Konzert am 21. April 2018
WDR Sinfonieorchester
Jukka-Pekka Saraste (Leitung), Arabella Steinbacher (Violine)
Wie schon häufig fand auch das aktuelle Konzert des WDR Sinfonieorchesters nicht nur live in der Philharmonie statt, sondern wurde auch per Radio und Video-Livestream übertragen. Der zweite (und besuchte) Abend mit Ludwig van Beethovens Violinkonzert und der zweiten Sinfonie von Jean Sibelius „konkurrierte“ hingegen mit der optisch erweiterten Adaption von Gustav Mahlers „Neunter“ im Fernsehen aus dem Jahre 2017, ebenfalls von Jukka-Pekka Saraste geleitet. Bildgewaltig geriet in gewisser Weise auch die jetzige Philharmonie-Aufführung, denn die Solistin Arabella Steinbacher war nicht nur eine exquisite Interpretin, sondern darüber hinaus eine Augenweide. Und Saraste gab vor allem seiner Liebe für die Musik seines Landsmannes Sibelius gestisch vehementen Ausdruck.
Auf das Violinkonzert könnte man (wie auf viele andere Werke Beethovens freilich auch) Robert Schumanns Charakterisierung „hohe Lieder des Schmerzes und der Freude“ anwenden. Ein wirklicher Schmerzakzent ist in der Musik des Konzertes freilich nicht zu spüren, auch sollte man ihr nicht den Ausdruck von des Komponisten Erschrecken über den sich ankündigenden Hörverlust unterstellen. Dem Werk fehlt auch schwerlastiges Pathos, in welchem sich Beethoven sonst schon mal gerne ergeht.
Die Introduktion beginnt vielmehr mit leisen Paukenschlägen, welche im Verlauf des Satzes eine fast leitmotivische Bedeutung gewinnen. Beethovens Opus setzt weiterhin auf dialogische Strukturen, nicht auf einen über Gebühr dominierenden Solopart. Das lässt dennoch Raum für gelegentliche virtuose Einsprengsel. Und das Larghetto mit seiner eminenten Leuchtkraft bietet ganz besondere Möglichkeiten für eine „personal note“.
Arabella Steinbacher führte in diesem über weite Strecken ätherisch klingenden Satz zu wahren Klangparadiesen, um es bewusst euphorisch auszudrücken. Klarheit, Reinheit und eminente Pianokultur zeichneten das Spiel der Geigerin aus, die aber auch eines entschiedenen, markanten Ausdrucks fähig war. Letzteres unterstrich sie mit ihrer Zugabe, dem ersten Satz aus Serge Prokofjews Solosonate opus 115. Das Orchester begleitete Beethovens Konzert ausgesprochen stimmig, mit bester Koordination nicht zuletzt bei einigen individuellen Temporückungen. Jukka-Pekka Saraste ließ immer wieder auch Sturm und Drang zu.
In der Sibelius-Sinfonie wuchs sich das zu einem veritablen Pathos aus, was die Musik freilich nicht nur zulässt, sondern geradezu fordert. Auch wenn der Komponist in seinem Werk nationale Gefühle nicht dezidiert auszudrücken beabsichtigte, eignet der Musik doch ein emotionales Lodern, welches das zur Zeit der Uraufführung (1902) noch von Russland abhängige finnische Volk als patriotisches Signal verstand. Saraste ließ mit seiner spannungsgeladenen, dramatischen Interpretation die Erinnerung daran lebendig werden.
Ergänzende Anmerkungen aus aktuellem Anlass … Mit dem WDR Sinfonieorchester verbindet die Münchner Geigerin Arabella Steinbacher eine langjährige Zusammenarbeit. Besonderes Dokument hierfür ist eine vor einem Jahrzehnt entstandene Aufnahme ebenfalls des Beethoven-Konzertes, damals aber unter Andris Nelsons. Ebenfalls eingespielt wurde Alban Bergs Konzert „Dem Andenken eines Engels; die CD ist nach wie vor erhältlich. Im kommenden Monat begibt sich die Geigerin mit dem Orchester auf eine Tournee durch Korea.
Der Klangkörper (bis 1999 war sein Name Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester) blickt mittlerweile auf siebzig Jahre seiner Existenz zurück. Bevor der junge Christoph von Dohnányi sein Chef wurde, arbeitete man ausschließlich mit Gastdirigenten. Namen wie Karl Böhm, Sergiu Celibidache, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Dimitri Mitropoulos oder auch Georg Solti lassen verstehen, dass viele der im Funkhaus (ehemaliges Hotel Mondial) entstandenen Aufnahmen besonders der fünfziger Jahre auf CD in Umlauf gekommen sind und weiterhin kommen. Jüngste Veröffentlichung ist Anton Bruckners siebte Sinfonie unter Hans Knappertsbusch (1963). Vom Eröffnungsjahr des Funkhauses 1951 dürfen zwei attraktive Operneinspielungen nicht unerwähnt bleiben: Igor Strawinsky dirigiert seinen „Ödipus Rex“ (mit Peter Pears und Martha Mödl), der Deutschland-Heimkehrer Fritz Busch Verdis „Maskenball“ (u.a. mit dem ganz jungen Dietrich Fischer-Dieskau).
Christoph Zimmermann (22.4.2018)
Bilder (c) Philharmonie Köln / Peter / Broede