CD: „Bruckners 8. in zwei Fassungen“, Markus Poschner und das Bruckner Orchester Linz

Die Neueinspielungen der achten Sinfonie von Anton Bruckner mit dem Bruckner Orchester Linz unter der Leitung von Markus Poschner auf dem Label Capriccio ist eine bemerkenswerte musikalische Leistung. Diese Aufnahmen zeigen nicht nur die kurzweilige Interpretation eines der bedeutendsten Werke der romantischen Sinfonik, sondern bietet auch einen interessanten Einblick in die musikalische Entwicklung Bruckners, insbesondere in Bezug auf die Fassungen seiner Sinfonien. Eine der faszinierendsten Aspekte der Einspielungen ist die Entscheidung, beide Versionen der 8. Sinfonie aus dem Jahr 1887 und die gängigere Fassung von 1890 aufzuzeichnen. Diese Wahl ermöglicht es dem Hörer, Bruckners musikalische Entwicklung zu verfolgen und die Unterschiede zwischen den beiden Versionen zu entdecken. Die Entscheidung, die Originalfassung von 1887 zu präsentieren, die roher und weniger poliert ist als die spätere Version, verleiht der Aufnahme eine authentische und ehrliche Klangqualität. In Bezug auf die Frage, warum die Originalfassung von 1887 erst 1972 veröffentlicht und aufgeführt wurde, kann spekuliert werden, dass dies auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Einerseits könnte die Unzufriedenheit einiger Dirigenten, wie Hermann Levi, mit der Version von 1887 eine Rolle gespielt haben. Zudem könnte die Rezeption von Bruckners Musik und die Vorliebe für die spätere Fassung von 1890 die Verbreitung der Originalfassung gehemmt haben. Redaktionelle Trägheit und der Wunsch nach der Veröffentlichung von Bruckners späteren, vermeintlich „reiferen“ Werken könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Fassung von 1887

Die Interpretation von Markus Poschner und dem Bruckner Orchester Linz ist geprägt von Kraft und Tiefe. Obwohl das Tempo im Vergleich zu einigen früheren Aufnahmen eher schnell ist, wirkt es nie gehetzt. Poschner zeigt ein tiefes Verständnis für die Struktur und den Charakter der Sinfonie und führt das Orchester zu einer überzeugenden Aufführung. Bereits in der Einleitung des ersten Satzes fällt der drängende Tonfall des Orchesters auf. Ruppig und rau kommt diese Fassung gleich zur Sache. Auffallend sind die Interaktionen zwischen Streichern und Bläsern, hier ohne Pauke. Das Scherzo ist sehr lebendig und behält den Vorwärtsdrang Poschners bei. In seiner Struktur wirkt es gedrungener und dichter als die bekanntere Fassung. Das Adagio erreicht einen beeindruckenden Höhepunkt durch sein getragenes Tempo und die sehr bewussten Akzente, die Poschner mit dem aufmerksamen Orchester setzt. Besonders bemerkenswert sind die Klarheit und Transparenz in der Darbietung, die es ermöglicht, die vielschichtige Struktur von Bruckners Musik vollständig zu erfassen. Dieser langsame Satz zeigt deutliche Unterschiede zur bekannteren Version auf, vor allem im zentralen Höhepunkt, der viel plötzlicher daherkommt und längst nicht die Feierlichkeit hat, wie die spätere Variante. Dafür gibt es die dreifache Menge an Beckenschlägen, die hier jedoch viel zu beiläufig daherkommen und zu entfernt ins Klangbild eingebunden sind. Schade. Herrlich wuchtig stürmt Poschner dann ins ausladende Finale, was tatsächlich auch in dieser Aufnahme der Höhepunkt ist. Und dann kommt es doch noch, ein gewaltiges, sehr gut aufgebautes Finale. Erst hier geht das Orchester komplett von der Leine und darf völlig losgelöst aufspielen. Der finale Akkord wird von Poschner leider sehr kurzgehalten, sodass dieses grandiose Ende etwas arg abgeschnitten daherkommt.

