Osnabrück: „Der Bettelstudent“, Carl Millöcker

Premiere: 1. Dezember 2018, besuchte Vorstellung: 4. Dezember 2018

TRAILER

Carl Millöckers „Der Bettelstudent“ gehört zwar zu den Klassikern des Genres, wird aber nur noch selten gespielt. Dabei besitzt das Werk mit „Ach, ich hab´ sie ja nur auf die Schulter geküsst“ einen echten Schlager, und der Freiheitskampf der Polen gegen die sächsischen Besatzer, vor dessen Hintergrund das Stück spielt, bietet jedem Regisseur viele Möglichkeiten das Stück auch politisch zu deuten. Am Theater Osnabrück gibt es jetzt ein Wiedersehen mit dem Klassiker.

Regisseur Guillermo Amaya beschränkt sich im ersten Akt auf die Kombination von bunter Ausstattung mit viel Aktion und denkt, damit sei der Abend schon gelaufen. Kostümbildnerin Elisabeth Benning hat sich mit skurril bunten Kostümen mächtig ins Zeug gelegt und auch die Bühnenbilder von Margrit Flagner können sich sehen lassen. Im ersten Akt gibt es ein Gefängnis und einen Marktplatz zu sehen. Im zweiten und dritten Akt werden ein Schlosssaal und der dahinter befindliche Garten geboten.

Die Figuren werden in ihrer Darstellung und Kombination von Kostüm und Perücke jedoch überzogen dargestellt, ohne dass da ein tieferer Sinn oder der virtuose Irrwitz eines Herbert Fritsch entsteht. Zudem zeigt die Regie das Stück hauptsächlich als Intrigenfeldzug des Oberst Ollendorf, der sich an der Grafentochter Laura für eine Ohrfeige rächen will. Daraus ergibt sich eine Liebes- und Täuschungsgeschichte, welche die Politik und Zeitgeschichte der sächsischen Besatzung Polens komplett ausblendet.

Der Oberst Ollendorf wird hier, der Urfassung folgend, vom Tenor Mark Hamman gesungen, der die Rolle intriganter anlegt, als es man es von den Basskollegen kennt. Ollendorf verfügt als Tenor auch über weniger Autorität. Hamman spielt die Rolle mit viel Witz, die Stimme sitzt aber nicht immer richtig. In der Reihe der blau-uniformierten sächsischen Offiziere stört besonders José Gallisa, der seine Dialoge vollkommen unverständlich artikuliert.

Im zweiten Akt rücken die Liebespaare in den Mittelpunkt, und die Regie konzentriert sich auf eine genaue Zeichnung der Figuren, ohne alles zu übertreiben. Erika Simons vereint als Laura mit ihrem klaren Sopran schön lyrische und kecke Elemente. Susann Vent-Wunderlich singt die Rolle der Schwester Bronislawa gut, bleibt aber eher eine Nebenrolle.

Als Bettelstudent Simon gefällt Daniel Wagner mit leichtem und beweglichem Tenor, der aber noch mehr Schmelz vertragen könnte. Mit hellem und kantigem Bariton gibt Jan Friedrich Eggers dessen Freund Jan Janicki. Starke Auftritte hat Katarina Morfa als resolute Mutter der beiden Comtessen.

Daniel Inbal lässt es am Pult des Osnabrücker Symphonieorchesters im ersten Akt zu sehr donnern und auch der von Sierd Quarré einstudierte Chor neigt zu übertriebener Lautstärke. Nach der Pause musiziert das Orchester differenzierter, und der Chor kann in Stücken wie dem Hochzeitschor seine Feinheiten der Gestaltungskunst zeigen.

Diese Aufführung bietet einen unterhaltsam-kurzweiligen Abend ohne tieferen Sinn. So richtig begeistern kann dieser „Bettelstudent“ aber auch nicht.

Rudolf Hermes 6.12.2018

Bilder (c) Kerstin Schomburg