Deutschlandpremieren am 28. April 2016
In der Ruhe liegt die Kraft
Der künstlerische Leiter und Choreograph Russell Maliphant gastierte bereits 2010 mit seiner 1996 in London gegründeten Company in der Autostadt. Er selbst tanzte zunächst klassisches Ballett beim Sadler’s Wells Royal Ballet, bevor er sich Ende der 80er Jahre dem zeitgenössischen freien Tanz zuwandte. Seine Arbeiten zeichnen sich durch kraftvolle Dynamik und gleichwertiges Zusammenwirken von Tanz, Licht und Musik aus. So war denn auch die bereits über 20 Jahre andauernde Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner Michael Hulls der Auslöser für das dreiteilige Programm „Conceal l Reveal“ („Verbergen l Enthüllen“), das aus unterschiedlichen Schaffensperioden stammt.
Das erste Stück, „Broken Fall“, wurde bereits 2003 von Maliphant/Hulls für die damalige Primaballerina des Royal Opera House Covent Garden, Sylvie Guillem, kreiert, die mit diesem ersten Schritt zum freien Tanz enorme Erfolge erzielte. Das Drei-Personen-Stück wurde nun 2015 mit anderen Tänzern wieder einstudiert und mit zwei neuen Werken verbunden, mit „Both, and“ und „Piece No.43“, die gestern bei den Movimentos ihre Deutschlandpremiere erlebten. In „Broken Fall“ wurden den Protagonisten Adam Kirkham, Carys Staton und Nathan Young bei hohem Risiko viel Mut und technische Fähigkeiten abverlangt. Spektakuläre Würfe, artistische Hebungen und Fangaktionen wechselten mit gleitenden Passagen. Dabei wirkte alles spielerisch leicht; von klassischen Elementen bis zu Tai Chi hatten viele Stile ihre Spuren in der Choreographie hinterlassen. Auf die crescendierende Musik von Barry Adamson passten die ruhig fließenden Bewegungen ebenso wie das atemberaubende Sich-fallen-lassen aus der Höhe in die Arme des anderen Partners, das unbedingtes Vertrauen aufeinander und äußerste Körperbeherrschung voraussetzt.
Hinter dem Titel „Both, and“ verbirgt sich ein starkes Solo der Tänzerin Dana Fouras, der Ehefrau Maliphants. Sie tanzte vor Scheinwerfern, die in Richtung Publikum leuchteten (manchmal zu grell, so dass man sie selbst gar nicht erkannte) und dabei ihren Schatten auf eine vorn gespannte, etwas durchsichtige Leinwand warfen. Je nachdem aus welcher Richtung ein oder mehrere Scheinwerfer leuchteten, tanzten und verbanden sich Schatten und Original zu ästhetischen Bildern bis sie ineinander zu verschmelzen schienen. Der Bewegungskanon war stark mit indischem Tanz angereichert, der oft auf die Armbewegungen besonderen Wert legt. Auch hier standen weiche Formen im Vordergrund; dazwischen gab es im Mittelteil kraftvolle kürzere Momente, als aus plötzlich absolutem Dunkel immer wieder vereinzelt Lichtkegel aufzogen, in denen Dana Fouras sich sehr elegant zur Musik von Mukul bewegte, was aber ein wenig eintönig wurde. Daher war der Applaus hier ein wenig zögerlich und nicht so anhaltend stürmisch wie bei den anderen Stücken.
Auch zu dem abschließenden dreigeteilten „Piece No.43“ (so viele Stücke haben Maliphant /Hulls bisher zusammen erarbeitet) stammt von Mukul, der im Mittelteil Beethovens „Mondscheinsonate“ mit verarbeitet hat. Maliphant/Hulls ließen fünf Statuen allmählich ins Licht treten und lebendig werden. Das war sehr gut konstruiert und durch die verschiedenen Lichtreflexe verdeutlicht; verstärkt wurde es noch durch die für mich rhythmischen Geräusche eines aus der Ferne nahenden sehr langen Güterzuges. Zu Beethoven absolvierten die beiden Herren eine phantastisch artistische Boden-Kür, während drei Damen (zu den vorigen trat noch Yu-Hsien Wu hinzu) im Hintergrund mehr im Reigen schwingend der Musik Ausdruck gaben. Zum Schluss kehrte man zu pochendem Rhythmus und zu den Statuen zurück, die schließlich nach und nach im Dunkel verschwanden. An einigen Stellen hätte man sich jedoch insgesamt mehr Helligkeit gewünscht, um die Bewegungen noch genauer verfolgen zu können. Das gilt im Übrigen ebenfalls für „Broken Fall“.
Das Publikum dankte allen Tänzern mit starkem Beifall.
Marion Eckels, 29.04.2016
Fotos: Matthias Leitzke (3), Hugo Glendinning (1, 2)
Weitere Vorstellungen: 29. und 30.04.2016