Berlin: Richard Strauss

Durch Nacht zum Licht

In Harenbergs Konzertführer stehen sie einander gegenüber, doch Welten trennen historisch wie musikalisch gesehen Richard Strauss‘ sinfonische Dichtung „Tod und Verklärung“ aus dem Jahre 1890 und das 2.Hornkonzert aus dem Jahre 1943 voneinander. Hätte man eher dem jungen Strauss das an Mozart erinnernde, romantischer Musik verpflichtete Horn in den Mittelpunkt stellende Konzert zugestanden, dem durch Kriegsereignisse und Alter geprägten das so beängstigend naheliegende Thema des Todes, so trifft genau das Gegenteil zu. Einen Kontrast zur grauenvollen Wirklichkeit sollte das in strahlendem Es-Dur komponierte Stück sein wie auch die ein Jahr zuvor entstandene Oper „Capriccio“, mit der nicht gerade die Probleme der Zeit, sondern die des ewigen um das Primat von Parola oder Musica angesprochen werden. Die Staatsoper Berlin hatte vor Jahren das Stück deshalb in den Ruinen Münchens spielen lassen, seitdem fehlt das Konversationsstück auf Berliner Bühnen. Der Schlußmonolog der Gräfin Madeleine einschließlich der vorangehenden Mondscheinmusik bildete den Abschluß von Marek Janowskis Konzert mit dem RSB am 23. 3. In der Philharmonie. Anja Harteros sollte ihn singen, sagte aber wie so oft in letzter Zeit ab, und ein dem Berliner Publikum noch unbekannter Name überraschte die Konzertbesucher. Charlotta Larsson aus Schweden hatte nicht nur zwei Abendkleider mitgebracht, sondern ließ sich zwischen vier Strauss-Liedern und dem Capriccio-Schluß noch einmal umfrisieren. Noch viel bemerkenswerter aber war ihre vokale Leistung. Mit silbrig flirrendem und schimmerndem, hörbar im Zenit seines Reifens stehendem Sopran, also dem Timbre einer echten Strauss-Stimme, mit klangvollen Piani und das Orchester überstrahlendem Glanz war sie mehr als ein Ersatz für den nicht angetretenen Star. Zwar konnte man auch von ihr nicht die kaum erreichbare Textverständlichkeit erwarten- bei den Liedern wäre mehr davon möglich gewesen- aber im Chiaro-Scuro der Stimmführung spiegelte sich viel von dem Gegeneinander-Abwägen und schließlich in einer Frage endenden Nichtlösen des Konflikts. Stephen Bronk war ein durch und durch würdevoller Haushofmeister. Leicht abgeändert gegenüber dem ursprünglichen Programm war der Liederteil vor der Pause, in der auch die Solovioline nicht nur mit raffinierten Rubati glänzen und in dem die Sängerin beweisen konnte , wie schön die Stimme aufblühen, wie kraftvoll sich ihr „Habe Dank“ gegenüber dem Orchester durchzusetzen vermochte.

Soll der Gong das schlagende Herz des Sterbenden in „Tod und Verklärung“ darstellen? Wenn dem so ist, so wurde nach seinem Verstummen in feinsten Abstufungen, endend in einer wirklich machtvollen „Verklärung“ in C-Dur, das Sichlösen des Unsterblichen vom Sterblichen nachgezeichnet. Den beinahe ungeheuerlichen Anforderungen an alle Instrumentengruppen kam das Orchester in vorbildlicher Weise nach. Heitere Beschwingtheit, ja Übermut kennzeichnen das Konzert für Horn und Orchester, in dem Radek Baborák mit virtuoser Spielfreude die Besucher ( viele kannte ihn bereits als Solohornisten der Berliner Philharmoniker) begeisterte. Nach dem Noch- Benommensein durch die den Wagner-Zyklus beendet habende „Götterdämmerung“ konnte die Zuhörer-Seele in ein heiteres Arkadien entschweben.

24.3. Ingrid Wanja