Essen: Anne Schwanewilms & London Philharmonic Orchestra unter Vladimir Jurowski

Die ehemalige Floristin aus Gelsenkirchen gehört zu den großen Sängerinnen unserer Tage, denen man gerne nicht nur beim Gesang, sondern auch im Interview zuhört. Stimmlich nahm sie eine bemerkenswerte Entwicklung: Als tiefer Alt angefangen über Mezzo bis heute zum klassischen Sopran mit hellsilbrig schönem Spinto-Klang. In der Philharmonie Essen heuer gab es nicht die großen Strauss Arien oder die überall präsenten "4 letzten Lieder", sondern sie begeisterte ihre Zuhörer und Fans mit den mehr leisen schönen Lieder von Richard Strauss; davon hat sie sich besondere ausgesucht:

“Die heiligen drei Könige”, op. 56 Nr. 6

“Waldseligkeit”, op. 49 Nr. 1

“Morgen”, op. 27 Nr. 4

“Das Rosenband”, op. 36 Nr. 1

“Wiegenlied”, op. 41 Nr. 1

Die Interpretation von "Waldseligkeit" war schlichtweg ein Traum an Schönklang und Sangeskultur, dazu noch in Verbindung mit dem hinreißenden Konzertmeister Pieter Schoenman und seiner Meistergeige. Das waren vier Minuten aus dem Musikhimmel, falls es ihn gibt.

Daß englische Orchester etwas zurückhaltender, sprich "sängerfreundlicher" aufspielen sagte Schwanewilms nicht nur im Interview, sondern es war auch in der brillanten Akustik der Essener Philharmonie genussvoll rezipierbar.

Das London Philharmonic Orchestra gehört zweifellos zu den besten der Welt und hat mit

Vladimir Jurowski den – meiner Meinung nach – auch zur Zeit besten Dirigent der Welt; daher waren die beiden Konzertstücke in Präsentation, Qualität und künstlerischem Feinsinn schlicht das Maß der Dinge an Orchesterwiedergabe.

Im ersten Teil des Abends konnte man die nicht nur in unseren Opernhäusern meistens (vor allem zur Weihnachtszeit) lieblos heruntergenudelte Ouvertüre zur Oper "Hänsel und Gretel" hören. Wobei "hören" eigentlich der falsche Ausdruck ist, denn es war ein Ereignis, welches man aus dem Orchestergraben selten so gehört hatte und wohl auch kaum je hören wird. Was für ein grandioses vielschichtiges und ausdifferenziertes Klanggemälde ist diese Ouvertüre, an der wir oft belanglos als schlecht gespielte Introduktion zum Weihnachts-Hänsel-und-Gretel vorbei gingen, ein großes Orchesterstück durchaus esrten Ranges.

Noch besser war dann aber Jean Sibelius 2.Sinfonie D-Dur; goldenes Blech, seidige Streicher und traumverlorene Holzbläser. Dafür geht man ins Konzert, um seinen Sibelius so wunderbar und einmalig erleben zu dürfen. Obwohl diese Sinfonie ja zu den noch am meisten gespielten vom ansonsten bei uns ja recht raren nordischen Komponisten gezählt werden darf. Trotz mannigfacher CDs, die meinen Plattenschrank zieren, habe ich eine so treffende Interpretation selten gehört. Was für ein Klang!

Was für ein toller einmaliger Konzertabend!

Doch wo ward Ihr, liebe Essener Konzertfreunde? Gut ein Drittel der Plätze waren leer geblieben. Unfassbar! Da präsentiert die Philharmonie sozusagen das Beste an musikalischer Qualität, was man vielleicht auf dem Erdenrund hören kann – und das ab sagenhaften 15 Euro, also dem preis einer Kinokarte – und viele Plätze bleiben unverkauft. War es der Montag, oder das Programm?

Aber müssen es denn immer nur Beethovens Fünfte, Dvoraks Neue Welt oder die omnipräsenten Bilder einer Ausstellung sein? Das war eines der schönsten Konzerte dieser Saison. Und zufriedener kann man als Kritiker kaum in die verdienten Weihnachtsferien verabschiedet werden.

Bilder (c) Philharmonie Essen / LPO.org.uk

OPERNFREUND-CD-Tipp

Nur noch 8 Euro, bitte kaufen! Einfach wunderbar…

Ist etwas teurer, aber immerhin mit dem RPO und einem tollen Dirigenten.