Berlin: Xavier de Maistre und Les siècles

Jean-Philippe Rameau
Suite aus der Oper „Daphnis et Eglé“

François Couperin
Concert royaux Nr. 4

Maurice Ravel
„Le tombeau de Couperin“ – Suite für Orchester

Claude Debussy
„Danse sacrée et danse profane“ für Harfe und Streicher

Gabriel Pierné
Konzertstück für Harfe und Orchester Ges-Dur op. 39

Maurice Ravel
„Ma mère l’oye“ – Fünf Kinderstücke für Orchester

Majestätisch steht sie nach der Pause auf dem Podium des Konzerthauses Berlin, golden strahlend und in warmes Licht getaucht, die Harfe von Lyon & Healy, auf welcher Xavier de Maistre in der kommenden halben Stunde das Publikum beglücken und entrücken wird. Foto (c) xavierdemaistre.com

Sie ist wahrlich die Königin unter den Instrumenten und der Harfenist entlockte ihr Klänge in allen möglichen Schattierungen. Beginnend mit der Mystik der Danse sacrée Debussys, einschwenkend in die animierteren Passagen der iberisch angehauchten Danse profane, in spätromantischen Klangstrudel eintauchend in Gabriel Piernés Konzertstück op. 39 und kulminierend in der atemberaubenden Virtuosität und klanglichen Vielfalt der Zugabe, Félix Godefroids Variationen Le Carneval de Venise (das neapolitanische Lied, über welches hier Variationen entstanden sind und welches auch schon Paganini für Carnevale di Venezia nutzte, kennt man auch als Meldoie des Volkslieds Mein Hut, der hat drei Ecken), welche den leider nur zu gut drei Viertel besetzten grossen Saal des Konzerthauses zu Begeisterungsstürmen hinriss. Perlende Girlanden, wie eiskalte Diamanten messerscharf glitzernde Töne und Läufe, herrlich sauber und klar ausgeführte Glissandi und Arpeggien prägten das fulminante Spiel des Meisters der Harfe, dem selbst diese Königin unter den Instrumenten Untertan ist.

Begleitet wurde Xavier de Maistre vom Orchester LES SIEÈCLES

unter der sehr aufmerksamen, engagiert und doch unaufgeregt daherkommenden Leitung von Nicholas Collon. Der Dirigent verstand es durch seine klare Zeichengebung, präzise Einsätze und dynamisch fein und sinnfällig abgestuftes Musizieren zu ermöglichen. Dass das Orchester in verschiedenen Epochen und sehr wohl auf den modernen als auch den historischen Instrumenten vollkommen zu Hause ist, zeigte das hoch interessante Programm dieses Konzerts, welches den Bogen französischer Musik von Rameau und Couperin zu den Impressionisten Ravel und Debussy und zur spätromantischen Klangpracht von Pierné zu spannen wusste!

Sehr prägnant und lebendig herausgearbeitet erklangen die von unterschiedlichem Charakter geprägten Teile der Suite aus der Oper DAPHNIS ET EGLÉ von Jean-Philippe Rameau. Die Holzbläser (auf historischen Instrumenten) spielten ihren Part stehend und begeisterten mit dem sanft-weichen Klang ihres Spiels. Aparte rhythmische Klangbeimischungen steuerte der Musiker an den drei Trommeln und mit dem Tamburin bei. Spritzig und wahrlich très vive wurde die finale Contredanse musiziert! Für Couperins Concert royaux Nr.4 musste erst die Beleuchtung für die Notenständer der fünf Musikerinnen und Musiker (Flöte, Oboe, Violine, Cembalo und Viola da gamba) eingerichtet werden (die Flötistin stand komplett im Dunkeln und konnte ihre Noten nicht sehen). Doch nachdem dieses Problem einigermassen gelöst war, konnte man sich kaum satt hören an der wunderbaren Harmonie des Zusammenspiels dieses Quintetts und an den unterschiedlichen, virtuos dargebotenen Tanzmelodien mit Continuo (wunderbar die Viola da gamba), welche schon Ludwig den XV. und Madame Pompadour erfreut und auch Maurice Ravel 200 Jahre später zu seinen sechs Klavierstücken LE TOMBEAU DE COUPERIN inspiriert hatten, deren vier er orchestrierte und die nun das Orchester LES SIÈCLES gleich anschliessend an Couperins Kammermusik erklingen liess.

Aufhorchen liess die Interpretation des vierten Stückes: Resolut aufgefächert und mit einer Prise Herbheit versehen war dieser Rigaudon! Nach den bereits erwähnten Danses pour Harpe von Debussy und Piernés schwelgerischem Konzertstück interpretierte das Orchester unter Nicholas Collon dann noch Ravels von bezaubernder, märchenhafter Klangmagie durchwobene Kinderstücke für Orchester. Man begleitete die Belle au bois dormant (Dornröschen) in den Schlaf, den Petit Poucet (der kleine Däumling) bei der aufgeregten Suche nach den verstreuten und verloren gegangenen Brotkrumen, amüsierte sich über die Klangmalerei mit Celesta und Solovioline bei der Unterhaltung zwischen der Schönen und dem Biest und tauchte am Ende erfüllt und beglückt auf aus dem Jardin féerique, in welchen einen die wunderbar lautmalerische Instrumentationskunst Ravels und deren farbige Wiedergabe durch das Orchester LES SIÈCLES unter den klar gestaltenden Händen von Nicholas Collon entführt hatten.

Kaspar Sannemann 27.2.16