St.-Paulus-Dom am 15.11.2019
Auferstehungsmusiken von Messiaen und Lortzing
Wie in anderen mittelgrossen Städten auch sorgten in Münster bis zum Ende des ersten Weltkriegs Militärkapellen und begabte Laien für Aufführungen von Orchestermusik – letztere in Münster organisiert im Musikverein. Nach Auflösung des Militärs gründeten die Städte dann eigene Orchester, so auch Münster im Jahre 1919 das Orchester der Provinzialhauptstadt Münster heute nur noch Sinfonieorchester Münster.
Um dieses 100-jährige Jubiläum zu begehen, fand am vergangenen Freitag im St.Paulus-Dom zu Münster ein Konzert statt, dessen Programm unabhängig von liturgisch-vorgegebenen Terminen bereits im November die Himmelfahrt Christi beschrieb.
Zunächst erklangen unter Leitung des GMD Golo Berg von Olivier Messiaen unter dem Titel l´Ascension (Auferstehung) vier symphonische Meditationen für Orchester, eines seiner frühen Orchesterwerke, von ihm selbst später für Orgel bearbeitet, vielleicht war auch deshalb der Dom ein passender Aufführungsort.
Jeder der vier Teile wird durch ein Bibelzitat vorbereitet, als erstes Christi Majestät, der seinen Vater um Verherrlichung bittet. Es ist ein sehr langsamer hymnischer Satz, der nur von Bläsern gespielt wird, die im Dom zumeist rechts von der Mitte platziert waren. Eindrucksvoll gelangen die Steigerungen bis zum ff mit dann plötzlichem Übergang zum pp. Der zweite Satz, heitere Allelujas einer Seele, die sich den Himmel ersehnt , ist zunächst ebenfalls ein Bläserchoral, zu dem nach und nach eine tremoloartige Begleitung durch die Streicher hinzutritt, deren Tempo sich immer mehr, steigert, was durch das Orchester gut hörbar vermittelt wurde. In Motiven der Flöten hatte man den Eindruck, schon Messiaen´s spätere Vorliebe für Vogelstimmen herauszuhören. Besonders gelobt sei das Solo der Oboe.Der Satz schloß mit einer grossen Steigerung vom pp zum ff. Im dritten Satz, Allelujas auf der Trompete und der Zimbel erklang sehr exakt eine Art Tanzrhythmus zur Begleitung der im Titel erwähnten Trompeten, wobei die ebenfalls erwähnten Zimbeln, also Becken, durch Pauken, Tamburin und Triangel ergänzt wurden. Da war der Zuhörer überrascht, der Satz schloß mit einem sich steigernden Fugato, dazu passend ließ Golo Berg auch das Tempo bravourös sich steigern. Den letzten Satz Gebet Christi als er zum Vater aufsteigt spielten entgegengesetzt zu den Bläsern im ersten Satz nur die Streicher, die Violinen mit Dämpfer, dazu zusätzlich je fünf Solostimmen von Violinen und Bratschen sowie zwei Celli. Dem Titel entsprechend hörte man mehrfach einechromatisch aufsteigendes Motiv, das zu dem Schlußakkord führte. Da dieser kein gewohnter Schlußakkord sondern ein Septakkord war, brauchte es einige Zeit, bis Beifall des Publikums einsetzte.
Die Wahl des Aufführungstermins war durch den zweiten etwas leichtgewichtigeren aber grösseren Aufwand erfordernden Teil des Konzerts begründet. Vor genau 191 Jahren wurde in Münster unter Leitung des Komponisten Albert Lortzing´s Oratorium Die Himmelfahrt Jesu Christi für Soli, Chor und Orchester uraufgeführt. Nach Aufführungen in Münster gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts erklang es jetzt wieder zum Orchesterjubiläum. Dieses Datum und der Aufführungsort im damaligen Schauspielhaus Münster zeigten, daß es Lortzing und seinem Textdichter, dem Osnabrücker Lehrer Johann Friedrich Karl Rosenthal, nicht um ein liturgisches Werk, sondern eher um ein Oratorium in der Nachfolge Haydn´s ging, teils nahezu opernhaft szenisch komponiert, wie es später Mendelssohn-Bartholdy etwa mit seinem Elias meisterhaft gelingen sollte.