Fassung von 1890

Poschner scheint hier eine konventionelle Interpretation zu liefern, die jedoch keineswegs den Anspruch auf Größe und Schwung vernachlässigt, die diese monumentale Sinfonie erfordert. Die erste Auffälligkeit der Aufnahme sind die ersten beiden Sätze, die mit einem spürbaren Antrieb und einer klaren Zielstrebigkeit beginnen. Trotzdem kann man gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass die schnelleren Passagen etwas in ihrer Unruhe ausarten, anstatt genügend Raum für die Musik zu lassen. Der Schein trügt, da Poschner gleichzeitig eine Spannung und Aufregung erzeugt. Die Blechbläser des Bruckner Orchester Linz glänzen hier besonders mit machtvollem Ton. Die Pauke ist hier oft mit zu weichen Schlägeln unterwegs, worunter die rhythmische Struktur leidet. Der Scherzo-Satz startet flink und kantig, plötzlich überrascht Poschners Interpretation durch die zarte und geschickte Wiederholung des Themas in gedämpfter Dynamik im zweiten Abschnitt. Die Pauke hat zu Beginn ein exponiertes Solo, was leider wieder dumpf und schwammig daherkommt. Im nachfolgen Piano-Abschnitt wechselt der Spieler zu härteren Schläger, was sofort das Klangbild deutlich verbessert. Das Trio hingegen mag ein wenig flott wirken, was jedoch beabsichtigt ist, um einen deutlichen Kontrast zur ruppigen Energie der äußeren Abschnitte zu schaffen. Das erhabene Adagio, das den emotionalen Kern der Sinfonie darstellt, wird hier mit großer Ausgeglichenheit und Zartheit dargeboten. Insgesamt erwartet den Hörer eine sehr weich vorgetragene Ausführung. Die Blechbläser sorgen für Wärme und Erhabenheit, während die tiefen Kontrabässe mit wogenden Akzenten ein Fundament aus dunklem, klangvollem Ton schaffen, über dem die höheren Streicher schweben. Dieses orchestrale Zusammenspiel ist berührend. Der Höhepunkt des Satzes ist minutiös vorbereitet, verpufft aber dann leider auf dem Höhepunkt in seiner Wirkung, da Poschner dynamisch unnötig abbremst. Die so wichtigen zwei Beckenschläge erklingen viel zu verhalten. Hier fehlen Glanz, Wucht und vor allem Präsenz. Die Coda hingegen ertönt entrückt und zart. Das Finale dieser Sinfonie beginnt feurig, um dann in einem sehr kontrollierten Finale zu enden. Poschner geht der beabsichtigten Überwältigung deutlich aus dem Weg. Er bleibt sich treu und bietet einen sehr bewusst gesteuerten Abschluss, bei dem der Zuhörer sich mehr Freiheit in der Dynamik und Deutlichkeit in den Akzenten wünschen würde.

Markus Poschner berücksichtigt die Größe des Bruckner Orchesters Linz, das eine etwas schlankere Besetzung aufweist. Dies führt zu einer Interpretation, die eine bemerkenswerte Klarheit aufweist. Die Streicher des Orchesters sind besonders lobenswert und tragen zur emotionalen Tiefe der Aufführung bei. Die Blechbläser haben eine homogene Farbe und auch kleinere Schwächen in den Solo-Beiträgen, bei welchen der Ansatz etwas wackelig gerät. Zu wenig nutzte Poschner die Möglichkeiten von Pauke und übrigem Schlagzeug, die wesentliche Impuls- und Farbgeber sind.

Bedauerlicherweise ist die Klangqualität recht eigen geraten, sie wirkt zuweilen deutlich zu eng und gedrungen, sodass dem Orchesterklang Weite und Durchsichtigkeit fehlt. Diese Aufnahmen würden deutlich mehr Brillanz und Farbigkeit, vor allem in den Höhen, von der Tontechnik vertragen.

Insgesamt sind Markus Poschners Neueinspielungen der 8. Sinfonie von Bruckner eine spannende musikalische Reise, die die Vielschichtigkeit und Entwicklung von Bruckners Musik auf eindrucksvolle Weise zeigen. Wer Bruckner in einer lebendigen, eher leichtfüßigen Darbietung sucht, wird leicht zu begeistern sein.

Dirk Schauß, im September 2023


Anton Bruckner

Sinfonie Nr. 8 c-moll WAB 108 (Fassung von 1887)
Capriccio, C8087

Sinfonie Nr. 8 c-moll WAB 108 (Fassung von 1890)
Capriccio, C8081

Bruckner Orchester Linz
Markus Poschner, Leitung