Die vorliegende Live-Aufnahme der „Walküre“ aus dem August 1987, veröffentlicht unter dem Label Sterling, entführt den Hörer in eine faszinierende Ära der skandinavischen Operngeschichte. Die Aufnahme stammt aus der Inszenierung von Klaus Hoffmeyer im dänischen Aarhus, während der Zeit des später berühmten „Ring des Nibelungen“, der in den 1990er Jahren auch als Videomitschnitt festgehalten wurde. Dieser hier auf CD dokumentierte Abend beeindruckt durch seine hohe Qualität. Die Textverständlichkeit des Sänger-Ensembles ist vorbildlich. Der erste Aufzug dieser Aufführung gerät packend. Lisbeth Balslev als Sieglinde überzeugt mit viel Hingabe und stimmlichem Feuer, und ihre berührende Gestaltung dieser Rolle ist beeindruckend. An ihrer Seite ist der erfahrene Tenor Sven-Olof Eliasson als Siegmund zu erleben, der trotz des nahenden Endes seiner aktiven Sängerkarriere eine äußerst souveräne Leistung liefert. Sein eher helles, charakteristisches Stimmtimbre verleiht Siegmund eine leuchtende Farbe, und sein Auftritt zeigt einen gereiften Tenor, dessen Qualität heute kaum noch zu finden ist. Aage Haugland, der als Hagen zu Bayreuth Ehren gelangte, singt den Hunding mit ungemein hintergründiger Finsternis. Im Folgenden beeindruckt Laila Andersson-Palme als Brünnhilde mit einer jauchzenden, völlig mühelosen Darbietung. Ihre gesunde Stimme, die sich allmählich ins schwere Fach entwickelte, zeugt von einer ungewöhnlich differenzierten musikalischen Gestaltung. Andersson-Palme präsentiert sich nicht als hochdramatische Brünnhilde, sondern eher jugendlich hell, mit gelegentlichen Timbre-Erinnerungen an Anja Silja. Ihre „Hojotojos“ sind herrlich lässig und spielerisch, inklusive der geforderten Triller, die selten von Brünnhilde-Sängerinnen so präsentiert wurden. Dazu gesellt sich Empfindung und Anteilnahme in ihrem Gesang. Die Aufnahme besticht auch durch die Teilnahme des großen Heldenbaritons Leif Roar als Wotan. Trotz kleinerer Zugeständnisse an das Alter, wie aufgerissene Vokale in der Höhe, zeigt Roar mit seinem unverwechselbaren, herben Stimmtimbre einen charismatischen Wotan, der sofort im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Seine wilden und schmerzvollen Ausbrüche sowie sein scharfes Profil machen den Entwicklungsprozess der Rolle für den Zuhörer zu einer berührenden Erfahrung. Traumwandlerisch sicher trifft er alle Gestaltungsmomente seiner komplexen Rolle. Minna Nyus als Fricka bietet Wotan stimmlich gut Paroli und überzeugt mit sonorer Tongebung sowie einer ausgewogenen Charakterisierung. Das Ensemble der Walküren präsentiert sich in dieser Aufführung homogen und hinreichend jauchzend. Besonderes Lob gebührt dem Dirigenten Francesco Christofoli am Pult des Aarhus Symphony Orchestra, das zu diesem Zeitpunkt wenig Erfahrung mit Wagners „Ring“ hatte. Christofolis Dirigat drängt vorwärts, kostet die lyrischen Passagen aus und erhebt sich zu monumentaler Größe, insbesondere im grandiosen Walkürenritt, der hier wirklich einmal völlig losgelöst, kriegerisch ertönt. Das Aarhus Symphony Orchestra gefällt durch seinen hohen Einsatz und seinem rhythmischen Drive. Hier spielt ein Orchester auf der Stuhlkante und zwingt den Zuhörer durch seinen mitreißenden Vortrag in hohe Aufmerksamkeit. Kleinere Zugeständnisse müssen an die Klangqualität gemacht werden, da es sich um eine Liveaufnahme handelt, bei der hin und wieder Bühnengeräusche und Huster aus dem Publikum zu hören sind. Dies mindert jedoch in keiner Weise den Wert dieser besonderen Aufnahme. Die beigefügten Informationen über die Solisten, vornehmlich ein Interview mit Laila Andersson-Palme, bieten zusätzlichen Einblick in die Hintergründe dieser beeindruckenden Aufführung und verstärken das Verständnis für die künstlerische Leistung dieser herausragenden Künstler.
Dirk Schauß, 9. Februar 2024
Richard Wagner
Die Walküre
Aarhus Symphony Orchestra
Francesco Cristofoli, conductor
Sterling CDA 1870