Köln: Weihnachtsoratorium

Kölner Kammerorchester: Christoph Poppen

Das Fest der Geburt Christi ohne Bachs „Weihnachtsoratorium“ – undenkbar. In der Kölner Philharmonie gibt es in diesem Jahr gleich zwei Aufführungen, die des Bach-Vereins unter Thomas Neuhoff (9.12.) und nun die des Kölner Kammerorchesters (KKO). Neuhoff ging, wenn man so will, den Weg des geringsten Widerstandes, indem der die besonders populären Kantaten 1-3 aufführte. Christoph Poppen

Chef beim KKO, gibt das Gesamtwerk, verteilt allerdings auf zwei Abende. Er selber dirigierte jetzt die ersten drei Kantaten; Eberhard Metternich, Leiter des beteiligten Vokalensembles Kölner Dom wird am 6.1. die restlichen übernehmen.

Es ist eine probate Methode, das gesamte dreistündige Werk, bei dem man von „Überlänge“ freilich nicht sprechen möchte, zu präsentieren. Mitunter gibt es unterschiedliche Kombinationsversuche der Kantaten, was dem großartigen Sechsteiler aber nicht gerecht wird. Musikalisch nicht gerechtfertigt war es auch, daß Poppen nach der zweiten Kantate eine Pause machte. Anderthalb Stunden bester Bach sind doch wohl zäsurlos auszuhalten.

Für das „Weihnachtsoratorium“ mußte das KKO natürlich durch Gäste aufgestockt werden. Für die glanzlichternden Chöre sind immerhin drei Trompeten erforderlich (Bruno Feldkircher kam aus dem Gürzenich-Orchester). Die Sinfonia wiederum erfordert vier Englischhörner. Auch hier kam Aushilfe aus dem Gürzenich. Bach, ein wahrhaft fantasievoller Klangkonstrukteur.

Bei einer Interpretation des „Weihnachtsoratoriums“ gibt es eigentlich kaum extravagante Ansätze. Die historisch informierte Aufführungspraxis hat sicher Akzente gesetzt. Was aber dramatischen Ausdruck und Tempowahl betrifft, bestehen über eine richtige Entscheidung kaum Zweifel. Auch bei Christoph Poppens Dirigat gab es keine Besonderheiten oder gar Extravaganzen festzustellen. Er setzte auf flüssige Tempi, stringentes Musizieren, ausdrucksvolle Akzente wie gleich im Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“, welchem die mitwirkenden Sänger echte Jubelwirkung bescherten. Eigenwillig verhielt sich Poppen nur bei der Arie „Schlafe, mein Liebster“. Diese Nummer erfordert von der Altistin eine besonders akribische Gesangstechnik, sind doch lange melodische Bögen ohne hilfreiche Atemzäsuren zu bewältigen. Daß sie Ingeborg Danz nicht verfügbar sind, sei nicht behauptet, aber die Entscheidung fiel wohl doch als Hilfestellung für die mittlerweile 57jährige Sängerin. Aber das sei der eindrucksvollern Künstlerin gegönnt.

Wirkliche Hörschwierigkeiten verursachte jedoch der Tenor Martin Mitterrutzner. Er ist, wie seine kommenden Engagements zeigen, stark im lyrischen Fach beheimatet. Aber eine standfeste und gleichzeitig lockere Evangelistenstimme besitzt er nicht wie etwa ein Julian Prégardien. Beim Aufsteigen zu hohen Tönen gab es immer wieder Brüche, und die Koloraturen bei „Frohe Hirten“ kamen ziemlich verschmiert. Die Empfehlung für eine Umbesetzung für den 6.1. kommt vermutlich zu spät.

Bei dem noch immer subtil strömenden Alt von Ingeborg Danz geriet lediglich die Arie „Schließe, mein Herze“ etwas anämisch. Das offizielle Alter von Sibylla Rubens (48) bestätigt die Erscheinung der Sängerin nicht. Pardon, daß dies erwähnt wird, aber das Porträtfoto im Programmheft entspricht so gar nicht der Realität. Auch bei solchen Dingen sollte Sorgfalt walten. Aber der glockenreine Sopran der Sängerin funktioniert nach wie vor feintönig. Beim Duett „Herr, dein Mitleid“ geriet die Sängerin an der Seite von Konstantin Krimmel phonmäßig freilich etwas ins Hintertreffen.

Bei diesem erst 25jährigen Sänger ist zu verweilen. Erst im diesem Jahr wurde er mit diversen Preisen ausgezeichnet – ein Newcomer der allerersten Klasse. Daß er demnächst einen Liederabend mit Helmut Deutsch in Berlin bestreitet, kann als eine Art von Ritterschlag angesehen werden. Konstantin Krimmel besitzt ein in allen Lagen sicher ansprechendes Organ, angenehm timbriert, sinnfällig im Umgang mit dem Text. Als Opernsänger agiert er einstweilen an kleinen Bühnen wie Heilbronn; dort im nächsten Jahr Mozarts „Finta giardiniera“. Aber das dürfte sich in Bälde ändern. Auf Youtube gibt es neben Liedern auch Opernausschnitte (Leporello, Wolfram) zu sehen, die Krimmel auch als animierenden Bühnenakteur zeigen. Sein Einspringen für Konrad Jarnot beim „Weihnachtsoratorium“ führte somit zu einer begeisternden Begegnung.

Christoph Zimmermann (16.12.2018)

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