Berlin: „Parsifal“

Wieder Tenor?

Wohl extra Domingos und weniger des 3. Aktes aus Wagners „Parsifal“ wegen nach Berlin gekommen waren viele Besucher in der fast ausverkauften Philharmonie, denn ein verzweifeltes Platzsuchen wies darauf hin, wie wenig vertraut sie mit der Sitzordnung, der Einteilung in Blöcke und in Rechts und Links waren. Ob sie am Ende zufrieden waren, ein Paar mußte für die besten Plätze immerhin rund 500 Euro ausgeben, dürfte von ihrer Stimmkenntnis abhängen. Um es rundheraus und ohne Schonung zu sagen: Was der Star an künstlerischer Leistung ablieferte, war beschämend und dazu angetan, seinen Ruf als Sänger zu ruinieren. Auf die Bühne kam ein gut aussehender älterer Herr mit der Körpersprache eines solchen, noch öfter, als von ihm gewohnt, die Nase reibend, mit unklarer Diktion einer Altherrenstimme, knarzend in der Mittellage und grell in der Höhe, die in der Partie ja nicht einmal besondere Anforderungen stellt. Trotzdem mußte sich der Sänger einmal ins Falsett flüchten. Zudem spricht die Stimme, die jetzt noch baritonaler klingt als vor Jahren, aber nicht mehr den schönen Bronzeklang hat, nur im Mezzoforte richtig an, die Phrasierung ist sehr kurzschrittig geworden – und ein Domingo ohne den Einsatz seiner darstellerischen Mittel war ohnehin immer nur der halbe Domingo. Auf der Bühne mag der Sänger in Väter-Baritonpartien noch überzeugen wie unlängst als Simone, auf die Stimme allein und gar die des Tenors kann er sich selbst beim tief liegenden Parsifal und trotz einiger gelungener Stellen („Du wuschest mir die Füße“, Beginn „Nur eine Waffe taugt…“) nicht mehr verlassen. Es war wohl kein Zufall, daß es an diesem Abend keinen Solobeifall gab.

Der eigentliche Star des Abends war Kwangchul Youn als Gurnemanz, bei dem alles stimmte: Eine gewaltige, alle Orchesterwogen überstrahlende Bassstimme, die in der Höhe mehr Glanz hatte als die des Tenors, weitgespannnte Bögen mit langem Atem, eine erstklassige, akzentfreie Diktion und Piani, in denen das wunderbare Timbre voll erhalten bleibt. Er schien zudem die Rolle nicht nur zu singen, sondern zu leben, selbst ohne den Ansprechpartner Kundry. Mit ihm und René Pape, der gerade an der Met singt, hat die Staatsoper zwei Bässe im Ensemble, die von keinem anderen übertroffen werden und die beide im deutschen, italienischen und russischen Fach gleichermaßen überzeugen. Dem Amfortas verlieh Wolfgang Koch schöne Schmerzenstöne mit einem edel timbrierten Bariton. Von ihm hätte man gern noch mehr gehört.

Das akustische Herannahen der Ritterschar bewältigte der Herrenchor mit fein anschwellenden Klängen, ehe er zu macht- und klangvollem Einsatz kam (Eberhard Friedrich). Aus „Glanz und Wonne“ bestand das, was die Staatskapelle unter Daniel Barenboim dem Publikum bot. Voller Finessen, mit wunderbaren Farben und dem Bekenntnis zum feierlichen Pathos wurde an diesem Abend aus der Oper tatsächlich ein „Bühnenweihfestspiel“, wie man es sich ergreifender nicht denken konnte.

13.02.13 Ingrid Wanja

Gedenkfeier-Konzert in der Deutschen Oper