Es gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird das Leben Jesu bis zur Auferstehung musikalisch behandelt. Der Konzertchor Münster – Nachfolger des oben erwähnten Musikvereins – eröffnete ihn feierlich mit einem hymnischen Lob Gottes. Es folgten Rezitative und Arien der Solisten, zunächst ein Rezitativ des Johannes, der hier und auch später vom Bariton Filippo Bettoschi mit ausdrucksstarker Stimme und sehr textverständlich gesungen wurde. Dies galt etwas weniger für die Sängerin des Erzengel Gabriel, wie für diesen Engel üblich einem Sopran. In ihrer ersten mit Koloraturen durchaus opernhaften Arie forcierte Marielle Murphy etwas die Spitzentöne und war gegenüber dem Orchester nicht immer deutlich genug zu hören, wobei letzteres gemäß dem Text Blaset laut zu Zion mit Posaunen entsprechend laut klang
Im Rezitativ einer der bei Christi Himmelfahrt anwesenden Damen namens Eloa gesungen mit melodiöser Altstimme und weitgehend textverständlich von Judith Gennrich schilderte diese nach Worten des Johannes-Evangeliums nochmals den irdischen Weg Jesu. Lautmalerische Begleitung hörte man vom Orchester, als Petrus – mit tiefem textverständlichen Bass Christoph Stegemann – die Finsternis beim Tode Jesu, das Reissen des Tempelvorhangs oder den Donner beschrieb, der der Auferstehung vorausging. In der folgenden Arie beeindruckte er mit langem tiefen Ton auf nur Leichentücher lagen da. Der erste Teil schloß mit einer ganz schulmässigen Fuge des Chors, der alle Stimmlagen, auch die Tenöre, kontrapunktisch hörbar machte.
Den zweiten Teil eröffnete nach einem weihevollen Vorspiel von Holzbläsern und Hörnern nun endlich Jesus mit Rezitativ und Arie. Aufgrund der Tatsache, daß diese Tenorpartie nach Gefangenschaft im Grab den zweiten Teil eröffnet, glaubten Musikwissenschaftler Parallelen zu Fidelio zu entdecken. Yeon-Seong Shim gestaltete die Partie mit sakraler würdevoller Stimme, besonders etwa beim ausdrucksvollen Liebt einander oder später in den Visionen vom kommender Herrlichkeit für alle Menschen. Dazwischen konnte der Herrenchor (die Jünger) seine p-Kultur beweisen, als er begleitet von Celli und Holzbläsern bei Leises Wallen diese Vision aufgriff. Manchmal haben ja Komponisten bei Beschreibung des Bösen besondere musikalische Einfälle, Dies zeigte das Orchester, als Petrus und der Chor der Engel kurz vor Schluß den unglückseligen Verräter Judas verdammten. Zu den unterhaltsameren Teilen des Oratoriums gehörten Ensembles zwischen den Soli der Sänger. So schloß der Abend gemeinsam gesungen vom Quartett der Solisten und dem gesamten Chor (der Engel) mit einem mächtigen Lob von Gottes Herrlichkeit.
Wiederum brauchte das Publikum eine Pause, bis langanhaltender Beifall aufkam für ein Werk, das seinen Rang zwischen Klassik und früher Romantik behaupten kann.
Sigi Brockmann 16. November 2019
Fotos Sigi Brockmann
Als CD-Empfehlung sei genannt eine Aufnahme des WDR bei cpo aus dem Jahre 2003 unter Leitung von Helmut Froschauer. Seine Rezension schloß damals der opernfreund mit den Worten „Ein Muß für alle Musikfreunde“