf. Im ersten Satz verarbeitete Prokofjew ein relativ simpel gestricktes, punktiertes Hauptthema mit überragendem Einfallsreichtum in tonaler und instrumententechnischer Hinsicht, kein Wunder dass bereits nach diesem Eröffnungssatz Applaus aufbrauste, denn die Musikerinnen und Musiker des Konzerthausorchesters spielten das auch mit unglaublicher Brillanz und rhythmischer Genauigkeit. Flirrende Violinen, warme Celli, welche immer wieder aufs Hauptthema zurückführten, sehrende Verdichtungen des gigantischen Apparats, die dank Iván Fischers klug die Klangfluten disponierender Leitung nie zu dick wirkten, führten zum Genuss einer packenden Wiedergabe dieses Meisterwerks. Exzellent auch das Hornquartett, die effektvollen Beckenschläge und das gesamte Schlagwerk. Das nachfolgende Scherzo erinnerte immer wieder an Romeo und Julia, die geniale Ballettmusik des Russen, welcher sich nach der Oktoberrevolution aus der Sowjetunion abgesetzt hatte und ausgerechnet zur Stalinzeit zurückkehrte. Doch seine Sinfonie huldigt nicht einfach dem vom Regime geforderten sowjetischen Realismus und der Glorifizierung des Vaterlandes (obwohl sie genau zu der Zeit entstand, als die Rote Armee die deutsche Wehrmacht von der heimischen Erde zu vertreiben begann und sich der Sieg im großen vaterländischen Krieg abzeichnete). Gerade im dritten Satz sind neben den wunderbaren Kantilenen der Klarinette auch Schreie des Entsetzens, eine introvertierte Resignation und eine Aufruhr der Seele hörbar, die unterschiedlichen Stimmungen scheinen gegeneinander zu kämpfen, was vom Dirigenten sehr plastisch herausgearbeitet wurde. Aufmunternd und fröhlicher dann das Finale, rondoartig konzipiert und das Hauptthema des ersten Satzes verspielt aufgreifend und kalkuliert auf den effektvollen Schluss zielend.

(c) Konzerthaus Berlin

wunderbare Videos dazu:

Video „Subito forte“

Anne Sofie Mutter über „Slawa“