Berlin: „Daphne“

Überwältigender Strauss-Glanz

„Das Wesentliche ist die Musik“, steht als Motto auch über der kommenden Spielzeit des RSB, die die letzte mit Marek Janowski am Dirigentenpult sein wird, denn der Maestro wird seinen 2016 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Konsequenz aus dem Motto war die konzertante Aufführung von zehn Wagner-Opern, inzwischen auch auf CD verfügbar, gewesen, und für das Strauss-Jahr hatte man sich ein ähnliches Unternehmen erhofft. Dem war leider nicht so, doch etwas entschädigt wird man nun in der ersten Maiwoche 2015 mit den konzertanten Darbietungen von „Daphne“ und „Elektra“ am 5. und 7. des Monats.

Marek Janowski überrascht immer wieder durch die überzeugende Auswahl seiner Sänger, die man teilweise noch nie in Berlin gehört hat, was den Konzertbesucher im Nachhinein mit Staunen erfüllt angesichts der hohen Qualität der Auserwählten. So geschah es auch am 5.5. mit der Sängerin für die Titelpartie in „Daphne“, Regine Hangler. Die junge Sopranistin wird die Rolle demnächst auch in New York singen, ihre Partien an der Wiener Staatsoper, wo sie gegenwärtig engagiert ist, sind eher bescheidener Art, „große“ Rollen zwischen Lucia und Santuzza, Ariadne und Elsa hat sie an im Programmheft nicht genannten Orten verkörpert, was natürlich gewisse Schlüsse zulässt. Umso größer ist das Verdienst des RSB und seiner Leitung, die hier noch unbekannte junge Sängerin mit der schwierigen Partie zu betrauen und damit dem Berliner Publikum eine echte Überraschung zu bereiten. Vom ersten Ton an staunt man darüber, wie dieser Sopran alles hat, was man von einer Strauss-Stimme erwartet: Klarheit, Reinheit, unangefochtene strahlende Höhen und eine weitgefächerte Farbigkeit. Vergleicht man allerdings das Portrait des zarten Mädchens im Programmheft mit der eher üppigen Erscheinung auf dem Konzertpodium, weiß man um die Hemmnisse für eine große Opernkarriere in der heutigen, auf schlanke Sängerinnen versessenen Zeit. Ganz würde- und hoheitsvoll mit grauem Haar zu einem jungen Gesicht war Daniela Denschlag, bereits aus der DOB mit der Partie bekannt, eine Gaea mit profundem Alt, der wundervoll strömen konnte und nur in den allerallertiefsten Töne etwas an Farbe einbüßte. Munteres Gezwitscher ließ von einem der Seitenbalkone her Sophie Klußmann als Erste Magd hören, während ihre Kollegin Gala El Hadidi mit scharfem Mezzo die Zweite Magd war.

Richard Strauss, der bekanntlich den Tenören nicht wohlgesonnen war, verlangt für die „Daphne“ gleich zwei davon in anspruchsvollen Partien. Einen grundsoliden Apollo mit unangefochtenen Schmetterhöhen sang Stefan Vinke, wegen seiner ungeheuren Solidität sicherlich nicht nur von Marek Janowski geschätzt. Sein Tenor ist ein solcher vom tiefsten bis höchsten Register, kein Bariton mit guter Höhe, sondern einheitlich im Timbre, generös in der Phrasierung und mit eindrucksvollem Metall. Dass das Grundsolide sich auch auf die Optik erstreckt und Göttliches außen vor bleibt, kann man ihm nicht anlasten. Lyrischer in der Stimme und sensibler in der Ausstrahlung war Daniel Behle als Leukippos, mit schönem Timbre, nicht als solchem wahrnehmbaren Passaggio und allmählich wohl in einen Fachwechsel hineinwachsend, obwohl er gerade als Belmonte an der Staatsoper eingesprungen war. Warum er zu Beginn jeder Phrase eine Kniebeuge, stärker mit dem linken als dem rechten Bein, andeutet, ist nur zu vermuten. Eine mächtige Röhre und ein würdiges Auftreten hatte der rumänische Bass Sorin Coliban als Peneios. Aus einer der den Mägden gegenüber liegenden Loge ließen sich rollendeckend die vier Schäfer Konstantin Wolff, Jeff Martin, Axel Scheidig und Georg Witt vernehmen.

Ein besonderer Einfall war es, während der Verwandlung die Sängerin der Daphne zunächst die mittelhohen Ränge erklimmen und von dort singen und schließlich die allerletzten Phrasen von ganz oben fast unter dem Dach er- und verklingen zu lassen. Da wuchs der Abend über eine rein konzertante Darbietung hinaus.

Nicht nur bei dieser Gelegenheit konnte man erkennen, wie sorgsam Marek Janowski die Sänger führte. Bei eher zügigen Tempi stellte er die Kontraste zwischen den kammermusikalisch filigranen und den Grandioses vermittelnden Teilen des Werks wirkungsvoll heraus, Kussszene und Verwandlung wurden zu Höhepunkten des Abends, der bereits mit dem elegant-poetischen Einsatz der Holzbläser Großes versprochen hatte und dies auch weitgehend hielt.

6.5.2015 Ingrid Wanja

Konzertfotos Sarah Chloè Mikus

Foto Janowski Felix Bröde